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       # taz.de -- Gericht stärkt Fußgänger: Das Recht, den Gehweg zu benutzen
       
       > Das Bundesverwaltungsgericht gibt Bremer Fußgängern recht, die sich gegen
       > zugeparkte Gehwege wehren. Auch andere Städte könnte das betreffen.
       
   IMG Bild: Was vom Gehweg übrig blieb: Zugeparkte Straße in NRW
       
       Hamburg taz | Anwohner müssen sich in Zukunft nicht mehr damit abfinden,
       dass [1][Bürgersteige so zugeparkt werden, dass für Fußgänger kaum mehr ein
       Durchkommen ist]. Wie das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am Donnerstag
       letztinstanzlich entschieden hat, können sie von ihrer zuständigen
       Straßenverkehrsbehöre verlangen, dass sie gegen das illegale Parken auf
       Gehwegen vorgeht. Damit verbindet sich jedoch nicht unbedingt der Anspruch,
       dass die Behörde als erstes das Gehwegparken vor ihrer Haustür unterbindet.
       
       Mit dem Urteil beschreitet das Bundesverwaltungsgericht wie schon die
       Vorinstanzen neue Wege. Denn die Straßenverkehrsordnung schützt vom
       Grundsatz her nur die Interessen der Allgemeinheit. Jetzt hat aber das
       Gericht das individuelle Recht der Anwohner anerkannt, den Gehweg vor ihrem
       Haus zu benutzen. „Die Anwohner haben Anspruch auf ein Einschreiten“, sagt
       Gerichtssprecher Kolja Naumann. „Das ist eine große Ausnahme im
       öffentlichen Recht.“
       
       Das Parken auf Gehsteigen ist laut Straßenverkehrsordnung verboten, sofern
       es nicht durch Verkehrsschilder oder Markierungen erlaubt ist. Trotzdem
       wird es weithin geduldet. Fünf Bremer aus verschiedenen Stadtteilen wollten
       sich das nicht länger gefallen lassen. Sie forderten die Stadt, auf gegen
       die Falschparker vor ihrer Haustür einzuschreiten. Die Bremer Behörden
       lehnten ab: Schließlich sei ja noch ein Durchkommen. Das wollten sich die
       Anwohner nicht bieten lassen. 2019 [2][klagten] sie. [3][2022 bekamen sie
       zum ersten Mal recht].
       
       Das Bundesverwaltungsgericht folgte nun dem Argument der Klägerseite, dass
       das [4][Gehwegparkverbot in der Straßenverkehrsordnung] nicht nur dazu
       diene, allgemein den Verkehr zu ordnen – es schütze auch diejenigen, die
       den Bürgersteig benutzten. Die konkret betroffenen Anwohner durften mit
       Blick auf den an ihrem Grundstück verlaufenden Gehsteig klagen.
       
       ## Behörden dürfen priorisieren
       
       Anders als das Bremer Verwaltungsgericht in der Vorinstanz [5][räumt das
       Bundesverwaltungsgericht den Behörden aber einen Handlungsspielraum ein].
       Sie müssen nicht direkt gegen das Gehwegparken vor den Grundstücken der
       Kläger vorgehen, sondern können sich zunächst die Orte zuerst vornehmen, wo
       die Lage am brenzligsten ist.
       
       „Da das unerlaubte Gehwegparken nach den Feststellungen des
       Berufungsgerichts in der gesamten Stadt, insbesondere in den
       innerstädtischen Lagen weit verbreitet ist, ist es nicht zu beanstanden,
       wenn die Beklagte zunächst die am stärksten belasteten Quartiere ermittelt,
       Straßen mit besonders geringer Restgehwegbreite priorisiert und ein
       entsprechendes Konzept für ein stadtweites Vorgehen umsetzt“, heißt es der
       Pressemitteilung des Gerichts.
       
       [6][Der Bremer Senat hat nach den ersten Urteilen im vergangenen Jahr
       bereits damit angefangen]. „Das Gericht hat unser bereits begonnenes
       ganzheitliches, konzeptionelles Vorgehen bestätigt“, stellte
       Mobilitätssenatorin Özlem Ünsal (SPD) fest. Der Senat habe zunächst die am
       stärksten belasteten Quartiere ermittelt und sich die besonderes schmalen
       Straßen vorgenommen. Als oberstes Kriterium gab Ünsal 2023 aus, dass die
       Feuerwehr mit ihren schweren Löschfahrzeugen durchkommen müsse.
       
       Der Fahrradclub ADFC mahnte an, dass es dabei nicht bleiben könne, sondern
       auch an die Verkehrssicherheit und Barrierefreiheit gedacht werden müsse.
       Fußgängern und Radfahrern bleibe an vielen Stellen nur das Ausweichen auf
       die Fahrbahn. Das sei gefährlich und koste überdies Zeit. Anlässlich des
       aktuellen Urteils forderte auch Ralph Saxe von der
       Grünen-Bürgerschaftsfrakton ein Konzept, das „deutlich mehr als die
       Herstellung der Rettungssicherheit in den Wohnstraßen der Quartiere“
       enthalte.
       
       ## Kommunen sollen Parkraum aktiv managen
       
       Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) erhofft sich von dem Urteil eine
       [7][Signalwirkung für ganz Deutschland]. Er fordert die Kommunen auf, die
       Straßenverkehrsordnung sofort durchzusetzen. „Es kann nicht sein, dass
       jahrzehntelanges Wegschauen die Autofahrer*innen begünstigt, während
       viele andere Nachteile in Kauf nehmen müssen“, schreibt der Verband.
       Kommunen sollten das Urteil nutzen, um den Parkraum aktiv zu managen, um
       den Parkdruck zu verringern.
       
       Tatsächlich stellt sich ja die Frage, wo die vielen Autos – auch die der
       Anwohner – Platz finden sollen, wenn etwa in engen Straßen nur noch auf
       einer Seite geparkt werden darf. Zugespitzt hatte das die Sprecherin der
       Bremer Innenbehörde nach dem ersten Urteil so formuliert: „Würde man die
       Entscheidung konsequent weiterdenken, würden wohl 50 Prozent der
       Autobesitzer:innen in Bremen keinen Parkplatz mehr finden.“
       
       Mobilitätssenatorin Ünsal prüft nun, ob sich in Stadtteilen mit viel
       Parksuchverkehr Quartiersgaragen einrichten lassen. Auch private und
       halböffentliche Parkplätze, etwa die von Supermärkten, kämen in Frage. Fürs
       Parken müsste dann aber bezahlt werden.
       
       Andere Städte sind schon weiter. Karlsruhe ahndet seit 2019 illegales
       Parken auf dem Gehweg. Die Stadt hat ein [8][Konzept für faires Parken
       entwickelt]. Demnach darf auf dem Gehweg geparkt werden, sofern das
       entsprechend ausgewiesen ist. Voraussetzung ist, dass auf dem Bürgersteig
       1,60 Meter Platz bleibt. Das sei das „absolute Minimum“. Auf der Fahrbahn
       müssten 3,10 Meter für Rettungsfahrzeuge frei bleiben.
       
       7 Jun 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Bremens-SPD-und-Gruene-im-Streit/!5917462
   DIR [2] /Klage-gegen-aufgesetztes-Parken/!5810929
   DIR [3] /Klage-gegen-aufgesetztes-Parken/!5810929
   DIR [4] https://www.gesetze-im-internet.de/stvo_2013/__12.html
   DIR [5] https://www.bverwg.de/pm/2024/28
   DIR [6] /Bremen-will-Rettungswege-frei-machen/!5968423
   DIR [7] https://www.vcd.org/service/presse/pressemitteilungen/gehwegparken-bverwg-raeumt-betroffenen-anspruch-auf-handeln-der-kommune-ein-vcd-fordert-parkende-autos-runter-vom-buergersteig
   DIR [8] https://www.karlsruhe.de/mobilitaet-stadtbild/mobilitaet/motorisierter-verkehr/gehwegparken
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gernot Knödler
       
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