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       # taz.de -- Tausende bei Mieten-Demo: Bunter Umzug gegen den Wahnsinn
       
       > Tausende Menschen demonstrieren gegen hohe Mieten und Verdrängung – mit
       > Zwischenstopp am Hafenplatz, wo 700 Wohnungen und Gewerbe weichen sollen.
       
   IMG Bild: „Drinking landlords tears“: Auf der Mieten-Demo am 1. Juni in Mitte gab es viele witzige Schilder zu lesen
       
       Berlin taz | Es war die erste große Mietendemo seit Jahren: Am
       Samstagnachmittag demonstrierten in Kreuzberg nach Angaben der
       Veranstalter*innen 12.000 Menschen gegen zu hohe Mieten, die Polizei
       sprach von 4.500 Teilnehmenden. Vor einigen Jahren wurden bei Mietendemos
       wesentlich höhere Zahlen erreicht, dabei [1][hat sich an den Problemen
       nichts geändert].
       
       Im Gegenteil: „Der Mietenwahnsinn ist seitdem nicht geringer geworden“,
       sagt Kim Meyer vom Bündnis gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn. „Der
       Volksentscheid wird nicht umgesetzt, die Neuvermietungspreise in Berlin,
       die Neben- und Heizkosten sind explodiert.“
       
       Zu der Demonstration haben fast 200 Initiativen, Verbände und
       Hausgemeinschaften aufgerufen. Die Forderungen: Bestandsmieter*innen
       schützen, [2][Mieten deckeln, Volksentscheid Deutsche Wohnen und Co
       enteignen umsetzen], Eigenbedarfskündigungen und Zwangsräumungen aussetzen,
       sozialen und ökologischen Neubau realisieren.
       
       Etwas verspätet setzt sich am Samstagnachmittag der Demozug mit Tausenden
       Menschen und sechs Wagen in Bewegung. Trotz einiger markiger Forderungen
       ([3][Enteignen]! Besetzen! Klassenkampf!) ist die Demo gut gelaunt und
       gleicht eher einem Umzug. Es gibt Chöre und Trommelgruppen, Kleinkinder und
       Rentner*innen laufen mit. Ein Astronaut trägt ein Schild mit der
       Aufschrift: „Eure Mieten sind doch Mondpreise.“
       
       ## „Mieter sind keine Zitronen“
       
       Hinter dem Bündnis gegen Mietenwahnsinn folgen Gruppen gegen
       Immobilienkonzerne, Mieter*innen landeseigener Wohnungskonzerne und das
       Bündnis gegen Obdachlosigkeit. Weiter hinten laufen ein queerfeministischer
       Block, Klimaschützer*innen und ein kleiner anarchistischer Block.
       Schilder und Redebeiträge fordern den Senat auf, endlich den
       Mietenvolksentscheid umzusetzen. Andere tragen Transparente und Schilder
       mit Forderungen wie „Mieter sind keine Zitronen“, „Indexmiete ist Schiete“,
       „Hilfe! Ich habe Vonovia“ und „Wir bleiben alle“. Eine kommunistische
       Gruppe skandiert: „Was macht Investoren Dampf?“ Die Antwort: „Klassenkampf,
       Klassenkampf!“
       
       Am Hafenplatz, wo eine Zwischenkundgebung stattfindet, sind 700 Wohn- und
       Gewerbeeinheiten vom Abriss bedroht, es sollen Hotels, Ladenpassagen und
       Luxuswohnungen entstehen. „Günstiger Wohnraum interessiert sogenannte
       Investoren überhaupt nicht“, sagt ein Sprecher. „Seit Jahren versuchen sie,
       uns zu verdrängen, aber wir haben gesagt: Schluss damit. Wir lassen uns
       nicht weiter verarschen.“ Die SPD kritisiert er für die „verfehlte
       Wohnungspolitik auf Bundes- und Landesebene“ und bei der
       Abschlusskundgebung am Platz der Luftbrücke übt er Kritik an den Plänen des
       Senats zur Bebauung des Tempelhofer Feldes.
       
       Die Demo fand kurz vor dem „Tag der Immobilienwirtschaft“ statt, das
       jährliche Treffen des größten Immobilien-Lobbyverbands ZIA ist am 11. Juni.
       „Das ist die Fabrik, in der der Mietenwahnsinn produziert wird“, so Meyer.
       „Mit Lobbyveranstaltungen wie dem Tag der Immobilienwirtschaft soll die
       Politik auf ihre Vorstellungen der Stadt als Ware eingeschworen werden“,
       sagt ein Sprecher und fordert: „Wir wollen eine Stadt, in der alle Menschen
       ohne Angst vor explodierenden Mieten, vor Verdrängung und Zwangsräumungen
       leben können.“
       
       Angesichts dieser Perspektiven fordert Meyer zum Abschluss: „Wir müssen uns
       organisieren und die Investoren vergraulen. “ Und sie appelliert an die
       Demonstranten: „Organisiert euch im Haus, wehrt euch gegen Mieterhöhungen,
       prüft eure Betriebskostenabrechnungen und geht gemeinsam auf die Straße.“
       
       2 Jun 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Darius Ossami
       
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