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       # taz.de -- Kultusministerkonferenz: Gegen Höckes Machtgelüste
       
       > Was, wenn die AfD in einem Bundesland regiert? Die
       > Kultusministerkonferenz will sich vorbereiten. Aber vorerst bleibt es
       > beim Einstimmigkeitsprinzip.
       
   IMG Bild: Die saarländische Ministerin Christine Streichert-Clivot (SPD) ist 2024 Präsidentin der Kultusministerkonferenz
       
       Es könnte eine Warnung für heute sein: Anfang 1930, drei Jahre vor der
       Machtübernahme der Nazis, wurde erstmals auf Landesebene eine Regierung
       unter Einschluss der NSDAP gebildet – in Thüringen. Der spätere
       Reichsinnenminister Wilhelm Frick bekam die Ressorts Inneres und
       Volksbildung. Adolf Hitler wurde damals mit dem Satz zitiert, dass jedes
       Volk nach Prinzipien erzogen werden müsse, „das deutsche aber ist
       prinzipienlos geworden“.
       
       2023 sprach der thüringische AfD-Politiker und ehemalige hessische
       Geschichtslehrer Björn Höcke offen darüber, dass es „gesunde Schulen“ in
       „gesunden Gesellschaften“ brauche. Er warf der [1][Kultusministerkonferenz]
       vor, dass sie versuche, „die Länderbildungspolitiken gleichzuschalten“.
       
       Nun, drei Monate vor den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und
       Brandenburg, suchte die altehrwürdige KMK auf einer Tagung an diesem
       Donnerstag im saarländischen Völklingen nach einer Antwort auf die
       Machtgelüste von Höcke und seiner rechtsextremen Gesinnungsgenossen: Am
       Nachmittag wurde der [2][Tagesordnungspunkt Strukturreformen] behandelt.
       Und eine Zäsur stand an: Das bisherige Einstimmigkeitsprinzip zu allen
       wichtigen Fragen – etwa zur „notwendigen Einheitlichkeit und Mobilität im
       Bildungswesen“ stand zur Disposition.
       
       Seit Monaten wird angesichts drohender AfD-Wahlerfolge gerungen um den
       richtigen Weg, um eine mögliche Blockade der Bildungspolitik durch die AfD
       zu verhindern. Die Resultate der Europawahl lassen das Szenario einer
       direkten oder indirekten AfD-Regierungsbeteiligung in einem oder mehreren
       Ländern, gar eines AfD-Ministerpräsidenten Höcke, als nochmals bedrohlicher
       erscheinen.
       
       ## Ende der Einstimmigkeit
       
       Der Bildungspolitik-Experte Jan-Martin Wiarda berichtete zu Wochenbeginn
       [3][in seinem Blog] ausführlich über die zur Diskussion stehenden Pläne.
       Demnach soll der Austritt eines Landes aus der KMK nicht mehr die Auflösung
       des Gremiums zur Folge haben. Und wichtige Entscheidungen könnten demnach
       auch mit bis zu drei Gegenstimmen getroffen werden. Wiarda schrieb: „Die 13
       Ja-Länder würden sich dann verpflichten, den gefassten Beschluss
       umzusetzen, die drei übrigen könnten, müssten aber nicht.“
       
       Wiarda habe „die richtigen Vorlagen“, hieß es dazu aus Kreisen der KMK.
       Kurz vor der Sitzung in Völklingen wiederum wurde betont, es gebe noch
       „viel Gesprächs- und Änderungsbedarf“, auch die Fassung beim Wiarda-Blog
       sei „schon wieder veraltet“. Dennoch gilt als weitgehend sicher, dass das
       Einstimmigkeitsprinzip Geschichte ist. Bloß wie eine „Lex AfD“ soll es
       nicht aussehen.
       
       Letztlich aber wurde die Entscheidung über neue Abstimmungsregeln nach
       ausgiebiger Diskussion noch einmal vertagt. Die eingesetzte
       Strukturkommission soll nun bis 15. August „Vorschläge zur Ausgestaltung
       etwaiger Mehrheitsentscheidungen“ machen.
       
       Die Koordinatorin der A-Länder, also der SPD-geführten Bundesländer, die
       Mainzer Bildungsministerin Stefanie Hubig, hatte vor der Konferenz
       Offenheit signalisiert. Sie sagte der taz, in einer „zukunftsorientierten
       KMK“ müsse es ein System geben, bei dem sich einzelne Länder wenigstens
       vorübergehend ausklinken könnten, „damit die anderen ohne Blockade weiter
       vorangehen können“. Ministerin Karin Prien (CDU) aus Kiel als Koordinatorin
       der B-Länder wollte sich vor Beginn der Beratungen nicht äußern. Aber auch
       sie gilt als Befürworterin einer Strukturreform.
       
       Leicht fällt dem Gremium das Projekt nicht, wie Thüringens Bildungsminister
       Helmut Holter (Linke) erläutert. Er sagte der taz: „Die Preisgabe der
       Einstimmigkeit würde einen wichtigen Grundsatz schleifen: die Gemeinsamkeit
       der Bundesländer im Förderalismus. Die Einstimmigkeit steht auch für ein
       besonders hohes Maß an Verbindlichkeit, zum Beispiel im Hinblick auf ein
       vergleichbares Abitur.“
       
       Update: 18.22 Uhr, 13.06.2024
       
       13 Jun 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /KMK-muss-sich-neu-aufstellen/!5986225
   DIR [2] https://blog.campact.de/2024/04/die-kmk-und-ihre-hausaufgaben-im-fach-demokratie/
   DIR [3] https://www.jmwiarda.de/2024/06/10/jetzt-oder-nie/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Matthias Meisner
       
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