URI: 
       # taz.de -- Brandmauer im EU-Parlament: Zu liberal gegenüber den Rechten
       
       > Europas Liberale streiten wegen fehlender Brandmauern der
       > niederländischen Regierung. Die FDP versucht, die Aufregung
       > herunterzukochen.
       
   IMG Bild: „Non!“ zum Kuschelkurs mit Geert Wilders: Renew-Fraktionschefin Valérie Hayer
       
       Berlin taz | Bei Europas Liberalen ist ein Streit über den Umgang mit
       Rechtsextremen entbrannt. Die Renew-Fraktion im EU-Parlament will am Tag
       nach den EU-Wahlen über den Ausschluss der niederländischen VVD aus dem
       Bündnis abstimmen. Es sei „nicht hinnehmbar“, dass die Partei des
       scheidenden Regierungschefs Mark Rutte in Den Haag eine Koalition mit der
       rechtsextremen PVV von Geert Wilders eingehe, [1][sagte die
       Renew-Fraktionsvorsitzende Valérie Hayer dem französischen Sender BFM.] 
       
       „Wir haben die Brandmauer gegen Rechtsextremismus immer respektiert, und
       ich werde nach der Wahl Sorge dafür tragen, dass dieser Wert weiterhin
       respektiert wird“, erklärte die EU-Abgeordnete von Emmanuel Macrons
       Renaissance-Partei Mitte Mai.
       
       Doch ihre Kolleginnen und Kollegen in Brüssel und Berlin sehen im liberalen
       Kuschelkurs mit den niederländischen Rechten kein prinzipielles Problem.
       „Die niederländischen und die deutschen Liberalen sind eng miteinander
       verbunden und freuen sich auf die zukünftige gemeinsame Zusammenarbeit im
       EU-Parlament“, erklärte FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann
       gegenüber der taz. „Ich werde die nationale Lage in den Niederlanden nicht
       von außen kommentieren, zumal wir diesen Prozess nicht begleitet haben.“
       
       Strack-Zimmermann ist Spitzenkandidatin der ALDE-Partei (Allianz der
       Liberalen und Demokraten für Europa), die gemeinsam mit der European
       Democratic Party (EDP) und der Renaissance von Macron die Renew-Fraktion im
       europäischen Parlament bildet.
       
       ## Viel Verständnis
       
       Die ALDE zeigt sich verständnisvoll, was den Rechtskurs der
       niederländischen VVD angeht: „Eine ALDE-Mitgliedspartei sollte nicht von
       Vorneherein nach den Ansichten eines politischen Partners beurteilt werden,
       sondern nach ihren Handlungen“, sagte der Kampagnenberater der Partei, Luis
       Cano, der taz.
       
       Man sei sich darüber im Klaren, dass „bei der Umsetzung liberaler Politik“
       mitunter mit anderen Parteien gearbeitet werde, „die sich leicht oder sogar
       dramatisch von den politischen Ansichten“ der ALDE unterschieden, so Cano.
       
       Bereits im Mai vergangenen Jahres hatte ein ALDE-Kongress in Stockholm die
       Parteiführung zu einer glaubhaften Abgrenzung von Europas Rechten gedrängt.
       Anlass dafür war, dass Tschechiens ehemaliger Regierungschef Andrej Babiš,
       der mit seiner Partei ANO auch innerhalb der ALDE organisiert ist, als
       Panel-Redner [2][beim rechtsextremen CPAC-Kongress in Budapest teilnahm.]
       
       Die ALDE schreibt in ihrer Resolution, dass solcherlei Auftritte zu einem
       [3][„Glaubwürdigkeitsverlust für Liberale, insbesondere vor den anstehenden
       europäischen Parlamentswahlen“] führen könnten. In dem Statement heißt es
       weiter, dass „die Zusammenarbeit mit Rechtspopulisten im Widerspruch zu den
       liberalen und pro-europäischen Werten“ stehe.
       
       ## Neues Gewicht
       
       Der Koalitionsvertrag der rechts-liberalen VVD mit der Partei von Wilders
       in den Niederlanden verleiht der Resolution von ALDE nun neues Gewicht.
       Denn in Den Haag einigten sich die Koalitionäre Mitte Mai darauf, [4][„die
       strengsten Asylregelungen und das umfassendste Paket zur Steuerung von
       Migration“] der Landesgeschichte auf den Weg zu bringen. Dazu gehört die
       Beweislastumkehr für Asylsuchende, weniger Geld für ihre Rechtshilfe,
       kürzeren Asylverfahrensdauern und mehr Überwachung von Geflüchteten.
       
       Die Chefin der liberalen Renew-Fraktion Hayer sagte, sie missbillige die
       niederländische Koalitionsvereinbarung. „Ich denke, dass die VVD sich von
       unseren Werten losgesagt hat“, so die französische Politikerin. In
       Deutschland wird diese Analyse von Strack-Zimmermann zumindest nicht
       öffentlich geteilt. Die ALDE-Spitzenkandidatin versuchte gegenüber der taz,
       die niederländischen Kolleg*innen zu vereinnahmen: „Für uns als FDP,
       aber auch für die VVD ist klar: Wir werden auf europäischer Ebene nicht mit
       den rechten Parteien zusammenarbeiten.“
       
       Man werde intern mit der VVD sprechen, so Strack-Zimmerman. Im April hatte
       sie noch [5][in einem Interview mit der Amsterdamer Zeitung NRC gesagt],
       sie sei „überrascht, dass die VVD eine Zusammenarbeit mit Geert Wilders in
       Betracht zieht“. Wie sie auf die Abstimmung bei Renew zum Ausschluss der
       niederländischen Partei blickt, wollte die Politikerin nun nicht
       beantworten.
       
       Auch in anderen EU-Ländern arbeiten liberale Parteien längst gemeinsam mit
       Rechtsextremisten – und sorgen damit für Streit bei Renew. [6][In Stockholm
       etwa regiert die Minderheitsregierung aus Moderaten, Christdemokraten und
       Liberalen nur mit Hilfe der rechtsextremen Schwedendemokraten.] 
       
       ## Stimmung nicht rosig
       
       Pikant: Die oppositionelle schwedische Centerpartie sitzt im EU-Parlament
       mit den regierenden Liberalerna in der gemeinsamen Fraktion Renew Europe.
       [7][Wegen der Offenheit nach rechts forderte die Renew-Abgeordnete Emma
       Wiesner (Centerpartie) deshalb den Rauswurf der Liberalerna aus der
       gemeinsamen Fraktion.] „Wenn wir als Liberale nicht für liberale Werte
       einstehen, wer soll es dann tun“, sagte sie.
       
       Doch nicht nur diese internen Auseinandersetzungen dürften dafür sorgen,
       dass die Stimmung bei den europäischen Liberalen dieser Tage nicht gerade
       rosig ist: Umfragen sehen sie bei den Wahlen zum EU-Parlament herbe
       Verluste einfahren. Demnach könnte es sein, dass Renew Europe am Sonntag
       nur mit 75 ([8][Politico]) bis 82 ([9][Euronews]) Mandaten in die Kammer
       einzieht, die dann insgesamt 720 Sitze umfassen könnte. Aktuell hält die
       Fraktion 100 Mandate im EU-Parlament, das derzeit 705 Sitze hat.
       
       8 Jun 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.bfmtv.com/politique/elections/europeennes/europeennes-hayer-demandera-l-exclusion-des-liberaux-neerlandais-du-groupe-centriste-renew_AV-202405210350.html
   DIR [2] /Partner-der-Konrad-Adenauer-Stiftung/!5933797
   DIR [3] https://assets.nationbuilder.com/aldeparty/pages/6646/attachments/original/1685278396/U05_-_On_protecting_and_affirming_our_liberal_values_in_face_of_far-right_populism.pdf?1685278396
   DIR [4] https://www.kabinetsformatie2023.nl/binaries/kabinetsformatie/documenten/publicaties/2024/05/16/hoofdlijnenakkoord-tussen-de-fracties-van-pvv-vvd-nsc-en-bbb/20240515+Hoofdlijnenakkoord+PVV+VVD+NSC+BBB.pdf
   DIR [5] https://www.pressreader.com/netherlands/nrc-handelsblad/20240412/281651080140856
   DIR [6] /Schwedens-neue-konservative-Regierung/!5888210
   DIR [7] https://www.euractiv.com/section/politics/news/swedish-liberals-could-be-expelled-from-renew-over-far-right-cooperation/
   DIR [8] https://www.politico.eu/europe-poll-of-polls/european-parliament-election/
   DIR [9] https://polls.euronews.com/?view=forecast&menu=latest&loaded-analyses=3&loaded-polls=3&loaded-news=4
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Cem-Odos Güler
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Europawahl
   DIR Liberale
   DIR FDP
   DIR Geert Wilders
   DIR Rechtsextremismus
   DIR GNS
   DIR Europäische Union
   DIR Schwerpunkt Europawahl
   DIR Schwerpunkt Europawahl
   DIR Schwerpunkt Europawahl
   DIR Wahlen NIederlande
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Liberale im EU-Parlament: Statt Erneuerung Verlierertruppe
       
       Die Liberale Fraktion Renew Europe büßt mehr als 20 Prozent ihrer Sitze
       ein. Die Verluste sind besonders in Frankreich groß.
       
   DIR Europawahl 2024: Europa-Sterne mit braunen Flecken
       
       In Deutschland wird die AfD zweitstärkste Partei. In Frankreich, Italien,
       Österreich und Spanien sind Rechtsextreme die Gewinner. Nur Skandinavien
       rückt nach links.
       
   DIR Griechenlands linker Reeder: Politische Kreuzfahrt mit Wahnsinn
       
       Stefanos Kasselakis hat die einstige Lieblingspartei der europäischen
       Linken gekapert. Der Politneuling betet für Syriza sogar in der Kirche.
       
   DIR Agrarpolitik in der EU: Umwelt? Nicht mehr so wichtig!
       
       Bei der Europawahl entscheidet sich, ob die EU noch weniger Naturschutz von
       den Landwirten verlangen wird. Viele Bauern würden das begrüßen.
       
   DIR Niederländischer Politiker Dick Schoof: Ein Premier wie ausgestanzt
       
       Er war einer der höchsten Beamten der Niederlande, nun soll Dick Schoof
       Premier werden. Böse Fragen zu Wilders? Beantwortet er lieber nicht.