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       # taz.de -- Bündnis Sahra Wagenknecht: Bewährungsprobe bestanden
       
       > Das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ feiert bei der Europawahl seinen ersten
       > Etappensieg. Im Osten landet es sogar auf dem dritten Platz.
       
   IMG Bild: Stippvisite bei der Siegesfeier: Wagenknecht vor ihren jubelnden Anhängern
       
       Zum Höhepunkt des Wahlabends tritt [1][Sahra Wagenknecht] auf die Bühne –
       die Chefin, Namensgeberin und der Star ihrer neuen, eigenen Partei. Den
       ganzen Tag habe sie „Magendrücken“ gehabt, gibt sie sich persönlich. Würden
       ihre europaskeptischen Anhänger überhaupt zur Wahl gehen? Würden sie ihre
       Partei auf dem langen Wahlzettel finden? Doch das Ergebnis der Europawahl
       bestätigt sie: „Das ist so ein Wahnsinn“, sagt Wagenknecht. Die „erste
       Bewährungsprobe“ habe ihr Bündnis damit bestanden, sagt sie, und verspricht
       einmal mehr: „Wir werden die Politik in Deutschland verändern“.
       
       Das ist ihr bereits ein Stück weit gelungen. Mit ihrem politischen
       Start-up-Unternehmen hat sie bei der Europawahl aus dem Stand heraus sechs
       Prozent gewonnen, und das ein knappes halbes Jahr nach der Parteigründung –
       das ist ein historischer Erfolg. Mit der FDP und der Linkspartei hat das
       „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) gleich zwei etablierte Parteien hinter
       sich gelassen, und in den ostdeutschen Bundesländern liegt es mit rund 13
       Prozent sogar auf dem dritten Platz hinter AfD und Union, vor SPD und den
       Grünen. Das ist eine hervorragende Ausgangssituation für die Landtagswahlen
       im Herbst. Dabei ist das BSW erst noch dabei, dort [2][Strukturen
       aufzubauen] und [3][Personal zu rekrutieren].
       
       Im gut gefüllten Kosmos-Kino im Osten Berlins, wo das „Bündnis Sahra
       Wagenknecht“ Ende Januar seinen Gründungsparteitag begangen hatte, feierten
       dessen Mitglieder und Unterstützer am Sonntagabend erst einmal ihren ersten
       Etappensieg. Parteichefin Sahra Wagenknecht betritt erst kurz vor ihrer
       Rede den Saal, an der Seite ihres Mannes Oskar Lafontaine und von Kameras
       umringt, und verschwindet danach bald wieder.
       
       ## Jubel über Grünen-Absturz
       
       Ihre Fans waren auch so schon in Stimmung: Als das schlechte Ergebnis der
       Grünen in der TV-Übertragung eingeblendet wurde, brandete Jubel auf.
       Ebenso, als der Kommentator die leichten Einbußen der AfD auf das BSW
       zurückführt. Das schlechte Abschneiden der Linken wird mit verhaltenem Hohn
       quittiert, das eigene Ergebnis euphorisch bejubelt. „Wir haben heute Abend
       Parteiengeschichte geschrieben“, tönt BSW-Generalsekretär Christian Leye
       anschließend stolz. Nur [4][Fabio De Masi, der BSW-Spitzenkandidat für die
       Europawahl], mahnt: Es gelte, weiter hart zu arbeiten und auf dem Teppich
       zu bleiben.
       
       Im Saal steht Shervin Haghsheno, Bauingenieur und
       Wirtschaftswissenschaftler aus Karlsruhe und seit Januar einer von
       Wagenknechts Parteivizen. Auch er sieht das Ergebnis als „Riesenerfolg“ und
       als „Beweis dafür, dass es eine Repräsentationslücke gibt“, wie er sagt.
       Selbst [5][bei jungen Wählerinnen und Wählern] hat das BSW gepunktet.
       Hauptsächlich sei es wohl „die Friedensfrage“ gewesen, die in den letzten
       Wochen wieder „große Bedeutung“ bekommen habe. „Das ist bei vielen ein sehr
       emotionales Thema“, sagt der 48-jährige. Er meint die Entscheidung, der
       Ukraine zu erlauben, westliche Waffen auch gegen Ziele in Russland
       einzusetzen.
       
       Das BSW hatte deshalb im Wahlkampf unverhohlen vor einem Atomkrieg gewarnt.
       Mit 20 Kundgebungen in großen Städten hatte Sahra Wagenknecht bundesweit
       für ihre Partei getrommelt, dabei stand sie selbst gar nicht auf dem
       Wahlzettel. Aber auch über Social Media habe man viele Leute erreicht, sagt
       Haghsheno, auch wenn man da noch nicht so viele Ressourcen habe wie andere
       Parteien. „Wir bauen da gerade ein Team auf“.
       
       ## Sechs Mandate für Brüssel
       
       Mit sechs Mandaten wird das BSW nun ins Europaparlament einziehen. Ein
       Mandat davon hat Ruth Firmenich ergattert, als einzige Frau, sie stand auf
       Listenplatz 4. Die 60-Jährige hat schon einmal in Brüssel gearbeitet: fünf
       Jahre lang war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin von Sahra Wagenknecht,
       als diese noch für die Linke im Europaparlament saß, bis 2009 war das.
       Anschließend wechselte sie als Büroleiterin ihrer Chefin in den Bundestag
       nach Berlin.
       
       Nach 15 Jahren an Wagenknechts Seite zieht Firmenich nun wieder nach
       Brüssel, diesmal als Abgeordnete. Wer kümmert sich jetzt um Sahra
       Wagenknecht? Ruth Firmenich lacht auf diese Frage. „Das wird eine
       Herausforderung“, sagt sie, aber: „Wir sind da in Gesprächen“. Im
       Europaparlament will die gebürtige Kölnerin Firmenich „für eine andere
       Friedenspolitik und andere zentrale Punkte, für die wir Wahlkampf gemacht
       haben“, eintreten. Ihre Umzugskisten werde sie „ab sofort“ packen.
       
       Mit ihr werden die beiden Spitzenkandidaten Fabio de Masi und Thomas
       Geisel, ehemaliger SPD-Oberbürgermeister aus Düsseldorf, sowie der
       Ex-Diplomat Michael von der Schulenburg, der Zwickauer Neurochirurg
       Jan-Peter Warnke sowie der Arzt Friedrich Pürner ihre Koffer packen: Pürner
       wurde während der Pandemie als Kritiker der Corona-Maßnahmen bekannt und
       verlor seinen Job als Leiter eines Gesundheitsamts in Bayern. Es ist eine
       bunte Truppe.
       
       ## Der Kandidat der Herzen
       
       Für Michael Lüders hat es nicht gereicht. Der 65-jährige Publizist, Autor
       und Nahost-Experte war beim BSW-Parteitag im Januar der Kandidat der Herzen
       gewesen, bei der Abstimmung für den erweiterten Parteivorstand und für die
       Liste zur Europawahl erzielte er jeweils die besten Ergebnisse. Aber er war
       nur auf Platz neun gesetzt. Er sieht „die soziale Frage“ und den „Wunsch
       nach mehr Pragmatismus“ als Gründe für den Erfolg seiner Partei, aber auch
       die Kriege in Gaza und in der Ukraine. „Ich glaube, dass die Unruhe in der
       Bevölkerung zunimmt, mit Blick auf die Eskalation im Osten“, sagt Lüders.
       „Was passiert, wenn deutsche Waffen immer weiter in Russland eingesetzt
       werden?“
       
       Zum Abschluss der Wahlparty stellen sich alle 20 Europa-Kandidaten des BSW
       auf der Bühne noch einmal zum Gruppenbild auf, einige bekommen einen
       Blumenstrauß überreicht. Christian Leye orchestriert das Ensemble für den
       Fotografen. Als er von der Bühne tritt, hat er einen der Blumensträuße in
       der Hand. „Ich werfe den jetzt in den Saal“, witzelt er. „Wer ihn auffängt,
       der gründet die nächste Partei.“
       
       10 Jun 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Daniel Bax
       
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