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       # taz.de -- Wahlkampf in Frankreich: Die falsche Strategie
       
       > Mit Argumenten lässt sich der Rassemblement National nicht bekämpfen. In
       > der Opferrolle fühlen sich die Rechtsextremen pudelwohl.
       
   IMG Bild: Das Fernsehduell zwischen Jordan Bardella (links) und Gabriel Attal
       
       Paris taz | Am letzten Donnerstag ist Premierminister Gabriel Attal (35)
       gegen den Spitzenkandidaten der EU-Wahlliste des rechtsextremen
       Rassemblement National (RN), Jordan Bardella (28), zu einem Fernsehduell
       angetreten. Das versprach für das Publikum eine politisch sportliche
       Debatte.
       
       Dank seiner längeren Erfahrung und seiner Bildung in den Kaderschmieden der
       Republik konnte Emmanuel Macrons Regierungschef davon ausgehen, dass er die
       Schwächen und mangelnden Sachkenntnisse seines jüngeren Gegners bloßlegen
       würde.
       
       Das war dann auch tatsächlich der Fall, und am Tag danach beglückwünschte
       sich Attal selber zu einem rhetorischen Sieg nach Punkten: „Die Masken sind
       gefallen“, denn Bardella sei außerstande gewesen, in plausibler Weise zu
       erklären, wie denn im EU-Binnenmarkt die vom RN geforderte „nationale
       Präferenz“ funktionieren könnte, ohne den französischen Unternehmen im
       Gegenzug Nachteile zu bringen.
       
       Ebenso wenig sei es dem RN-Sprecher gelungen, zu erklären, wie die von ihm
       verlangte „doppelte Grenze“ mit Kontrollen konkret funktionieren solle.
       Bardellas lückenhafte Kenntnisse und seine ungenügende Vorbereitung waren
       offensichtlich. Doch gewonnen hat Attal damit gar nichts.
       
       ## Falsche Strategie im Wahlkampfduell
       
       Im Gegenteil: Die intellektuelle Selbstsicherheit, mit der er – ganz nach
       dem Vorbild des Präsidentschaftskandidaten Macron, der 2017 und 2022 seine
       Gegnerin vom RN, Marine Le Pen, in lehrerhafter Weise korrigierte –, konnte
       von den mit Bardella sympathisierenden Zuschauer*innen durchaus als
       Süffisanz interpretiert werden.
       
       In den Tagen nach der Fernsehdebatte stieg laut Umfragen der
       voraussichtliche Wähleranteil der Liste Bardella von bisher 32 auf 33 oder
       sogar 34 Prozent. Der Schluss liegt also nahe, dass Attals Auftritt
       kontraproduktiv war. Das hinderte Präsident Macron nicht daran, Marine Le
       Pen erneut zu einem Wahlkampfduell einzuladen. Die hat seine Einladung
       pariert und erwidert, sie komme nicht „wie ein Hund, bloß weil Macron
       pfeift“.
       
       Sie setzt auf das Image ihres Vizes Bardella, das komplementär zu ihrem ist
       und neue Wählerschichten, namentlich jüngere Stimmberechtigte, anzieht. Am
       9. Juni könnte der RN rund 10 Prozentpunkte hinzugewinnen und mit Abstand
       am meisten Abgeordnetensitze erringen.
       
       ## Skeptische Wähler*innen
       
       Will man sich das ganze Bild vom Vormarsch der extremen Rechten machen,
       müssen die 5 bis 6 Prozent der rechtsradikalen Liste mit Marine Le Pens
       Nichte Marion Maréchal noch dazugerechnet werden!
       
       Noch so stichhaltig und überzeugend erscheinende Argumente richten bei
       diesen 30 bis 40 Prozent Wahlberechtigten nichts aus. Denn erstens glauben
       sie Leuten wie Macron oder Attal, aber auch den Schönrednern der anderen
       traditionellen Parteien von links und rechts a priori nicht.
       
       Und zweitens geht es um etwas anderes beim Erfolg der Rechtsextremisten,
       die noch unlängst wie politisch unberührbare Parias marginalisiert und von
       Macht und Ämtern ausgeschlossen waren. Ihr Erfolg erklärt sich gerade
       damit, dass sie nie an der Macht waren. Dass sie als Gefahr für die
       Demokratie bezeichnet und von ihr ferngehalten wurden.
       
       ## Aufbegehren gegen Macron
       
       [1][Der absehbare Wahlerfolg] des RN ist ein Plebiszit gegen den
       Präsidenten und die Regierung. Andere Oppositionsparteien, die linken wie
       die liberalen und konservativen, sind im Unterschied zum RN Teil des
       bisherigen Systems.
       
       Es sind die Parteien der ungehaltenen Versprechen von gestern und
       vorgestern. Und wenn sie heute die extreme Rechte so heftig als Gefahr
       angreifen, bestärkt das die RN-Sympathisant*innen nur in ihren
       Wahlabsichten. Keine andere Kategorie ist laut Umfragen so stark
       entschlossen, an den EU-Wahlen teilzunehmen, wie sie.
       
       Wenn die Macronisten, aber auch die Sozialisten, Grünen oder Konservativen
       über die EU-Politik, Richtlinien, Subventionen oder den Green Deal
       diskutieren, reden sie wahrscheinlich weitgehend an jenen
       Mitbürger*innen vorbei, für die die rechtsextremen Favoriten der
       Europawahl gerade darum glaubwürdig sind, weil sie versprechen, sie würden
       sich quer stellen.
       
       Eine Erfolgsbilanz in dieser Hinsicht haben sie nicht vorzuweisen. Im
       Gegenteil glänzte Bardella in der zu Ende gehenden Legislaturperiode als
       EU-Abgeordneter vor allem durch seine Abwesenheit in Straßburg.
       
       29 May 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Wahlkampfauftakt-zur-EU-Wahl/!6005005
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Rudolf Balmer
       
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