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       # taz.de -- Neue TV-Serie über britische Königin: Königin Chaos
       
       > „My Lady Jane“ ist auf den ersten Blick nur eine weitere Königshaus-Serie
       > – auf den Zweiten eine gelungene Girlpower-Komödie.
       
   IMG Bild: Protagonistinnen in „My Lady Jane“
       
       So massiv war in den zurückliegenden Jahren die Flut historischer
       Geschichten auf dem Bildschirm, dass man eigentlich das Gefühl hatte,
       sämtliche Personen, die je auf [1][dem britischen Thron] saßen, seien als
       Serienstoff mittlerweile abgearbeitet. Teilweise sogar mehrfach.
       
       Doch siehe da: Die britische Produktion „My Lady Jane“, neu zu sehen bei
       [2][Prime Video], wurde doch noch fündig auf der Suche nach einer
       unverbrauchten Protagonistin und widmet sich Jane Grey, auch bekannt als
       Neuntagekönigin.
       
       Man erinnert sich an die kurz nach ihrer schnellen Absetzung geköpften Frau
       mit der kürzesten Regentschaft der englischen Geschichte heute vor allem
       als „ultimative Jungfrau in Nöten“, heißt es in den ersten Minuten [3][der
       Serie] aus dem Off. Nur um hinterherzuschieben: „F*ck that! Was wenn die
       Geschichte anders wäre?!“
       
       Dass es in diesen acht von Gemma Burgess erdachten Episoden nicht um eine
       realistische Darstellung des 16. Jahrhunderts geht, ist von Beginn an
       etabliert. In der ersten Szene versucht Jane (Emily Bader) mit ihrem
       Interesse für die Heilkraft von Wildkräutern, die Geschlechtskrankheit
       einer ihrer Mägde zu heilen. Reichlich Geplauder über Vaginen und Penisse
       inklusive, weder ladylike noch historisch korrekt.
       
       ## Auch unverschämt sexy
       
       Jane – intellektuelle Rebellin und Nervensäge – ist eine Cousine des
       kranken Königs Edward VI. (Jordan Peters) und auf dem Heiratsmarkt eine
       gute Partie. Ihrer Mutter (Anna Chancellor) kommt das entgegen, ist die
       Familie nach dem Tod des Patriarchen doch mittellos, sodass eine Ehe mit
       einem Spross aus dem bei Hofe einflussreichen Hause Dudley die Rettung sein
       könnte.
       
       Dass Jane auf ein solches Arrangement keine Lust hat, versteht sich von
       selbst. Der fesche junge Mann (Edward Bluemel), der eines Abends in einem
       Pub ihre Aufmerksamkeit erregt und nicht nur ausgesprochen dreist, sondern
       auch unverschämt sexy ist, interessiert sie umso mehr.
       
       Da traditionelle Geschichtsbücher keine Spoiler parat halten und die als
       Vorlage dienende Romanreihe von Brodi Ashton, Cynthia Hand und Jodi Meadows
       hierzulande wenig bekannt ist, möchte man all die Überraschungen, mit der
       die Handlung aufwartet, nicht verraten.
       
       ## David Bowies und Soft Cell
       
       Klar ist von Beginn an, in welche Richtung es geht. Trotz des
       revisionistischen „Was wäre, wenn“-Blicks auf historische Fakten, einer
       guten Portion Diversität in der Besetzung zumindest der Nebenrollen und dem
       Einsatz offensichtlicher Popsongs wie David Bowies „Rebel Rebel“ oder
       „Tainted Love“ von Soft Cell ist die Serie kein „Bridgerton“-Abklatsch.
       Statt schwülstiger Seifenoper will man, ähnlich wie schon „Dickinson“ oder
       „Renegade Nell“, eine feministisch angehauchte Girlpower-Komödie im
       historischen Gewand sein.
       
       Nebenbei ist „My Lady Jane“ auch noch ein Fantasyabenteuer, in dem sich ein
       Großteil der Figuren als Gestaltenwandler*innen entpuppt, die
       aufgrund ihrer animalischen Seite gesellschaftliche Außenseiter*innen
       sind und aus dem Untergrund heraus die Obrigkeit bekämpfen.
       
       Eine gewisse Identitätskrise darf man der Serie in dieser wilden Mischung
       durchaus attestieren. Oder zumindest mangelnden Fokus – und ein fehlendes
       Vertrauen in die eigenen Stärken.
       
       Obwohl „My Lady Jane“ nie so böse und sexy wie „Mary & George“ oder so
       smart und komisch wie „The Great“ ist, und auch wenn der hip-freche Humor
       manchmal bemüht wirkt, bietet die Serie schwungvolle Unterhaltung.
       
       Wer Spaß daran hat, wenn Kostümfilmklischees und RomCom-Konventionen durch
       den Kakao gezogen werden und nebenbei Millenial-Sprech aufs Korn genommen
       wird, kommt hier – auch dank der sympathischen Hauptdarstellerin sowie
       wunderbaren Auftritten von Anna Chancellor oder Rob Brydon als Lord Dudley
       aller Plumpheit an anderen Stellen zum Trotz – auf seine Kosten.
       
       30 Jun 2024
       
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   DIR Patrick Heidmann
       
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