URI: 
       # taz.de -- Proteste gegen Steuererhöhungen in Kenia: Kenia legt Ostafrika lahm
       
       > Nach Protesten zieht Kenias Präsident das Haushaltsgesetz zurück und
       > stellt das Internet ab. Als Kollateralschaden geht Ostafrika vom Netz.
       
   IMG Bild: Demonstrant*innen schützen sich vor den Wasserwerfern der Polizei in Nairobi. Die schoss auch mit scharfer Munition
       
       Kampala taz | „Wir entschuldigen uns für den limitierten Service“, heißt es
       in der SMS, die bei zahlreichen Handynutzern in den Ländern Ostafrikas am
       Dienstagnachmittag aufpoppte. Von da an ging fast nichts mehr:
       Internetseiten luden nur noch langsam, manche gar nicht. Onlinebezahlung
       via mobilen Geldtransfer war nicht mehr möglich, Geldautomaten spuckten
       keine Scheine mehr aus, die Zahlung mit Visakarte im Supermarkt wurde
       abgelehnt. Fast ganz Ostafrika war offline.
       
       Grund war der Versuch von Kenias staatlicher Kommunikationsbehörde CA, das
       Internet kurzzeitig auszuschalten. [1][Massenproteste] gegen
       Steuererhöhungen, die dieser Tage in Kenias Parlament debattiert wurden,
       waren am Dienstag zu [2][Straßenschlachten] im Zentrum der Hauptstadt
       Nairobi eskaliert.
       
       Am Nachmittag, als das Parlament dem umstrittenen Haushaltsentwurf
       zugestimmt hatte, stürmten aufgebrachte Demonstranten das
       Parlamentsgebäude. Es wurden Brände gelegt, es kam zu Plünderungen. Darauf
       reagierte die Polizei, unterstützt vom Militär, mit scharfer Munition.
       Fotos zeigten Leichen und Blutlachen auf den Straßen. Den
       Sicherheitskräften gelang es bis zum Abend, die Kontrolle
       wiederherzustellen – aber um einen hohen Preis.
       
       Kenias Menschenrechtskommission KNHRC zählte am Mittwoch landesweit 22
       Tote, 19 davon in Nairobi. Über 300 Menschen seien verletzt worden. Zuvor
       hatte der kenianische Ärzteverband von 13 Toten gesprochen und betont, das
       sei „noch nicht die endgültige Zahl“.
       
       ## Soldaten zum Parlament
       
       Kenias Präsident William Ruto bezeichnete in einer Fernsehansprache am
       Dienstagabend die Demonstranten als „organisierte Kriminelle“, die „eine
       ansonsten legitime Ausübung der Grundrechte durch gesetzestreue Bürger
       infiltriert“ hätten.
       
       Es sei „weder in Ordnung noch denkbar, dass Kriminelle, die sich als
       friedliche Protestierende ausgeben, Terror gegen das Volk, seine gewählten
       Vertreter und die durch unsere Verfassung geschaffenen Institutionen
       ausüben und erwarten, ungeschoren davonzukommen“.
       
       Kenias Verteidigungsminster hatte bereits am Nachmittag Soldaten zum
       Parlament entsandt, um der [3][Polizei] unter die Arme zu greifen. Nur
       wenige Minuten nach der Stürmung des Gebäudes fiel dann das Internet in
       ganz Ostafrika aus.
       
       Noch am Montag hatte Kenias Kommunikationsbehörde versichert, es gebe
       „zweifellos absolut keine Absicht, das Internet abzuschalten“. Doch dann
       geschah es trotzdem. „Auf dem Höhepunkt des Protests ordnete die
       kenianische Regierung an, dass die Mobilfunkbetreiber ihre Netze abschalten
       sollten“, erklärte Kyle Spencer gegenüber der taz. Der Vorsitzende und
       Geschäftsführer der African IXP Association, die Afrikas
       Internetinfrastruktur verbessern will, hat den Vorfall untersucht.
       
       ## Kommunikationsbehörde lässt Stromkreise abschalten
       
       Demnach ordnete die Kommunikationsbehörde auch an, die Stromkreise der
       Netzbetreiber an der Landestation abzuschalten, wo das Glasfaserkabel an
       der Küste des Indischen Ozean ins Meer führt. „Das hatte einen
       Schmetterlingseffekt zur Folge und große Auswirkungen im Landesinneren
       Ostafrikas“, so Spencer.
       
       Denn an dieser Landestation in Kenias Hafenstadt Mombasa werden auch die
       Verbindungen nach Uganda, Ruanda, Burundi, Südsudan und dem Osten der
       Demokratischen Republik Kongo eingespeist. Von dieser Station aus ist
       Ostafrika mit dem weltweiten Internet vernetzt.
       
       Wird also dort der Strom ausgeschaltet, ist ganz Ostafrika offline. Ein
       zweites Kabel verläuft zwar parallel via Tansania, erklärt Spencer: „Doch
       dieses zu nutzen ist teuer, weil Tansanias Regierung darauf ein Monopol hat
       und hohe Gebühren verlangt.“
       
       Für Ostafrikas Wirtschaft hat dies kostspielige Folgen. Die Onlineplattform
       NetBlocks, die den Onlinezugang weltweit überwacht, kalkuliert, dass eine
       einzige Offline-Stunde Kenias Wirtschaft umgerechnet fast 13 Millionen Euro
       kostet. Immerhin, so Spencer: „Wir sehen mittlerweile, dass das Internet
       jetzt wieder normal funktioniert – doch wer weiß, wie lange.“
       
       Wie es weitergeht, ist offen. Am Mittwoch kündigte Präsident Ruto an, das
       vom Parlament verabschiedete umstrittene Haushaltsgesetz nun doch nicht zu
       unterzeichnen: „Das Volk hat gesprochen“, erklärte er zur Begründung. Zuvor
       hatten die Demonstranten unter dem Hashtag #tutanethursday („Wir sehen uns
       am Donnerstag)“ weitere Proteste angekündigt.
       
       26 Jun 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Massenproteste-in-Kenia/!6019071
   DIR [2] /Jugendproteste-in-Kenia/!6018741
   DIR [3] /Internationale-Polizeimission-fuer-Haiti/!6019911
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Simone Schlindwein
       
       ## TAGS
       
   DIR Ostafrika
   DIR Kenia
   DIR Massenproteste
   DIR GNS
   DIR Internet
   DIR Kenia
   DIR Kenia
   DIR Kenia
   DIR Kenia
   DIR Kenia
   DIR Kenia
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Experte über Internet in Kongo: „Es hätte einen Blackout bedeutet“
       
       Bisher war das Zentrum Afrikas fast ohne Internet. Experte Kyle Spencer
       erklärt, wie ein Kabel durch Kongo das ändern soll.
       
   DIR Versagen der Ermittlungsbehörden Kenias: Serienmord befeuert Stimmung
       
       Gerade erst hat das Militär in Kenia Massenproteste niedergeschlagen. Nun
       erschüttert ein Serienmord an Dutzenden Frauen das Land.
       
   DIR Nach Protesten in Kenia: Präsident Ruto löst Kabinett auf
       
       Seit Wochen protestieren viele junge Menschen in Kenia gegen die Regierung.
       Nun reagiert Präsident Ruto und entlässt einen Großteil seines Kabinetts.
       
   DIR Nach den Unruhen in Kenia: Die Jugend traut Ruto nicht
       
       Kenias Protestbewegung macht weiter mobil, obwohl der Präsident das
       umstrittene Haushaltsgesetz zurückgezogen hat. Neue Unruhen werden
       befürchtet.
       
   DIR Proteste in Kenia: Scharfe Munition gegen Proteste
       
       Die anhaltenden Demonstrationen gegen geplante Steuererhöhungen in Nairobi
       eskalieren am Dienstag. Mindestens fünf Protestierende werden getötet.
       
   DIR Massenproteste in Kenia: Generation Z kämpft um ihre Zukunft
       
       In Kenia kämpft eine neue Jugendbewegung gegen Korruption. Sie verzichtet
       auf sichtbare Führer. Bei Straßenschlachten gibt es Tote.
       
   DIR Jugendproteste in Kenia: „Generation Z“ gegen hohe Steuern
       
       Straßenschlachten in Nairobi begleiten Beratungen über den Staatshaushalt
       im Parlament. Weitere Proteste sind für kommende Woche angekündigt.