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       # taz.de -- Linker Haushalt in einer rechten Welt: Begriffe schrubben
       
       > Ist Hausarbeit links oder rechts? Für den italienischen Philosophen Furio
       > Jesi wohl eher Letzteres. Ein Dilemma wie das Reinigen von Silberbesteck.
       
   IMG Bild: Wie bekommt man Silberbesteck wieder sauber?
       
       Haushalt ist Arbeit gegen die Natur. Insofern ist Haushaltsarbeit
       emanzipatorisch. Haushalt ist die dumpfe Bewahrung eines Status quo in
       Dauerschleife. Insofern ist Haushaltsarbeit konservativ. Haushalt ist
       links, weil es zumindest in einem Mehrpersonenhaushalt, gar einem mit
       Kindern, solidarische Arbeit ist, „Carearbeit“. Haushalt ist rechts, weil
       Haushaltsarbeit die Kleinfamilie zementiert und nicht umsonst in allen
       fortschrittlichen Gesellschaftsentwürfen, von der Kommune bis zum Kibbuz,
       auf eine breite, professionelle Basis gestellt wurde ([1][was oft genug
       scheiterte]).
       
       Das sind Formulierungsansätze, Gedankensplitter, ein assoziatives
       Rumschrubben, so ähnlich wie meine Versuche, endlich eine schlüssige
       Methode zu finden, das Silberbesteck sauber zu kriegen. Auf die
       grundsätzliche Frage, ob Haushalt links oder rechts sei, kam ich im
       Nachklang zu einer [2][Buchpräsentation im Italienischen Kulturinstitut in
       Berlin Ende April].
       
       Es ging um die – demnächst erscheinende – deutsche Übersetzung der Studie
       [3][„Spartakus. Die Symbolik der Revolte“] des italienischen Philosophen
       und Germanisten [4][Furio Jesi] (1941–1980). Im Anschluss lud ich mir ein
       anderes Großessay von Jesi aufs Handy, „Cultura di destra“, das Sie unter
       dem Titel „Kultur von rechts“ auch in deutscher Übersetzung in der
       Bibliothek Ihres Vertrauens finden können.
       
       ## Autorität und Gewissheit
       
       Im Anhang dieses Buches findet sich ein Interview aus dem Jahr 1979 mit
       Jesi. Dort sagt er auf die grundlegende Frage, was denn Kultur von rechts
       eigentlich sei, unter anderem: „Eine Kultur, die aus Autorität gemacht ist,
       aus einer mythologischen Gewissheit, was die Normen des Wissens, des
       Lehrens, des Befehlens und des Gehorchens angeht. Der Großteil unseres
       kulturellen Erbes beruht auf dieser Kultur von rechts, und zwar auch für
       diejenigen, die gar nicht rechts sein wollen.“
       
       Auf die abschließende Frage, ob es denn überhaupt möglich sei, eine rechte
       von einer linken Kultur zu unterscheiden, antwortet Jesi dann, dass ihm
       eine solche Unterscheidung schwerfalle, und zwar nicht deswegen, weil er
       sie abstrakt nicht gegeben sähe, sondern weil „ich nicht ohne weiteres
       Beispiele für eine linke Kultur anführen könnte (wenn die rechte die ist,
       die ich beschrieben habe)“.
       
       Klar, Jesi spricht von seinem zeitgenössischen Italien 1979; aber mich hat
       das dennoch geflasht, als hätte ich endlich diese saubere, unaufwendige und
       erfolgreiche Methode zur Reinigung von Silberbesteck gefunden.
       
       ## Gefangen in einer Welt von rechten Werten
       
       Denn was Jesi zumindest mir hier sagt, ist, dass die Frage, ob das
       Haushalten links oder rechts sei, insofern vorwissenschaftlich ist, weil es
       eine linke Kultur, die sich grundsätzlich von einer rechten unterscheidet,
       in der realen, bürgerlichen, kapitalistischen, eben rechten Welt, in der
       wir immer noch leben, gar nicht gibt und vielleicht – da wasche ich jetzt
       bildlich gesprochen meine eigene Wäsche – auch gar nicht geben kann.
       
       Sogar wenn ich ein noch emanzipierterer Hausmann und Vater wäre, als ich es
       mit einem Blick auf die Statistiken zur unbezahlten Sorgearbeit
       [5][(„Gender Care Gap“]) objektiv leider schon bin, bliebe ich doch
       gefangen in einer Welt von rechten, „nicht zu diskutierenden, mit
       Großbuchstaben geschriebenen Werten“, wie Jesi in dem erwähnten Interview
       sagt. Und dabei habe ich globale Schieflagen noch gar nicht in den Blick
       genommen.
       
       Furio Jesi starb übrigens 1980 an einer Kohlenmonoxidvergiftung durch einen
       defekten Heizstrahler: ein Haushaltsunfall eben.
       
       10 Jun 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://black-mosquito.org/de/lothar-binger-68-selbstorganisiert-antiautoritar.html
   DIR [2] https://iicberlino.esteri.it/de/gli_eventi/calendario/furio-jesi-spartakus-die-symbolik-der-revolte/
   DIR [3] https://www.matthes-seitz-berlin.de/termin/herausgeber-andrea-cavaletti-stellt-furio-jesis-spartakus.-die-symbolik-der-revolte-vor-51626.html
   DIR [4] https://de.wikipedia.org/wiki/Furio_Jesi
   DIR [5] https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/gleichstellung/gender-care-gap/indikator-fuer-die-gleichstellung/gender-care-gap-ein-indikator-fuer-die-gleichstellung-137294
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ambros Waibel
       
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