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       # taz.de -- Quartier Heidestraße in der Europacity: Luxus statt Sozialwohnungen
       
       > Im Quartier Heidestraße sollte eigentlich ein Viertel geförderter
       > Wohnraum entstehen. Doch der Investor ignoriert den städtebaulichen
       > Vertrag einfach.
       
   IMG Bild: Ein „lebendiges Bahnhofsviertel“ sollte hier entstehen
       
       Berlin taz | Neu gebaute Wohnungen in zentraler Lage, lichtdurchflutet mit
       bodentiefen Fenstern, Gemeinschaftsräumen für Spiele- oder Cocktailabende
       und einem wunderschönen Innenhof. Was sich nach dem üblichen unbezahlbaren
       Berliner Neubau anhört, sollte auch einkommensschwachen Mieter:innen
       zuteilwerden. Zumindest 215 der 944 Wohnungen in einem von sechs neuen
       Gebäuden im [1][Quartier Heidestraße] nördlich des Hauptbahnhofs wurden als
       Sozialwohnungen geplant. So hatte es das Land Berlin mit dem Bauherrn in
       einem städtebaulichen Vertrag festgehalten.
       
       Doch nach bezahlbaren Mieten kann man in den entsprechenden Inseraten lange
       suchen. Denn die Eigentümer-Gesellschaft QH Living vermietet die vor einem
       Jahr fertiggestellten Wohnungen nicht an Menschen mit geringen Einkommen,
       sondern hat in dem Gebäudeteil, in dem die Sozialwohnungen entstehen
       sollten, mindestens 182 Wohnungen an den Co-Living-Anbieter Habyt
       weitergegeben. Auf der Website des Unternehmens, das sich auf die
       Vermietung komplett eingerichteter, schlüsselfertiger Wohnungen
       spezialisiert hat, finden sich die Angebote wie diese: Einzimmerwohnung, 42
       Quadratmeter für 1.500 Euro monatlich.
       
       In der Sitzung des Abgeordnetenhauses am Donnerstag wollte die Linke
       wissen, wie der Senat auf den vermeintlichen Vertragsbruch reagiere.
       Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD) verwies auf einen Brief,
       den man den Eigentümern geschrieben habe; eine Antwort werde nach einer
       Fristverlängerung für nächste Woche erwartet: „Wir gehen davon aus, dass
       die Wohnungen zu den Bedingungen, die im städtebaulichen Vertrag festgelegt
       sind, vermietet werden“, so der Senator.
       
       Während der Eigentümer eine Anfrage der taz unbeantwortet ließ, hat er
       gegenüber dem Tagesspiegel eingeräumt, dass er nicht vorhabe, die Wohnungen
       mietpreisgebunden anzubieten. Er würde sich „an alle gesetzlichen Vorgaben
       und Auflagen“ halten, behauptete er. Grund dafür: „Fördergelder des Landes
       Berlin sind nicht geflossen, weshalb wir in der Vermietung frei sind.“
       Üblicherweise errichten Private nur Sozialwohnungen, wenn sie sich deren
       auf 30 Jahre begrenzte sozialverträgliche Vermietung subventionieren
       lassen. [2][Die Gelder dafür hat der Senat erst im vergangenen Jahr
       aufgestockt].
       
       ## Eine Vertragsstrafe reicht nicht
       
       Die Senatsverwaltung teilte allerdings mit: „Wenn ein städtebaulicher
       Vertrag verhandelt wird, sind die Bauherren verpflichtet, einen Anteil an
       Sozialwohnungen zu bauen, auch wenn sie keine Förderung in Anspruch
       nehmen.“ Laut Gaebler sei der Vertragspartner „in der Bringschuld“. Daher
       werde bereits geprüft, „welche rechtlichen Schritte die geeigneten sind“ um
       die vertraglichen Pflichten durchzusetzen, sie auch „entsprechend rechtlich
       einklagen“.
       
       Geschlossen wurde der Vertrag mit dem Investor 2016 nach dem Berliner
       Modell der kooperativen Baulandentwicklung, nachdem ein Anteil von 25
       Prozent geförderter Wohnungen nicht unterschritten werden dürfe. Gaebler
       sprach aber auch von einer „besonderen Vertragskonstruktion, die nicht den
       heutigen Standards“ entspreche.
       
       Damit ist unklar, ob das Land sich rechtlich durchsetzen kann und wenn ja
       mit welchen Folgen. Die Grünen-Abgeordnete Katrin Schmidberger fordert im
       Gespräch mit der taz: „Der Senat muss sicherstellen, dass es ein
       Zugriffsrecht auf die Sozialwohnungen gibt.“ Die Möglichkeit einer
       Vertragsstrafe sei nicht ausreichend, diese würden „aus der Portokasse
       beglichen bzw. wiegen den Schaden nicht auf“. Zudem müsse der Senat prüfen,
       ob es bei den insgesamt 8.400 mietpreisgebundenen Wohnungen, die bislang
       nach städtebaulichen Vertragen entstehen sollten, zu ähnlichen Fällen
       gekommen sei. Die Senatsverwaltung teilte dazu mit: „Es sind uns keine
       Fälle bekannt.“
       
       4 Jul 2024
       
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