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       # taz.de -- Personennahverkehr in Berlin: Er kann der Himmel und die Hölle sein
       
       > Der Berliner ÖPNV ist Fluch und Segen. Es gibt schon Grund, ihn zu
       > lieben. Aber er sollte die Gelassenheit der Kund*innen nicht
       > überstrapazieren.
       
   IMG Bild: Richtung Himmel oder Hölle? Hauptsache, der Bus fährt
       
       Berlin taz | Ich bin Fußgängerin – natürlich habe ich ein Abo für den ÖPNV!
       Wie schön ist es, ganz ohne eigenen Rad- oder Autofahrstress am Wochenende
       die Stadt Berlin und ihr Umland zu erkunden, indem man einfach einen Bus
       bis zur Endhaltestelle oder eine S-Bahn nimmt, die bis nach Brandenburg
       fährt, und dann den bisher weißen Fleck auf der individuellen Landkarte
       entspannt zu Fuß erkundet. (Vorher aber immer schön gucken, wann der Bus
       oder die S-Bahn wieder zurückfährt! Könnte ja stimmen, die Angabe …) Man
       darf dabei stets auf Überraschungen gespannt sein – wenn mir persönlich
       auch noch nie jemand begegnet ist, [1][der in der U-Bahn Zwiebeln
       schneidet], wie das in einem alten Video der Berliner Verkehrsbetriebe
       (BVG) zu sehen ist, die gern mit dem Slogan „Weil wir dich lieben“ für sich
       werben.
       
       Man muss eigentlich sogar stets auf Überraschungen gefasst sein: Der
       Berliner ÖPNV ist Fluch und Segen, ist Hölle und Himmel, ist stets Grund
       zum Klagen und häufig Retter in der Not. Seine Busfahrer:innen sind
       Held:innen der Gelassenheit; ich frage mich oft, was die BVG ihnen dafür
       in den Kaffee tut – das will ich auch! (Reizen darf man sie aber dennoch
       nicht zu sehr – dann können sie explodieren wie wahre
       Gewittergött:innen und alle Fahrgäste in Salzsäulen verwandeln.)
       
       Die BVG ist witzig, und das ebenso divers wie ihre Fahrgäste: vom
       klassischen Berliner Humor (Ich zum Busfahrer, vor meiner Abo-Zeit: „Kann
       ich bei Ihnen auch ein Tagesticket kaufen?“ Der Busfahrer: „Wennse jenuch
       Jeld ham, könnse ooch den janzen Bus koofen!“) bis zur zielgruppengerechten
       Ansprache auf [2][Instagram] und [3][Youtube].
       
       Und sie ist kreativ bei der Lösung von Stau- und Überfüllungsproblemen:
       analog etwa [4][als Erfinderin der legendären Busraupe], wenn erst kein Bus
       kommt und dann plötzlich gleich drei auf einmal; digital durch listiges
       Zeitmanagement. Denn BVG-Minuten dauern auf den Anzeigetafeln einfach immer
       so lange, wie der Bus oder die Bahn eben braucht: ein Trick, dem ich
       neulich erstmals begegnete und dessen Gelingen auf der ebenfalls legendären
       Freundlichkeit vieler Berliner:innen fußt.
       
       Die Sperrung einer Hauptstraße führte zu heftiger Verspätung der dortigen
       Buslinie. Die BVG-Tafel an der Haltestelle zeigte an: Der nächste Bus kommt
       in 9 Minuten, danach drei weitere im Minutenabstand. Das führte dazu, dass
       viele nicht in den überfüllten Bus stiegen, der nach 9 Minuten kam, sondern
       jenen den Vortritt ließen, die schon länger dort standen. Sobald der Bus
       jedoch abfuhr, sprang auch die Digitalanzeige um und verkündete nun wieder:
       nächster Bus in 14 Minuten, dann drei weitere im Minutenabstand. Liebe
       BVGler:innen: Ja, wir lieben euch ja auch, aber bitte überstrapaziert
       unsere Gelassenheit nicht!
       
       Der BVG-Insta-Account forderte mich kürzlich auf, an einer Umfrage
       teilzunehmen, es ging dabei um die [5][Sauberkeit meiner U-Bahn-Linie], der
       – ja, genau – legendären U8. Ob mir aufgefallen sei, wie viel besser dort
       seit einiger Zeit für Sicherheit und Sauberkeit gesorgt werde, wurde ich
       gefragt. (War es nicht, aber ich bin ehrlich: Jetzt, wo ich es weiß, sehe
       ich es plötzlich auch.) Und dann noch: Was mir das denn wert wäre, wenn das
       immer so sein würde – wie viel ich dafür mehr bezahlen würde?
       
       Da bin ich dann doch ein bisschen sauer geworden. Leute! Wo führt uns das
       denn hin?! Werden Eltern demnächst gefragt, was sie dafür zahlen würden,
       wenn ihre Kinder nicht nur in die Schule gehen dürfen, sondern ihnen dort
       auch etwas beigebracht wird? Haha, das gibt’s schon und heißt Privatschule,
       sagt eine Freundin. O weh!
       
       Dann heißt das im Mobilitätsbereich ja wohl Auto. Oder vielleicht bald:
       „BVG-Premium-Abo mit Zugang zum gewischten und bewachten Wartebereich –
       weil wir manche von euch mehr lieben.“
       
       18 Jun 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.youtube.com/watch?v=YEYim54pJ00
   DIR [2] https://www.instagram.com/bvg_weilwirdichlieben/
   DIR [3] https://www.youtube.com/c/weilwirdichlieben
   DIR [4] /Buslinie-M29/!5396258
   DIR [5] /Sicherheit-in-der-U-Bahnlinie-8/!6010565
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Alke Wierth
       
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