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       # taz.de -- EU-Wahl und Israel: Techtelmechtel der Rechtsparteien
       
       > Auf den ersten Blick erscheint das Bündnis europäischer Rechter mit
       > Israels Rechtsradikalen paradox. Man trifft sich indes schon beim
       > Fremdenhass.
       
   IMG Bild: Unter Rechten: Amichai Chikli, israelischer Minister für Diaspora-Angelegenheiten, bei dem von der spanischen Partei VOX organisierten Treffen
       
       Im Vorfeld der Wahlen zum Europäischen Parlament suchen rechte Parteien auf
       dem ganzen Kontinent nach alten und neuen Verbündeten. Zu diesen
       Verbündeten gehören auch Vertreter der israelischen Rechten. Der
       prominenteste unter ihnen ist [1][Diasporaminister Amichai Chikli], der auf
       einer Konferenz der rechtsextremen Partei Vox in Spanien sprach. Zuvor
       hatte sich Chikli mit Vertretern der Schwedendemokraten getroffen.
       
       Wie in den Niederlanden, Schweden, Italien und [2][Ungarn] sind auch in
       Israel die Rechten an der Macht. Das offizielle Israel pflegt eine gewisse
       Ambivalenz gegenüber der europäischen Rechten, aber die Rhetorik vieler
       seiner Sprecherinnen und Sprecher lässt keinen Zweifel an ihrer wahren
       Haltung ihr gegenüber. Der Knessetabgeordnete [3][Ariel Kellner] vom Likud,
       der für die Beziehungen zum Europäischen Parlament zuständig ist, hat so
       extremistische Äußerungen gemacht, die eine Reihe von EU-Abgeordneten dazu
       veranlassten, seinen Rücktritt zu fordern.
       
       Es scheint seltsam, dass die israelische Rechte, die sich permanent über
       den Antisemitismus in der ganzen Welt beschwert, sich ausgerechnet Parteien
       anschließt, die, wenn nicht in ihrem Handeln, so doch zumindest
       hinsichtlich ihres historischen Erbes mit dem Antisemitismus identifiziert
       werden. Warum buhlt [4][Israels Rechte um die Gunst der europäischen
       Rechten]? Die Hauptgründe sind sicher die gemeinsame islamophobe
       Weltanschauung und die giftige Atmosphäre der Fremdenfeindlichkeit, die die
       Rechten verbreiten.
       
       Welche Fremden gemeint sind, ist dabei zweitrangig. Wichtig ist nicht die
       Identität des verhassten Fremden, sondern das ständige Bemühen, zwischen
       dem Einheimischen und dem Fremden, zwischen den Unseren und den Anderen zu
       unterscheiden. Es gibt einen [5][bekannten TV-Sketch]: Jüdische
       Einwanderer, die mit dem Boot anlegen, werden von der Gruppe, die vor ihnen
       ins Land kam, mit Beleidigungen begrüßt. Chiklis Auftritt in Spanien weckt
       Assoziationen zu diesem Sketch.
       
       ## Leben im permanenten Ausnahmezustand
       
       Einwanderung gilt es zu bekämpfen und die „schädliche Idee“ des
       Multikulturalismus zurückzuweisen. Der zweite Grund ist vielleicht, dass
       der Antisemitismus in Europa die israelische Rechte nicht wirklich besorgt.
       Donald Trump ist auch ein bisschen antisemitisch, aber das hält sie nicht
       davon ab, sich ihm freudig anzuschließen. Eine mögliche Erklärung ist, dass
       die israelische Rechte pragmatisch ist und ihre Vertreter sich sagen: Uns
       ist egal, ob du uns hasst, solange du unseren Interessen dienst.
       
       So erklärt sich auch die langjährige Allianz zwischen den Siedlern und den
       amerikanischen Evangelikalen, die sie nur deshalb unterstützen, weil sie
       glauben, dass sie die Erlösung beschleunigen. Am Ende würden die Siedler
       entweder zum Christentum konvertieren oder sterben müssen. Eine andere
       Erklärung ist aber, dass die Rechte sich tatsächlich gerne mit Antisemiten
       verbündet, weil sie sich auf einer unbewussten Ebene eine antisemitische
       Welt wünscht.
       
       Tatsächlich gedeiht die Rechte ganz gut in einer antisemitischen
       Atmosphäre, unter Bedingungen der Angst und des Hasses. Es ist das
       masochistische Märtyrertum, worüber schon der jüdische Autor [6][Mendele
       Moicher Sforim] schrieb, der Jude freue sich, ein Opfer zu sein. Als er
       dies schrieb, dachte er an Juden in der osteuropäischen Diaspora, aber es
       scheint, dass diese Neurose auch auf Menschen wie Amichai Chikli übertragen
       wurde, einen ehemaligen Infanterieoffizier in Eliteeinheiten.
       
       Die israelische Inkarnation dieser jüdischen Pathologie ist der Wunsch,
       sich zu stärken, sich zu bewaffnen, vom Schwert zu leben in einem
       permanenten Ausnahmezustand.
       
       Übersetzt aus dem Hebräischen
       
       7 Jun 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.jpost.com/israel-news/article-801741
   DIR [2] /Viktor-Orban/!t5010201
   DIR [3] https://www.timesofisrael.com/cabinet-minister-and-mks-visit-flashpoint-temple-mount-ahead-of-controversial-march/
   DIR [4] https://www.diepresse.com/4966798/strache-im-westjordanland-wir-erleben-israelisierung-in-europa
   DIR [5] https://www.youtube.com/watch?v=tQPuOp2Lxb8
   DIR [6] https://www.hagalil.com/2011/01/mendele-moicher-sforim/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hagai Dagan
       
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