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       # taz.de -- Südafrikas Präsident im Amt bestätigt: Jetzt Hoffnung auf Veränderung
       
       > Mit den Stimmen der DA-Opposition schafft ANC-Präsident Ramaphosa die
       > Wiederwahl. Die Erwartungen in seine zweite Amtszeit sind groß.
       
   IMG Bild: Für seine Verhältnisse freut sich Cyril Ramaphosa ausgelassen: In Südafrikas Parlament nach seiner Wiederwahl
       
       Kapstadt taz | Nun steht fest, worüber in den vergangenen zwei Wochen
       spekuliert wurde: Südafrikas neuer alter Präsident heißt Cyril Ramaphosa.
       Der 71-jährige Amtsinhaber ging am Freitagabend als Sieger aus der
       Abstimmung über den Posten des Staatschefs in der ersten Sitzung des neuen
       Parlaments hervor – obwohl er seine Partei, den [1][African National
       Congress (ANC)], in eine historische Wahlniederlage geführt hat.
       
       Mit lediglich 40 Prozent konnte Südafrikas Befreiungspartei nach den
       [2][Wahlen am 29. Mai] zum ersten Mal seit 1994 nicht mehr die absolute
       Mehrheit auf sich vereinen. Während anderswo ein Rücktritt wohl
       unumgänglich gewesen wäre, setzt der ANC auf Kontinuität.
       
       Seinen Posten als Präsident konnte Ramaphosa jedoch nur mit den Stimmen
       seiner eigentlichen Rivalen halten. Am Vorabend der ersten
       Parlamentssitzung gaben der ANC und Südafrikas größte Oppositionspartei
       [3][Democratic Alliance (DA)] bekannt, künftig für das Wohl des Landes
       zusammenarbeiten zu wollen – ein Koalitionsdeal auf den allerletzten
       Drücker.
       
       Am Ende waren es die Unterstützung des ehemaligen Erzrivalen DA und einiger
       kleiner Parteien wie der [4][Inkatha Freedom Party (IFP)], die Ramaphosa
       mit 283 von 339 Stimmen im 400-köpfigen Parlament erneut in das
       Präsidentenamt hoben. Seine Vereidigung zur zweiten Amtszeit ist für
       Mittwoch in der Verwaltungshauptstadt Pretoria vorgesehen. Wann er ein
       Kabinett vorstellt und welche Posten der ANC abgibt, ist noch offen.
       
       ## Erste Amtszeit Stillstand – und nun?
       
       Bei seinem ersten Amtsantritt 2018 wurde Ramaphosa noch als „Aufräumer“
       gefeiert. Doch die „Ramaphoria“, die Euphorie, mit der der 71-jährige
       Jurist und Geschäftsmann einst bejubelt wurde, ist längst Ernüchterung
       gewichen. [5][Ramaphosa hatte das Amt vorzeitig von Jacob Zuma übernommen],
       der aufgrund massiver Korruptionsskandale abgesetzt worden war. Der Wechsel
       zum Valentinstag 2018 erfolgte nach turbulenten Jahren, in denen Zuma
       systematisch die Staatskassen leergeräumt hatte.
       
       Der Geschäftsmann Ramaphosa galt als geeignet, um das zerstörte Vertrauen
       der Südafrikaner in ihre politische Führung wiederherzustellen und die
       Wirtschaft auf Vordermann zu bringen. Heute aber wird der Name eher mit
       Stillstand assoziiert.
       
       Mit der nun vorgesehenen „Regierung der Nationalen Einheit“ (GNU) wächst in
       Südafrika jedoch die Hoffnung, dass Ramaphosas zweite Amtszeit tatsächlich
       Veränderung bringen könnte. „Wir sind aufgeregt“, meint die Südafrikanerin
       Elise Kritzinger. „Es ist das erste Mal, dass die DA an der Regierung
       beteiligt ist. Ich komme aus einem Vorort von Johannesburg, aber habe
       Familie in Kapstadt. Man kann einen Unterschied zwischen den Provinzen
       sehen. Was in der Westkap-Provinz schon an der Tagesordnung ist, wünsche
       ich mir auch für meine Heimat.“
       
       Während die vom ANC regierte Provinz Gauteng um Johannesburg mit
       Basisdienstleistungen wie einer geregelten Müllabfuhr kämpft, weist das von
       der DA regierte Kapstadt eine gute Regierungsbilanz und einen deutlich
       geringeren Korruptionsindex auf. Die Westkap-Provinz gilt als
       Musterbeispiel in Südafrika und Blaupause für das, was sich viele auch für
       den Rest des Landes wünschen.
       
       Es ist nicht das erste Mal, dass Südafrika von einer „Regierung der
       Nationalen Einheit“ gelenkt wird. Bereits 1994 war dies der Fall, doch die
       Ausgangslage heute ist eine andere. Nachdem der ANC 1994 klar gewonnen
       hatte, lud Nelson Mandela die Wahlverlierer unter Südafrikas letztem Weißen
       Präsidenten Frederik Willem de Klerk ein, dennoch mitzuregieren – ein
       Schritt im Sinne der Versöhnungspolitik Mandelas, obwohl der ANC hätte
       alleine regieren können.
       
       ## ANC regiert jetzt deutlich geschwächt
       
       Die heutige GNU geht der ANC jedoch in deutlich schwächerer Position ein,
       mit Querschläger Zuma an der Seitenlinie. Dessen neu gegründete Partei
       [6][uMkhonto we Sizwe (MK)] konnte im ersten Anlauf 15 Prozent auf sich
       vereinen. Und seine 58 Abgeordneten boykottierten die Parlamentssitzung.
       Der 82-jährige Ex-Präsident war gegen seine ehemalige Partei, den ANC, ins
       Rennen gegangen, ein Novum in der südafrikanischen Politik.
       
       Die populistische MK war es auch, die dem ANC viele seiner Wähler
       abspenstig machte. Zuma sei der „nicht zu tötende Zombie“, titelte die
       südafrikanische Tageszeitung [7][Daily Maverick] über dessen
       Wiederauftauchen auf der politischen Bühne nach unzähligen Skandalen.
       
       Die Parteiprogramme der DA und des ANC sind von wenig Gemeinsamkeiten
       geprägt. Und doch haben beide Parteien in den vergangenen 48 Stunden
       historische Gräben überwunden. Es ist eine Wahl, die viele „erste Male“
       produziert hat: Ein ANC, der keine absolute Mehrheit erreicht hat; die
       Notwendigkeit einer Koalition; ein Ex-Präsident, der gegen seine eigene
       Partei in den Wahlkampf zieht; Erzrivalen, die sich an einen Tisch setzen,
       um für das Wohl ihres Landes Entscheidungen zu treffen.
       
       Die Zukunft Südafrikas hängt nun von der Fähigkeit seiner Führung ab, diese
       ungewöhnliche Lage zu nutzen, um dringend benötigte Reformen
       voranzutreiben.
       
       16 Jun 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.anc1912.org.za
   DIR [2] /Suedafrika-braucht-Koalition/!6011614
   DIR [3] https://www.da.org.za/
   DIR [4] https://www.ifp.org.za/
   DIR [5] /Ramaphosa-vs-Zuma/!6011613
   DIR [6] https://mkparty.org.za/
   DIR [7] https://www.dailymaverick.co.za
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Helena Kreiensiek
       
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