# taz.de -- Kommunalwahl in Baden-Württemberg: Das Ländle sieht schwarz
> Die Grünen verlieren auch im Südwesten. Ministerpräsident Winfried
> Kretschmann rät seiner Partei, von Winfried Kretschmann zu lernen.
IMG Bild: Wählt vermutlich immer noch grün: Ministerpräsident Winfried Kretschmann
Karlsruhe taz | Fünfzehn Jahre nach dem Amtsantritt des [1][ersten grünen
Ministerpräsidenten] scheint der grüne Traum, Volkspartei im Südwesten zu
werden, ausgeträumt. Auch bei den [2][Kommunalwahlen] im grün-schwarz
regierten Baden-Württemberg mussten die Grünen starke Verluste hinnehmen.
Vor allem in ländlichen Regionen hat die Partei Sitze verloren. Letzte
grüne Inseln sind die großen, vor allem die Universitätsstädte.
In Heidelberg und Karlsruhe bleiben die Grünen trotz Verlusten mit Abstand
stärkste Kraft. In Ulm gelingt es den Grünen überraschend, mit acht Sitzen
die stärkste Fraktion zu stellen, allerdings mit starken Verlusten. Über 40
Prozent der Stimmen gingen in Ulm an sonstige Parteien, von Junge Ulmer bis
zur Tierschutzpartei.
Auch in Freiburg sind die Grünen mit 23,8 Prozent stärkste Kraft, in
Tübingen sind es sogar 33,7 Prozent. In Tübingen, wo seit 2007 das
ehemalige Grüne Enfant Terrible Boris Palmer als Oberbürgermeister regiert,
trat die AfD erst gar nicht an. Palmer selbst zog bei der Wahl auf der
Liste der Freien Wähler mit einem Spitzenergebnis in den Tübinger Kreistag
ein.
Für die Grünen wird es nach diesen Ergebnissen in der Nachfolgedebatte
nicht leichter. Denn beide Wahlen zeigen, dass die Grünen im konservativen
Milieu an Zustimmung verloren haben. Besonders bitter ist die Niederlage
bei der Kommunalwahl für die grünen Landesvorsitzenden Pascal Hagenmüller
und Lena Schwelling, die bei ihrem Amtsantritt eine kommunalpolitische
Offensive angekündigt hatten.
## Verluste bei den Jungwählern
Der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann lehnte eine persönliche
Verantwortung für das schlechte Abschneiden seiner Partei bei den Kommunal-
und Europawahlen im Ländle ab: „Ich habe nicht zur Wahl gestanden und auch
keinen Wahlkampf gemacht“, sagte Kretschmann. Die Landespartei habe sich
weder bei der Europa- noch bei der Kommunalwahl vom Bundestrend abkoppeln
können. Der „härteste Teilaspekt“ der Niederlage sei, dass die Grünen auch
in Baden-Württemberg gerade bei den Jungwählern herbe Verluste hinnehmen
mussten.
Kretschmann stellt eine „radikal veränderte Themenlage“ weg von Klimafragen
fest. Es gebe eine Skepsis, ob die Grünen die richtigen Antworten zu Fragen
der Zeit geben würden, etwa in der Migrationsfrage und der Inneren
Sicherheit. Für die Grünen stelle sich die Frage, ob sie Bündnispartei sein
wolle, die Wähler jenseits der eigenen Klientel anspreche, oder eine
Milieupartei bleiben wolle. Als kompromissbereite Bündnispartei seien die
Grünen in Baden-Württemberg seit fast 15 Jahren erfolgreich, so
Kretschmann.
[3][Die AfD konnte wie bei der Europawahl kommunal fast überall Erfolge
vermelde]n, mancherorts eroberte sie Platz zwei hinter der CDU, aber vor
den Grünen. Die AfD trat jedoch nicht flächendeckend an. Auch waren bei den
Kommunalwahlen die Zugewinne nicht ganz so groß wie bei der Europawahl.
[4][In Mannheim, das noch unter dem Eindruck des tödlichen Messerangriffs
auf einen Polizisten stand], erzielte die AfD einen Zuwachs von fünf
Prozent.
Im Pforzheimer Gemeinderat, einer traditionellen AfD-Hochburg, wurden die
Rechtspopulisten mit 22 Prozent Stimmanteil stärkste Kraft. Hier gewannen
sie 7,1 Prozent dazu. In Schwäbisch Gmünd kamen die Rechtsextremen bei
ihrer ersten Kandidatur mit 13 Prozent sechs Gemeinderatssitze.
## Flächendeckend siegt die CDU
Gewinner der Wahl ist im Südwesten fast flächendeckend die CDU. Sie gewann
in den meisten Wahlkreisen dazu. In Stuttgart hat die Union 5,6
Prozentpunkte dazu gewonnen und überholt mit 23,4 Prozent der Stimmen die
Grünen. Die verloren 3,4 Prozentpunkte und landen mit 22,9 Prozent auf
Platz zwei. Die AfD gewann in der Stadt 2,2 Prozentpunkte dazu und kommt
auf 13,8 Prozent.
Im Stuttgarter Gemeinderat könnte es trotzdem weiterhin für eine ökolinke
Mehrheit aus den Grünen, der SPD sowie Linkspartei und SÖS reichen. Die SPD
nahm leichte Verluste hin, die FDP hielt sich auf niedrigem Niveau stabil.
Auch im Südwesten [5][konnte die Partei Volt Überraschungserfolge
erzielen]. So zog die Europapartei in Karlsruhe und in Freiburg aus dem
Stand ins Kommunalparlament ein.
Hinweis: Wir hatten fälschlicherweise behauptet, die Grünen hätten in
Freiburg über 30 Prozent der Stimmen auf sich vereinen können. Danke für
die Leser- und Leserinnenhinweise. Wir haben das korrigiert.
12 Jun 2024
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## AUTOREN
DIR Benno Stieber
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