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       # taz.de -- Science-Fiction-Film „Lola“ auf DVD: Der hohe Preis des Zeitreisens
       
       > Im SciFi-Film „Lola“ entdecken zwei britische Schwestern, wie Fernsehen
       > die Zukunft verändern kann. Nicht alle Folgen sind dabei erwünscht.
       
   IMG Bild: Thomasina (Emma Appleton) und Martha Hanbury (Stefanie Martini) schalten per Fernseher in die Zukunft
       
       Zwei Schwestern in Sussex haben eine tolle Erfindung gemacht, einen
       Fernseher, der nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich entfernte Signale
       empfängt. Die Schwestern, Martha (Stefani Martini) und Thomasina (Emma
       Appleton), haben das Gerät, das massiv im Wohnzimmer steht, Lola genannt.
       Sie leben in einem Haus auf dem Land, das den verstorbenen Eltern gehörte,
       sie sind jung, sie genießen die Freiheit, es ist das Jahr 1941, und was sie
       bei den ersten Übertragungen zu sehen und vor allem zu hören bekommen,
       finden sie toll.
       
       Als erster rauscht [1][David Bowie] aus der Zukunft herbei, Martha wird
       eine Wand im Haus mit vom Fernseher abfotografierten Bildern von ihm – und
       [2][Bob Dylan] und anderen – tapezieren. Außerdem ist es ein Leichtes, bei
       Pferdewetten erfolgreich zu sein, wenn man per Lola im Vorhinein die
       Ergebnisse kennt.
       
       Nun sind das leicht verdiente Geld und der Rock und Pop späterer Zeiten gut
       und schön. Aber es ist 1941, Großbritannien also im Krieg, in dem deutsche
       Flugzeuge Angriffe fliegen. Schnell kommen die beiden darauf, den
       Nachrichten aus der Zukunft Informationen über Hitlers nächste Attacken zu
       entnehmen.
       
       Sie verbreiten die so gewonnenen Daten, nutzen dabei, technisch stets
       ingeniös, das Gasleitungssystem als Radiowellenverbreiter und werden als
       die unbekannten Engel von Portobello berühmt. Ungezählte Menschen kommen
       mit dem Leben davon, weil sie über Ort und Zeit der deutschen Angriffe
       vorab informiert sind.
       
       Gerettete britische Leben und das leicht verdiente Geld und der Rock und
       Pop späterer Zeiten und für Martha auch der Sex mit dem britischen Officer,
       der ihnen zuletzt doch auf die Schlichte gekommen ist, sind das eine. Aber
       jede Kennerin der Science-Fiction weiß, dass man bei Zeitreisen nicht
       ungestraft in den Verlauf der Ereignisse eingreift. Wer so massiv wie die
       beiden die Dinge verändert, sorgt etwa dafür, dass manch einer gar nicht
       erst auf die Welt kommt.
       
       ## David Bowie ist weg
       
       Der erste Schreck beim Blick auf das alternativweltliche Jahr 1973: David
       Bowie ist weg und durch einen furchtbaren Typen namens Reginald Watson
       ersetzt. Und das ist weiß Gott erst der Anfang, weil die Dinge immer
       schrecklichere Wendungen nehmen. Der Rock und Pop und die ganze Zukunft
       sind gar nicht mehr gut und gar nicht mehr schön.
       
       Es geht alles sehr schnell. Regie-Debütant Andrew Legge hat eine Menge
       Ideen und Pointen und jede Menge Weltgeschichte in seinen Achtzigminüter
       gepackt. Nicht immer kommt man gleich hinterher. Was auch an der Form
       liegt, denn die ist einigermaßen unkonventionell.
       
       Der Film ist schwarz-weiß, zum Teil mit einer alten 16-mm-Kamera gedreht,
       sehr viel dokumentarisches Found-Footage-Material nahtlos dazwischengemixt,
       voller Ellipsen, schräger Handkamerabilder, ein ziemliches
       Schnipselgewitter, manchmal sieht man lange Sekunden nur Füße und Boden.
       Diese Form ist durch eine weitere clevere Pointe motiviert, aber die verrät
       man besser nicht.
       
       „Lola“ ist ein Experimentalfilm, der sich vom Zeitreise- ins
       Alternativwelten-Genre bewegt. Der ernsten moralischen Fragen begegnet wie
       der, ob man eine große Zahl von Menschen opfern darf, um eine viel größere
       Zahl von ihnen zu retten. Der diese Fragen schon ernst nimmt, aber dann
       kommt immer gleich die nächste Idee. Und das Tragische ist meist von einer
       gewissen Komik nicht frei.
       
       Besonders im hinreißenden Umgang mit Rock und Pop. Ziemlich grandios
       imaginiert der Film eine Fascho-Pop-Zukunft mit Reginald Watson, bei der
       einem das Blut in den Adern gefriert. Dringende Bitte an die Vergangenheit:
       Die Zukunft will Bob Dylan und David Bowie zurück!
       
       20 Jun 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Ekkehard Knörer
       
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