URI: 
       # taz.de -- Debatte nach Mannheim-Angriff: Abschieben nach Afghanistan?
       
       > Nach dem Angriff in Mannheim prüft Innenministerin Faeser die Abschiebung
       > von Straftätern nach Afghanistan. Das Auswärtige Amt hingegen warnt.
       
   IMG Bild: Abschiebungen aus Deutschland ohne eigene Botschaft kaum möglich, Straßenszene in Afghanistan
       
       Berlin taz | Was folgt aus dem [1][Messerangriff von Mannheim]? In der
       Bundespolitik wird nun über Abschiebungen nach [2][Afghanistan] diskutiert.
       In das Land, aus dem der Attentäter [3][Sulaiman A.] kam, der am Freitag
       eine Kundgebung des Anti-Islam-Aktivisten [4][Michael Stürzenberger]
       angriff und sechs Personen verletzte, den Polizisten Rouven L. tödlich
       verletzte.
       
       [5][Schon kurz nach der Tat hatten CDU und AfD gefordert], Abschiebungen
       nach Afghanistan für schwere Straftäter und Gefährder zu ermöglichen. Diese
       hätten hier „einfach nichts zu suchen“, sagte CDU-Generalsekretär Carsten
       Linnemann. Politiker*innen wie der SPD-Innenpolitiker Dirk Wiese oder
       FDP-Fraktionschef Christian Dürr stimmten zu.
       
       Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) tritt schon länger dafür ein.
       Die Frage, ob Abschiebungen für schwere Straftäter und Gefährder nach
       Afghanistan möglich seien, werde seit Monaten geprüft, sagte sie am
       Dienstag in Berlin. Sie wolle hier nun „möglichst schnell“ Klarheit. Die
       Sicherheitsinteressen Deutschlands würden in diesen Fällen „eindeutig“ das
       Bleibeinteresse der Betroffenen überwiegen. Eine Entscheidung müsse aber
       „gerichtsfest“ sein.
       
       Das Auswärtige Amt warnt dagegen, die Sicherheitslage in Afghanistan sei
       „schlecht“. Auch nach der Machtübernahme der Taliban komme es zu
       Anschlägen, Entführungen oder willkürlichen Inhaftierungen. Außenministerin
       Annalena Baerbock (Grüne) erklärte am Dienstag, natürlich habe man ein
       Interesse, dass schwere Straftäter „beschleunigt zurückgeführt“ würden.
       Abschiebungen nach Afghanistan seien aber „alles andere als trivial“, denn
       es gehe um zentrale rechtstaatliche und Sicherheitsfragen. „Wie will man
       mit einem islamistischen Terrorregime zusammenarbeiten, mit dem wir gar
       keine Beziehungen haben?“, fragte Baerbock. „Und wie schließen wir aus,
       dass von dort aus dann nicht der nächste Terroranschlag geplant wird?“
       
       Baerbock verwies auch darauf, dass Deutschland gar keine Botschaft mehr in
       Afghanistan habe, die Rückführungen begleiten könnte. „Nicht zuletzt
       schulden wir es den Opfern, dass die Täter für ihre Strafe im Gefängnis
       büßen und Mörder nicht in Afghanistan auf freien Fuß gesetzt werden.“
       
       ## Innenministerkonferenz drängt schon länger
       
       Auch die [6][Innenministerkonferenz hatte allerdings bereits auf ihrer
       vergangenen Sitzung im Dezember] einen einstimmigen Beschluss gefällt,
       Rückführungen von schweren Straftätern und Gefährdern nach Syrien und
       Afghanistan zu ermöglichen. Das Bundesinnenministerium solle hier Wege
       prüfen, „unter Ausschöpfung sämtlicher rechtlicher und tatsächlicher
       Möglichkeiten“.
       
       Für die nächste Innenministerkonferenz in zwei Wochen liegt ein Antrag von
       Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) vor, Gefährder und schwere
       Straftäter nach Afghanistan und Syrien abzuschieben. Im Falle Afghanistans
       soll eine Vereinbarung mit der pakistanischen Regierung angestrebt werden,
       um eine Rückführung von Pakistan über den Landweg nach Afghanistan zu
       ermöglichen. Im Falle Syriens soll darauf hingewirkt werden, mit Flügen
       nach Damaskus abzuschieben. „Wer hier schwere Straftaten begeht, muss das
       Land verlassen, auch wenn er aus Afghanistan kommt“, erklärte auch Grote.
       „Hier wiegt das Sicherheitsinteresse Deutschlands schwerer als das
       Schutzinteresse des Täters.“
       
       Der Grünen-Europapolitiker Erik Marquardt betonte dagegen, man schiebe
       nicht nach Afghanistan ab, weil man mit der Härte des Rechts bestrafe,
       „nicht mit Grausamkeit, Entwürdigung oder Tod“. Auch Amnesty kritisierte
       die Debatte als „populistisch“: Afghanistan sei nicht sicher, es brauche
       weiter den Abschiebestopp. Der Berliner Flüchtlingsrat erklärte,
       „Straftäter*innen in Kriegsgebiete abzuschieben, ist ein Verstoß gegen
       fundamentale Menschenrechte und bedeutet zudem eine Doppelbestrafung, die
       in unserem System rechtswidrig ist“.
       
       Auch Faeser räumte ein, dass im Fall Sulaiman A. eine Abschiebung nicht
       möglich gewesen wäre. Der 25-Jährige war 2014 als Jugendlicher nach
       Deutschland gekommen. Sein Asylantrag wurde zunächst abgelehnt, er erhielt
       aber wegen der Sicherheitslage in Afghanistan ein Abschiebeverbot und
       später wegen des Sorgerechts für seine zwei Kinder einen befristeten
       Aufenthaltsstatus. Weder Polizei noch Verfassungsschutz fiel er vor der Tat
       von Mannheim auf.
       
       Die Ermittlungen zu dem Messerangriff übernahm inzwischen die
       Bundesanwaltschaft. Es sei von einer „religiös motivierten“ Tat auszugehen,
       sagte eine Sprecherin. Die Übernahme erfolge wegen der „besonderen
       Bedeutung“ des Falls. Auch Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP)
       erklärte, es lägen „klare Hinweise für ein islamistisches Motiv der Tat in
       Mannheim vor“. Die Tat sei Ausdruck eines „tödlichen Fanatismus“, so
       Buschmann. „Der Islam gehört zu Deutschland, der Islamismus nicht.“
       
       Sulaiman A. ist weiter nicht vernehmungsfähig. Er war bei der Tat von einem
       Polizisten niedergeschossen worden. Noch am Freitag hatte die Polizei seine
       Wohnung im hessischen Heppenheim durchsucht, wo er mit seiner Familie
       lebte.
       
       ## Polizeigewerkschaften planen Schweigemarsch
       
       Derweil riefen Polizeigewerkschaften für Freitag zu einem Schweigemarsch in
       Berlin für ihren getöteten Kollegen Rouven L. auf. Bei einer
       Online-Spendensammlung kamen bisher 480.000 Euro für seine Familie und
       „ähnlich gelagerte Fälle“ zusammen.
       
       Mannheims Polizei-Vizepräsidentin Ulrike Schäfer erklärte am Dienstag, der
       sinnlose Tod von Rouven L. habe sie „zutiefst erschüttert und unfassbar
       traurig gemacht“. Auch habe sie „kein Verständnis“, dass es trotz der
       tragischen Ereignisse „Hass und Hetze“ in sozialen Onlinemedien gebe,
       inklusive teils verachtender Kommentare auch über den verstorbenen
       Kollegen. Hier prüfe man entsprechende Ermittlungsverfahren.
       
       4 Jun 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Messerattacke-in-Mannheim/!6014193
   DIR [2] /Schwerpunkt-Afghanistan/!t5008056
   DIR [3] /Attentat-in-Mannheim/!6015243
   DIR [4] /Angegriffener-Michael-Stuerzenberger/!6011619
   DIR [5] /Nach-dem-Messerangriff-in-Mannheim/!6011650
   DIR [6] /Innenministerkonferenz-zur-Nahostdebatte/!5974187
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Konrad Litschko
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Afghanistan
   DIR Gewalt
   DIR Schwerpunkt Islamistischer Terror
   DIR Mannheim
   DIR Abschiebung
   DIR Nancy Faeser
   DIR Annalena Baerbock
   DIR Schwerpunkt Afghanistan
   DIR Mannheim
   DIR IG
   DIR Schwerpunkt AfD
   DIR Mannheim
   DIR Mannheim
   DIR Mannheim
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Abzug aus Afghanistan: BND räumt Fehler ein
       
       Der Präsident des Bundesnachrichtendienstes erklärt im
       Untersuchungsausschuss, die Lage falsch eingeschätzt zu haben. Wie es dazu
       kam, bleibt offen.
       
   DIR Gedenken an getöteten Polizisten: „Blutiger Terrorakt“
       
       Bundespräsident Steinmeier legt Blumen am Tatort in Mannheim ab. Mit
       Hunderten Menschen erinnert er an den getöteten Polizisten Rouven Laur.
       
   DIR Straftäter nach Afghanistan abschieben: Scholz' Aktionismus
       
       Die Regierung tut etwas – so soll es klingen. Doch Scholz’ Ankündigung, den
       Attentäter von Mannheim nach Afghanistan abzuschieben, ist völlig hohl.
       
   DIR Angriff auf AfD-Kommunalpolitiker: Wieder Gewalt in Mannheim
       
       In Mannheim hat ein Mann ein AfD-Mitglied mit einem Messer angegriffen.
       Laut Polizei gibt es Hinweise auf eine psychische Erkrankung.
       
   DIR Abschiebungen nach Afghanistan: Worüber wir sprechen sollten
       
       Nach dem Angriff fordern Politiker*innen mehr Härte gegen
       Migrant*innen. Menschenrechte aber gelten für alle.
       
   DIR Attentat in Mannheim: Karlsruhe ermittelt zu Messerangriff
       
       Nach der Messerattacke von Mannheim übernimmt die Bundesanwaltschaft die
       Ermittlungen. Über Abschiebungen ist eine neue Debatte entbrannt.
       
   DIR Rassismus nach dem Mannheimer Attentat: Ein Afghane war’s!
       
       Nach dem Attentat von Mannheim wird die Gewalt dem „Fremden“ zugeschrieben.
       Dabei sind die meisten Afghan*innen selbst genau davor geflüchtet.