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       # taz.de -- Nach den EU-Wahlen: Bündnisse am rechten Rand
       
       > Die extrem rechten Parteien gewinnen im EU-Parlament an Sitzen. Ihre
       > Zusammenarbeit könnte aber an Differenzen scheitern.
       
   IMG Bild: Ein großes Danke an die extrem rechten Wähler: Giorgia Meloni feiert die Wahlergebnisse
       
       Berlin taz | „Die Union ist das Bollwerk gegen die AfD“, erklärte der
       Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP) im EU-Parlament, Manfred
       Weber (CSU), am Sonntagabend vor laufenden Kameras. Schönreden und
       Wunschdenken gehört zum Geschäft Webers, dem es trotzdem nicht so recht
       gelingen wollte, den Rechtsruck in der EU zu verharmlosen.
       
       In seiner Werbetour für die Wiederwahl Ursula von der Leyens zur
       Kommissionspräsidentin umschiffte er die Frage, ob die EVP mit der
       postfaschistischen Fratelli d’Italia von [1][Giorgia Meloni] kooperieren
       werde. Die Frage ist berechtigt, nachdem sich von der Leyen und Meloni
       einträchtig auf Maßnahmen zur Migrationsbekämpfung geeinigt hatten. Lieber
       wiederholte Weber gebetsmühlenartig, man werde mit keinen Parteien
       zusammenarbeiten, die gegen eine Unterstützung der Ukraine sind oder die EU
       ablehnen.
       
       Ob sich die extrem rechten Parteien, die im zukünftigen EU-Parlament
       vertreten sein werden, einer der beiden bestehenden rechten Fraktionen
       anschließen, eine neue Fraktion bilden oder als Unabhängige agieren, ist
       schwer vorauszusagen. Die zwei bisherigen extrem rechten Parteienbündnisse
       Europäische Konservative und Reformer (EKR) und Identität und Demokratie
       (ID) hätten im zukünftigen EU-Parlament 73 beziehungsweise 58 Sitze.
       
       Obwohl extrem rechte Parteien mit zusammen etwa 200 Sitzen nicht über die
       für eine Mehrheit notwendigen 361 Abgeordnetenmandate verfügen, stellt sich
       die Frage, ob sich etwa die aus der EVP entfernte ungarische [2][Fidesz] in
       eine der beiden rechten Fraktionen einreiht oder unabhängig agiert.
       Ungeklärt ist auch, ob die AfD wieder in die ID aufgenommen wird, nachdem
       Marine Le Pen die Trennung von ihren deutschen Gesinnungsgenossen
       durchgesetzt hatte. Der AfD-Abgeordnete René Aust verkündete am Sonntag die
       Wiederaufnahme der Kontakte zu Le Pen, während die AfD-Kovorsitzende Alice
       Weidel erklärte, sie werde der ID-Fraktion „nicht hinterherlaufen“.
       
       ## Spekulationen über Zusammenschluss
       
       Nicht ganz unberechtigt sind auch Spekulationen, dass es zu einem
       Zusammenschluss von ID und EKR kommen könnte. Spannungen zwischen den
       einzelnen ultrarechten Parteien haben allerdings bisher die Zusammenarbeit
       erschwert. Die in den letzten Jahrzehnten wiederholt von Ultrakonservativen
       geforderte Bildung einer sogenannten Rechten Internationale ist dabei nicht
       an den Grundzügen der Ideologie gescheitert, sondern an
       auseinanderdriftenden nationalen Interessen. Für die rechtsradikale Allianz
       für die Vereinigung der Rumänen (AUR) ist etwa eine Zusammenarbeit mit der
       ungarischen Fidesz unvorstellbar.
       
       Die AUR kündigte an, der EKR beitreten zu wollen, in der auch die polnische
       PiS, die Fratelli d’Italia, die spanische VOX, die Wahren Finnen, die
       Schwedendemokraten oder die Neue flämische Allianz aus Belgien vertreten
       sind. Ebenso gut würde die AUR-Partei aber auch in die ID passen, der die
       italienische Lega, die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ), [3][die
       holländische Partei für die Freiheit von Geert Wilders], die Partei von Le
       Pen Rassemblement Nationale oder der belgische Vlaams Belang angehören.
       
       Der drohende Erfolg rechtsnationalistischer, autoritärer,
       fremdenfeindlicher und europakritischer Parteien setzt die etablierten
       demokratischen Parteien schon länger unter Druck. Die Folge davon ist eine
       Art Nachahmungszwang, der sich unter anderem in scharfen Maßnahmen zum
       Schutz der „Festung Europas“ äußert. Nationalistischer Populismus ist
       allerdings nicht nur ein prägendes Element der rechten Parteien.
       
       Ein genauer Blick auf Parteien wie die rumänische sozialdemokratische
       Partei (PSD) beispielsweise oder das slowakische Pendant (SMER) des
       Premiers [4][Robert Fico] zeigt, wie tief sich der Nationalismus in die
       Strukturen dieser Gruppierungen eingefressen hat. Die rumänische
       Sozialdemokratie, die für die EU-Wahlen eine Allianz mit den
       Nationalliberalen (PNL) – die übrigens in der EVP-Fraktion sitzen –
       eingegangen ist, machte Wahlwerbung mit dem Slogan: „Wähle rumänisch!“.
       Also nicht europäisch.
       
       10 Jun 2024
       
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