# taz.de -- 250.000 Strafe für illegale Impfaktion: Impfstoff-Erfinder verurteilt
> Wegen einer Impfaktion mit einem nicht zugelassenen Corona-Impfstoff muss
> der Lübecker Unternehmer Winfried Stöcker 250 000 Euro Strafe zahlen.
IMG Bild: Hat nicht offiziellen Impfstoff gespritzt: Euroimmun-Gründer Winfried Stöcker im Amtsgericht
Lübeck taz | Am 27. November 2021, einem Sonnabend, war der Parkplatz des
Flughafens Lübeck-Blankensee voll, obwohl an diesem Tag mitten in der
Corona-Pandemie kein Flugverkehr war. Vor den Glastüren der Lobby und in
der Eingangshalle warteten 150 Menschen. Drinnen, am Ende eines Flures, war
ein provisorisches Arztzimmer aufgebaut. Auf einem Tisch lagen Dutzende
aufgezogene Spritzen.
[1][Der Arzt und Unternehmer Winfried Stöcker], dem der Flughafen gehört,
hatte über E-Mail zu einer Impfaktion aufgerufen. Das Serum namens „Lubeca
Vax“ hatte er vorher selbst entwickelt und an sich und seiner Familie
getestet. Offiziell getestet und zugelassen war es allerdings nicht. Zwar
gab es zu dieser Zeit für Corona-Impfstoffe schon ein verkürztes
Zulassungsverfahren. Aber Stöcker wollte damit kein Geld verdienen, sondern
den Impfstoff frei zur Verfügung stellen – so stellte es zumindest der
FDP-Politiker und Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki dar. Die
Zulassung hätte laut Kubicki aber „mehrere 100.000 Euro„gekostet.
Kubicki vertrat Stöcker am Montag als Anwalt in einem Prozess vor dem
Amtsgericht Lübeck. Der Unternehmer wehrte sich damit gegen eine
Geldstrafe, die er wegen „in Verkehr bringen eines nicht zugelassenen
Arzneimittels“ zahlen sollte. Etwa 50 Menschen sollen bei der Aktion im
Flughafen schon geimpft worden sein, als die Polizei eingriff. Der Beamte,
[2][der die illegale Impfaktion] damals auflöste, sagte als Zeuge aus: Als
er in der Halle stand, habe es „Pöbeleien und Gelächter“ gegeben, die
Beamten seien als „Huren des Staates“ bezeichnet worden. Viele der Menschen
dort seien [3][„Corona-Leugner“] gewesen.
## „Man wurde gepiekst und weitergeschoben“
Eine Zeugin, die damals Stöckers Aufruf gefolgt war, berichtete, dass er
eine Gruppe über die Impfung aufgeklärt habe: Sie sei nicht zugelassen,
aber ungefährlich. „Dann musste ich unterschreiben, dass die Verantwortung
bei mir liegt und er keine Haftung übernimmt.“ Das Ganze sei sehr schnell
gegangen, „man wurde gepiekst und weitergeschoben“.
Die beiden Anwälte von Stöcker argumentierten, dass dieser nicht selbst
geimpft habe. Einen Impfstoff zu entwickeln und anzubieten, auch wenn er
nicht getestet sei, sei keine Straftat. [4][Der wegen stramm rechter und
sexistischer Äußerungen umstrittene Multimillionär] präsentierte sich vor
Gericht als Retter in der Not: „Es gab die Gefahr, dass 100.000 Menschen
sterben“, sagte er. Er sei durch seine Expertise in der Lage gewesen, einen
Weg aus der Pandemie zu finden.
Tatsächlich sagte ein Arzt aus Kaufbeuren vor Gericht aus, er habe den
Impfstoff bestellt und an 80 seiner Patienten verimpft, weil er „eine sehr
gute Immunisierung erzeugte“. Ein medizinischer Gutachter des Gerichts
bestritt diese Möglichkeit nicht. Trotzdem sei ein Zulassungsverfahren
wichtig, um Nebenwirkungen und giftige Bestandteile auszuschließen.
Ein Zeuge, ein 72-jähriger Arzt, ist überzeugt, dass sein bester Freund
wegen einer Impfung mit „Lubeca Vax“ so gut wie tot sei. Der Mann,
ebenfalls Arzt, habe sich „im Internet in einen Verschwörungsstrudel“
begeben und das Vakzin bei Stöcker online gekauft. Wenige Tage nach der
Impfung sei er mit einer Hirnthrombose ins Krankenhaus gekommen. „Am Anfang
war er noch ansprechbar. Er sagte, es war keine gute Idee, sich das zu
spritzen.“ Danach fiel er in einen Locked-In-Zustand, aus dem er bis heute
nicht aufgewacht ist.
## Urteil weit über Forderung der Staatsanwaltschaft
In dem Gerichtsprozess ging es nur am Rand um die Frage, wie gefährlich
oder sicher „Lubeca Vax“ ist. Diese Frage ließe sich ohne Zulassungsprozess
nicht klären, sagte der Gutachter. Wichtiger dafür, ob Stöcker eine
Straftat begangen hat, war eine andere Frage: Ist „Lubeca Vax“ ein
Wirkstoff oder ein Arzneimittel? Arzneien brauchen eine Zulassung, bevor
sie verkauft werden dürfen, ihre Bestandteile dagegen nicht. Das Lübecker
Vakzin besteht aus einer NaCI-Lösung, einem Aluminiumträger und dem
eigentlichen Impfstoff, einem Eiweiß-Antigen. Stöcker bestand darauf, dass
er sie bei der Flughafen-Aktion nicht selbst gemischt und auch nicht
verimpft habe.
Die Staatsanwältin konterte in ihrem Plädoyer: Nach dem Arzneimittelgesetz
könnten auch Bestandteile von Präparaten als Arznei gelten. Sie forderte
eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 200 Euro. Der Richter ging in
seiner Entscheidung weit darüber hinaus und verurteilte Stöcker zu 50
Tagessätzen zu je 5.000 Euro Strafe.
Grundlage für die hohe Summe ist das Vermögen des Angeklagten: Stöcker hat
sein Unternehmen „Euroimmun“ 2017 für 1,2 Milliarden Euro verkauft. Wie
viel davon in sein Privatvermögen einflossen, wollte er vor Gericht jedoch
nicht sagen. Noch im Gerichtssaal verkündete er, dass er gegen das Urteil
Berufung einlegen wolle.
10 Jun 2024
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## AUTOREN
DIR Friederike Grabitz
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