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       # taz.de -- Alternative für Deutschland: Parteitag und Protest
       
       > Die AfD wählt ihren Bundesvorstand neu, es dürfte stürmisch werden. Dafür
       > sorgt der Streit im völkischen Flügel, aber auch die Gegendemo.
       
   IMG Bild: Klares Statement gegen die Afd: Protest vor der Grugahalle in Essen im Juni 2024
       
       Bevor die 600 AfD-Delegierten am Samstagmorgen in der Essener Grugahalle
       auf dem AfD-Parteitag den Bundesvorstand samt Parteispitze neu wählen,
       müssen sie zunächst einen Realitätscheck durchlaufen: Angekündigt sind
       [1][Zehntausende Demonstrierende], die sich der extrem rechten Partei in
       den Weg stellen wollen, ein breites Bündnis vom CDU-Bürgermeister bis zur
       Antifa.
       
       Vermutlich werden mehr Menschen gegen die AfD protestieren, als diese
       Mitglieder hat. Sie dekonstruieren damit die rechte Lebenslüge, dass diese
       die vermeintlich schweigende Mehrheit präsentieren, und machen klar: Die
       AfD ist die unbeliebteste Partei Deutschlands.
       
       Denn seit Jahresbeginn ist eines gewiss: Nach rechten Schockmomenten kann
       die Zivilgesellschaft Gegenwehr leisten. Nachdem einer breiten
       Öffentlichkeit im Zuge [2][der Correctiv-Recherche] bewusst geworden ist,
       was Regierungsmacht für die AfD bedeuten würde, waren [3][Millionen auf der
       Straße].
       
       Trotzdem wurden AfD-Wähler*innen dadurch nicht wirklich demobilisiert und
       spätestens die Europawahl und die Kommunalwahlen im Osten waren ein
       weiterer Schock: Die politische Landkarte ist zweigeteilt – der Westen ist
       CDU-schwarz, der Osten ist AfD-blau, oder vielmehr -braun. Auch in einigen
       westlichen Städten und Gemeinden ist die AfD jetzt stärkste Kraft – die
       Faschisierung ist kein Ostproblem.
       
       Hier zeigte sich: Ein paar Mal demonstrieren reicht nicht. Für wirksame
       Gegenwehr braucht es langfristige Bündnisse, eine Stärkung der
       demokratischen Kräfte, gerade in Regionen, in denen [4][längst eine rechte
       Hegemonie etabliert ist]. Vor allem in Sachsen, Thüringen und Brandenburg
       wäre dies wichtig. Hier kommt die AfD in Umfragen an eine
       [5][demokratiekritische Schwelle] von einem Drittel der Landtagsmandate,
       also einer Sperrminorität für demokratisch wichtige Prozesse wie die
       Besetzung von Richterposten.
       
       Aber zivilgesellschaftliche Gegenwehr hat durchaus Wirkung. Zu Jahresbeginn
       stand die AfD bundesweit bei fast allen Umfragen bei 20 Prozent,
       mittlerweile sind es 16. Maximilian Krah hatte bei seiner Spitzenkandidatur
       für die EU-Wahl vor einem Jahr siegestrunken 23 Prozent angepeilt – es
       wurden 15,9. Immer noch ein Rekordergebnis, aber es zeigt: Die braune Welle
       lässt sich brechen.
       
       ## Chrupalla auf Schlingerkurs
       
       Dass die AfD auch aufgrund zivilgesellschaftlichen Drucks bei den
       Stichwahlen im Osten hinter den eigenen Erwartungen bleibt, erzeugt Druck
       innerhalb der extrem rechten Partei. Ein komplett verkorkster
       Europa-Wahlkampf mit dem Möchtegern-Trump Maximilian Krah tat sein Übriges.
       Vor den Bundesvorstandswahlen wird das vor allem Parteichef Tino Chrupalla
       angekreidet. Sein Schlingerkurs sorgt für viel interne Kritik: Erst
       unterstützte er Krahs Kandidatur, dann setzte er ihn nach der Wahl vor die
       Tür der AfD-Delegation. Chrupallas angepeilte Wiederwahl als Parteisprecher
       dürfte knapp werden. Die anstehenden Landtagswahlen dürften der Hauptfaktor
       sein, dass er nicht öffentlich demontiert wird.
       
       Nach der EU-Wahl zeigte sich auch eine Zersplitterung innerhalb des früher
       stramm stehenden völkisch-nationalistischen Flügels. Die Völkischen sind
       inzwischen so Mainstream in der AfD, dass sie sich Machtkämpfe
       untereinander leisten können: Mittlerweile gibt es dort neben Team Höcke
       und Team Krah auch ein Team Münzenmaier, ein Netzwerk überwiegend jüngerer
       Karrieristen um den ehemaligen [6][Hooligan Sebastian Münzenmaier]. Das
       steht inhaltlich dem Rest des Flügels in Radikalität in nichts nach, ist
       aber nach außen um professionelleres Auftreten bemüht. So wollen sie beim
       Parteitag dafür sorgen, dass die große Selbstzerfleischung ausbleibt.
       
       ## Antrag für Einerspitze
       
       Dennoch ist die Demontage von Tino Chrupalla längst geplant – wenn auch
       erst nach den Landtagswahlen. So zumindest lässt sich der Plan des
       Münzenmaier-Netzwerks lesen. Sie wollen auf dem Parteitag mit einem breit
       unterstützten Antrag eine Einerspitze plus Generalsekretär ab dem 1. Januar
       2025 installieren.
       
       Designierte Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl ist Alice Weidel. Die
       gilt zwar in Fraktion und Bundesvorstand als stinkfaule Opportunistin, ist
       aber in der Basis überaus beliebt – nicht zuletzt dank ihrer kalkulierten
       rassistischen Wutreden im Bundestag, gepaart mit bürgerlicher
       Perlenkettenfassade. Für die Münzenmaiers ist Weidel somit die perfekte
       Galionsfigur.
       
       In Essen sind die Nachwuchs-Radikalen derzeit die wirksamsten
       Mehrheitsbeschaffer für Chrupalla und Weidel, die erneut als Doppelspitze
       antreten wollen. Gegenkandidaten gibt es nicht. Die Kontinuität soll Ruhe
       hereinbringen. Die Zehntausenden vor der Grugahalle dürften indes dafür
       sorgen, dass es kein ruhiges Wochenende wird für die AfD.
       
       28 Jun 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /AfD-Bundesparteitag-in-Essen/!6020042
   DIR [2] https://correctiv.org/aktuelles/neue-rechte/2024/01/10/geheimplan-remigration-vertreibung-afd-rechtsextreme-november-treffen/
   DIR [3] /Demonstrationen-gegen-rechts/!6010897
   DIR [4] /Zivilgesellschaft-unter-Druck/!6016225
   DIR [5] https://verfassungsblog.de/wp-content/uploads/2024/05/Zwischenbericht-Thuringen-Projekt_Mai2024.pdf
   DIR [6] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/afd-sebastian-muenzenmaier-wegen-hooligan-angriff-verurteilt-a-1173608.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gareth Joswig
       
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