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       # taz.de -- Konsumforschung: Warum mehr nicht immer mehr ist
       
       > Weniger konsumieren oder emmittieren, fällt uns Menschen schwer. Die
       > Verhaltensforschung zeigt, das hat System. Kommen wir trotzdem dagegen
       > an?
       
   IMG Bild: Shoppingmeile in Köln: weniger konsumieren oder emmittieren, fällt uns Menschen schwer
       
       Menschen verstehen sich seit jeher als exzellente ProblemlöserInnen. Sind
       unsere Arme zu schwach, um einen Ast zu brechen, erfinden wir kurzerhand
       die Säge. Ist der Arm zu kurz, verlängern wir die Säge. Für jedes Problem
       versuchen wir eine neue Lösung zu erfinden.
       
       Dieses Vorgehen spiegelt sich auch im Umgang mit den sozialen und
       ökologischen Problemen unserer Zeit wider. Schenkt man den
       TechnikprophetInnen Glauben, werden Innovationen den Klimawandel stoppen.
       Dadurch würde – so die liberalen PolitikerInnen – [1][auch der ökonomische
       Kuchen größer].
       
       Statt im Verzicht soll die Lösung für viele Fragen im Mehr liegen. Mehr
       Technologie, mehr Wachstum, mehr Ressourcen. Inwieweit hat diese Tendenz
       System? Liegen diesem Verhalten fehlerhafte Denkmuster – sogenannte
       „Biases“ – zugrunde? Diese Fragen stellt sich die Verhaltensforschung.
       
       ## Die Studie
       
       Bereits [2][2021 legte eine Studie im Magazin Nature nahe], dass Menschen
       dazu neigen, Probleme durch das Hinzufügen statt das Entfernen von
       Bestehendem zu lösen. Selbst wenn es mit Mehraufwand und Kosten verbunden
       ist. Die Forschenden demonstrierten dies anhand eines Turms aus
       Legosteinen, den Teilnehmende des Versuchs stabilisieren sollten.
       
       Dafür konnten sie Steine hinzufügen oder entfernen. Für jeden hinzugefügten
       Stein mussten sie bezahlen. Steine zu entfernen beeinflusste die Belohnung
       nicht. Trotzdem entschied sich die Mehrheit dafür, Steine hinzuzufügen. Das
       Fazit: Ist ein Problem durch zu viel verursacht, ist mehr die Antwort.
       
       Inwieweit dieses Verhalten eine unveränderliche Neigung ist, stellt eine
       [3][Studie aus dem Januar von Forschenden der schwedischen Universität]
       Uppsala infrage. Nachdem die AutorInnen in der ersten Studie bereits über
       die Einflüsse von Kultur und Industrialisierung spekuliert hatten, konnten
       die Forschenden aus Uppsala bei gleichem Versuchsaufbau alters- und
       kulturspezifische Unterschiede feststellen.
       
       Bei Kindern und US-AmerikanerInnen war der Additionsbias stärker ausgeprägt
       als bei Erwachsenen und SchwedInnen. Für die WissenschaftlerInnen folgt:
       Die Neigung, Probleme durch Hinzufügen zu lösen, ist wandelbar und abhängig
       von kultur- und ökonomiebedingten Mustern.
       
       ## Was bringt’s?
       
       Die Studie zeigt, nicht alles ist verloren. Dass es für den Klimawandel,
       den Verlust von Biodiversität und für soziale Ungleichheit keine rein
       technischen Lösung gibt, ist vielen von uns klar. Für diejenigen, bei denen
       diese Erkenntnis noch nicht gefruchtet hat, sind diese Studien eine
       Einladung, ihr Denken zu reflektieren.
       
       Oft übersehen wir die offensichtlichsten Lösungen. Statt bedrohte
       Tierarten in Zoos aufwendig nachzuzüchten, sollten wir ihren natürlichen
       Lebensraum erhalten. Anstatt [4][Emissionen aus der Luft zu saugen], müssen
       wir sie verhindern, wo sie entstehen.
       
       30 Jun 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Studie-ueber-Wachstum-und-Emissionen/!5957828
   DIR [2] https://www.nature.com/articles/s41586-021-03380-y
   DIR [3] https://www.nature.com/articles/s41598-024-51549-y
   DIR [4] /Klimaschaedliche-Gase/!5907542
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Marius Werz
       
       ## TAGS
       
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