# taz.de -- TV-Debatte der EU-Spitzenkandidaten: Von der Leyen unter Druck
> Migration und Kooperationen mit Rechtsextremen: Bei einer TV-Debatte der
> Spitzenkandidaten muss sich die EU-Kommissionspräsidentin rechtfertigen.
IMG Bild: Ursula von der Leyen: Bleibt die CDU-Politikerin EU-Kommissionspräsidentin?
Brüssel taz | Bei einer offiziellen TV-Debatte im Europaparlament in
Brüssel ist die [1][konservative Spitzenkandidatin für die Europawahl],
Ursula von der Leyen, am Donnerstag enorm unter Druck geraten. Die
amtierende EU-Kommissionspräsidentin, die eine zweite Amtszeit anstrebt,
mußte sich für ihre [2][Zusammenarbeit mit Rechtspopulisten] und für ein
Kooperations- und Migrationsabkommen mit Tunesien rechtfertigen.
„[3][Frau von der Leyen], schaffen Sie endlich Klarheit“, forderte der
Spitzenkandidat der Sozialdemokraten, Nicolas Schmit. Die CDU-Politikerin
müsse erklären, ob sie nach der Wahl am 9. Juni mit Rechtskonservativen von
der EKR (Europäische Konservative und Reformer) oder Rechtsextremen von ID
(Identität und Demokratie) kooperieren wolle. Bisher agiere sie in einer
„Grauzone“.
Von der Leyen erwiderte, dass sie sich bei ihrer Arbeit von „sehr klaren
Prinzipien“ leiten lasse. Wer mit ihr kooperieren wolle, müsse sich zur EU,
zur Ukraine und zum Rechtsstaat bekennen. [4][Die AfD und das französische
Rassemblement National um Marine Le Pen] kämen nicht infrage, da sie
„Putin“ unterstützten. Beide Parteien waren bisher in der ID-Fraktion, die
AfD wurde am Donnerstag ausgeschlossen.
Von der Leyen [5][distanzierte sich jedoch nicht von Giorgia Meloni,] der
postfaschistischen Regierungschefin in Italien, und von der
rechtskonservativen EKR. Meloni hatte angekündigt, im Europaparlament neue
Mehrheiten rechts von der Mitte organisieren zu wollen. Ganz nach dem
Vorbild ihrer eigenen Koalition in Rom. Dort arbeiten Konservative,
Rechtspopulisten und Rechtsextreme zusammen.
## Abkommen mit „hässlichen Diktaturen“?
Ausweichend antwortete die deutsche Politikerin [6][auch auf Fragen nach
Tunesien]. Mehrere Medien, darunter der Spiegel und Le Monde, hatten
berichtet, dass das islamisch regierte Land unerwünschte
schwarzafrikanische Migranten zurück in die Wüste schicke und dabei
EU-Mittel nutze. „Das ist nicht mit europäischen Werten vereinbar“, empörte
sich Schmit. „Sie haben ein Abkommen mit einer hässlichen Diktatur
geschlossen“, warf er von der Leyen vor.
„Wir müssen in Herkunfts- und Transitländer investieren, das ist die beste
Politik“, erwiderte die Spitzenkandidatin der Europäischen Volkspartei EVP.
Auf die detaillierten Berichte, die auf systematische
Menschenrechtsverletzungen hinweisen, ging sie aber nicht ein. Vielmehr
nutzte sie die fast zweistündige Debatte, die vom Parlament und der
Europäischen Rundfunkunion (EBU) ausgerichtet wurde, um eine Erfolgsbilanz
ihrer Brüsseler Arbeit zu ziehen.
Mit dem sogenannten Green Deal sei Europa zum Vorreiter im Kampf gegen die
Klimakrise geworden, so von der Leyen. [7][Die grüne Spitzenkandidatin
Terry Reintke] warf ihr hingegen vor, sich von diesem Deal zu verabschieden
und das Klima gegen die Wirtschaft und die Wettbewerbsfähigkeit
auszuspielen. Walter Baier von der europäischen Linkspartei forderte mehr
Investitionen, vor allem in soziale Projekte. Ansonsten drohe der Green
Deal zu scheitern.
Der Spitzenkandidat der Liberalen, Sandro Gozi, forderte mehr Geld für
Rüstung und Verteidigung. Damit die Ukraine im Krieg gegen Russland
obsiege, müsse die EU einen neuen, 100-Milliarden-Euro schweren Fonds
auflegen, so Gozi. Dem widersprach der Linke Baier. Die EU-Mitglieder der
Nato gäben jetzt schon doppelt so viel Geld für Rüstung aus wie Russland
und China zusammen. Die EU müsse sich um eine politische Lösung bemühen,
statt weiter aufzurüsten.
## EKR und ID nicht zur Debatte eingeladen
Neue Vorschläge brachte die englischsprachige Debatte, an der Zuschauer aus
mehreren EU-Ländern beteiligt wurden, nicht. Die Fragen der Moderatoren und
die Antworten der Kandidaten gingen kaum über das hinaus, was der
„Wahl-O-Mat“ bietet – sieht man von kurzen Show-Elementen ab, die wohl
nicht zufällig an den „European Song Contest“ erinnern. Der ESC wird
ebenfalls von der EBU ausgerichtet.
Für Ärger sorgte die Entscheidung, keine Vertreter der rechten EKR und der
rechtsradikalen ID einzuladen. ID sprach von einer „Maskerade“. Die Debatte
diene nur dazu, „die Kandidaten von extrem links bis Mitte zu bewerben und
die Rechte auszuschließen“. Die Veranstalter erklärten, EKR und ID hätten
keine Spitzenkandidaten aufgestellt und sich damit selbst von der Show
ausgeschlossen.
23 May 2024
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## AUTOREN
DIR Eric Bonse
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