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       # taz.de -- Parlamentswahlen in Belgien: Rechts mit weniger Extremen
       
       > Bei den belgischen Wahlen schneidet der rechtsextreme Vlaams Belang
       > schlechter ab als erwartet. Gemäßigte Nationalisten erstarken.
       
   IMG Bild: Belgiens Wahlsieger Bart De Wever von der gemäßigt-nationalistischen Nieuw-Vlaamse Alliantie (N-VA)
       
       Amsterdam taz | Mit einer großen Überraschung endeten am Sonntag die
       belgischen Parlamentswahlen: Entgegen ihres deutlichen Vorsprungs in allen
       Umfragen wurde der rechtsextreme Vlaams Belang (VB) nicht stärkste Partei.
       Bei 97 Prozent ausgezählten Stimmen kommen die radikalen flämischen
       Nationalist*innen auf 20 Sitze. Damit bleiben sie hinter der
       konservativen, ebenfalls flämisch-nationalistischen Nieuw-Vlaamse Alliantie
       (N-VA) (24) zurück.
       
       Dennoch konnte sich VB im Vergleich zu 2019 um zwei Sitze verbessern. Alle
       anderen flämischen Parteien folgten mit deutlichem Abstand. Wahlen zum
       föderalen Parlament in Brüssel erfolgen getrennt nach Sprachlisten.
       
       Bei den frankophonen Parteien lag – auch dies überraschend – der liberale
       Mouvement Réformateur (MR, 19 Sitze) dank deutlicher Gewinne vor dem
       üblicherweise dominierenden Parti Socialiste (PS, 16) und der neuen
       humanistischen Partei Les Engagés (15), die gleich zehn Sitze hinzugewann.
       
       Kleinere Gewinne gab es auch für die flämischen Sozialdemokrat*innen
       von Vooruit (12 Sitze) sówie die marxistische PVDA-PTB (14 Sitze), die als
       einzige Partei auf beiden Seiten der Sprachgrenze aktiv ist. Abgestraft
       wurden die flämischen Liberalen Open VLD des bisherigen Premierministers
       Alexander De Croo, die nur noch sieben Sitze behalten, sowie die
       frankophonen Ecolo (vier Sitze).
       
       ## Sozialdemokratischer Süden trendet nach rechts
       
       Zusammenfassend lässt sich sagen, dass im nördlichen Landesteil Flandern
       die traditionelle Vormachtstellung der Rechten bestätigt wurde, sich die
       Kräfteverhältnisse allerdings entgegen den langfristigen Umfragen wieder
       zugunsten der gemäßigteren N-VA verschoben. Beide streben eigentlich ein
       unabhängiges Flandern an, wobei die N-VA inzwischen ein konföderales Modell
       weitgehend autonomer Regionen anstrebt. Dieses Thema dürfte mit dem
       Wahlsieg wieder zurück auf die Tagesordnung kommen.
       
       Im französischsprachigen, stark sozialdemokratisch und gewerkschaftlich
       geprägten Süden hingegen ist ein deutlicher Trend zu Mitte-rechts-Parteien
       sichtbar, wobei die extreme oder populistische Rechte dort elektoral keine
       Rolle spielt.
       
       Auffällig ist, dass die Linkspartei PVDA-PTB zwar alles in allem ihr
       Rekordergebnis erzielte, auf den frankophonen Listen allerdings nicht
       nennenswert von der Schwäche des PS profitieren konnte. Mit den Verlusten
       der grünen Parteien beiderseits der Sprachgrenze liegt Belgien im
       europäischen Trend.
       
       Die Ergebnisse der parallel ausgetragenen Wahlen in den Regionen –
       Wallonien, Flandern sowie das zweisprachige Brüssel – bestätigen diese
       Entwicklung. In Wallonien liegt der liberale MR deutlich vor dem
       sozialdemokratischen PS.
       
       In Flandern haben N-VA und VB einen derartigen Vorsprung vor dem Rest des
       Spektrums, dass sie auf die Hälfte der Parlamentssitze kommen. VB-Chef Tom
       Van Grieken forderte seinen N-VA- Counterpart Bart De Wever auf, die
       „historische Chance“ auf eine nationalistische Regionalregierung zu nutzen.
       Ganz anders stellt sich die Lage in der Hauptstadtregion Brüssel dar, wo
       die niederländischsprachigen Grünen deutlich vorne liegen.
       
       Entsprechend dem belgischen Prozedere wird der N-VA-Vorsitzende De Wever ab
       Montag seine Kolleg*innen zu Gesprächen einladen, um mögliche
       Koalitionsmodelle zu eruieren.
       
       10 Jun 2024
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tobias Müller
       
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