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       # taz.de -- Ozeanwasser leckt am Doomsday-Gletscher: Ausgehöhlt bis zum Weltuntergang
       
       > Der Doomsday-Gletscher schmilzt schneller als erwartet, weil warmes
       > Ozeanwasser von unten eindringt. Der Meeresspiegel könnte so um 7 Meter
       > steigen.
       
   IMG Bild: Ein amerikanisches Forschungsschiff vor dem Thwaites-Gletscher in der Antarktis
       
       Der in den 1960er Jahren nach Fredrik T. Thwaites, einem US-amerikanischen
       Glaziologen, benannte Gletscher trägt einen gespenstischen Spitznamen:
       „Doomsday- Gletscher“, übersetzt so viel [1][wie Weltuntergangsgletscher],
       oder auch „Gletscher des Jüngsten Gerichts“. Denn diese gigantische
       Eismasse am Südpol in der Westantarktis ist wie ein Korken, der den Inhalt
       einer Flasche – hier die unterirdischen Wassermassen – bändigt. Einen
       Inhalt also, der besser bleibt, wo er gerade ist.
       
       Der Thwaites ist flächenmäßig größer als England, Wales und Nordirland
       zusammen, seine Gletscherzunge ragt 160 Kilometer lang und gut 30 Kilometer
       breit ins Meer. Dabei ist dieser „Korken“ nur ein kleiner Gletscher – im
       „Bauch“ der Flasche dahinter befindet sich der wesentlich größere
       westantarktische Eisschild. Sollte der „Korken“ schmelzen, wird der
       Meeresspiegel um mindestens 60 Zentimeter zusätzlich steigen. Aber das ist
       nur der kleine Teil des Problems: Ist der „Korken“ einmal ganz weg, werden
       die Eismassen des Eisschildes unweigerlich ins Meer driften, auftauen und
       den Meeresspiegel um weitere 3 bis 10 Meter ansteigen lassen.
       
       [2][Dass der Weltuntergangsgletscher bereits schmilzt], haben Forschende
       schon vor 16 Jahren festgestellt. Der Thwaites-Spezialist Sridhar
       Anandakrishnan schrieb nach seiner Expedition 2008: „Der Thwaites beginnt
       zu platzen.“ Das Deutsche Alfred-Wegener-Institut, das den Untergrund des
       Gletschers untersuchte, fand zudem heraus, dass der Thwaites – anders als
       der Grönländische Eisschild am Nordpol – nicht von oben taut, sondern von
       unten. Nicht warme Luft setzt dem Gletscher zu, sondern durch den
       menschengemachten Treibhauseffekt immer [3][wärmer werdendes Ozeanwasser].
       
       ## Die Studie
       
       Das bleibt nicht ohne Folgen. [4][Wissenschaftler der University of
       California] haben nun durch hochauflösende Satellitendaten nachgewiesen,
       dass warmes Ozeanwasser bereits tief in den Thwaites-Gletscher eindringt.
       Dieser Energieeintrag „von unten“ führe zu einem „kräftigen Schmelzen“. Der
       Korken drohe zu „explodieren“. Die Forscher schreiben im Fachjournal PNAS,
       die Situation sei wesentlich besorgniserregender „als bisher angenommen“.
       
       ## Was bringt’s?
       
       Die Forschungsgruppe führt uns einmal mehr vor Augen, wie schlecht es um
       die Menschheit bestellt ist. Denn auf die Schmelze folgt ein Platzproblem.
       Etwa 17 Prozent der Menschheit lebt in Gebieten, die weniger als 1 Meter
       über dem Meeresspiegel liegen. Zwar wird der in den kommenden 70 Jahren
       nicht gleich um 7 Meter ansteigen, Eisschmelze ist schließlich ein träger
       Prozess. Klar ist aber, dass ohne den „Korken Thwaites“ (und die anderen
       Kippelemente wie das Grönlandeis) 7 Meter Ozeananstieg unausweichlich
       sind. Nicht nur Städte sind betroffen, sondern ganze Landstriche, wie das
       Mekongdelta, die Sundarbans in Indien und Bangladesch oder die Everglades
       in den USA.
       
       8 Jun 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Klimaforscher-ueber-Doomism/!5902230
   DIR [2] /Kaum-Fortschritte-bei-Antarktisschutz/!5969196
   DIR [3] /Studien-zur-Erhitzung-des-Ozeans/!5931558
   DIR [4] https://www.pnas.org/doi/full/10.1073/pnas.2404766121
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Nick Reimer
       
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