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       # taz.de -- Aus dem Knast nach Brüssel: Italienische Antifaschistin sitzt ein
       
       > Ilaria Salis ist in Budapest in Haft, weil sie Neonazis
       > zusammengeschlagen haben soll. Sie kandidiert trotzdem für die Grün-Linke
       > Allianz in Italien.
       
   IMG Bild: Die italienische Lehrerin Ilaria Salis im Gericht in Budapest im März 2024
       
       Rom taz | Von einer Karriere als Europaabgeordnete hat Ilaria Salis gewiss
       nicht geträumt. Aber jetzt ist sie Spitzenkandidatin der radikal linken
       Liste Alleanza Verdi e Sinistra (AVS – Grün-Linke Allianz) in den
       nordwestlichen Regionen Italiens. Allerdings ist sie eine Kandidatin, die
       vor Ort keinen Wahlkampfauftritt absolvieren wird, weder in Turin noch in
       Genua oder Mailand. Denn Salis sitzt in Haft in Budapest seit Februar 2023.
       
       Angeklagt ist sie, weil sie, [1][mit mehreren Mittäter*innen, drei Neonazis
       zusammengeschlagen haben soll]. Jene Neonazis feierten damals den „Tag der
       Ehre“, an dem sie des Ausbruchsversuchs von mit Nazideutschland verbündeten
       ungarischen Truppen aus einem Kessel der Roten Armee im Jahr 1945
       gedachten.
       
       Für Salis – wie für andere Linke aus Ungarn und Europa – war das der Grund,
       [2][in Budapest] zu Gegendemos zu kommen. Jetzt drohen der 39-Jährigen bis
       zu 24 Jahre Haft. Von ihrem Schicksal hatte Italien ein Jahr lang nichts
       erfahren, bis Ende Januar 2024 ihr Prozess begann. Italien war von den
       TV-Bildern, die aus Budapest kamen, schockiert. Zu sehen war eine
       Angeklagte, an Händen und Füßen gefesselt, in den Gerichtssaal geführt an
       einer Leine. Schockierend waren auch ihre Haftbedingungen: die verdreckte
       Zelle, Mäuse, Kakerlaken und Bettwanzen, schier ungenießbares Essen.
       
       ## „Politik von unten“
       
       Eine Welle der Solidarität ging durch Italiens Linke, die auch die Parteien
       ergriff. Gleich zwei wollten Salis umgehend als EP-Kandidatin aufstellen,
       die gemäßigt linke Partito Democratico und die radikalere AVS. Der
       Hintergedanke: Einmal ins EP gewählt, müsste Salis [3][von der ungarischen
       Justiz] auf freien Fuß gesetzt werden. Dass sie sich dann für die AVS
       entschied, verwundert nicht. Sie ist zwar keine Anarchistin, wie es in der
       italienischen Presse mehrfach hieß.
       
       Doch sie zählt sich zur „antagonistischen“ Linken. In den letzten Jahren
       war die Mailänder Lehrerin immer wieder bei militanten Aktionen gegen
       rechts aufgefallen, die sie wegen Delikten wie Widerstand gegen
       Staatsbeamte vor Gericht brachten. Sie bezeichnet sich als
       „antifaschistische Aktivistin“ und sagt: „Der Antifaschismus wird immer der
       Kompass bleiben, der mein Handeln leitet.“
       
       Als EP-Kandidatin stellt die vor ihrer Verhaftung mit Zeitverträgen
       beschäftigte Lehrerin, „als junge Frau und prekär Beschäftigte“, den „Kampf
       für die Verbesserung der materiellen Lebensbedingungen“ in den Fokus.
       Schließlich sei sie „keine Berufspolitikerin“, sondern eine, die Politik
       immer „von unten“ gemacht habe. Ihre Kandidatur hat bereits Folgen: Im Mai
       räumte ihr das Gericht Hausarrest ein. Ob sie tatsächlich gewählt wird,
       hängt davon ab, wie gut die Grün-Linke Liste abschneidet, denn in Italien
       gilt die 4-Prozent-Hürde.
       
       5 Jun 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Michael Braun
       
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