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       # taz.de -- 20 Prozent der Mitarbeitenden entlassen: Erdrutsch beim WWF
       
       > Der Umweltverband entlässt nach Jahren des Wachstums ein Fünftel seiner
       > Belegschaft. Die Organisation ist nicht unumstritten.
       
   IMG Bild: Eine Stunde Dunkelheit: Klimaschutzaktion „Earth Hour“ des WWF in Berlin im März 2024
       
       Berlin taz | Sie sei „geschockt“, erklärte eine Mitarbeiterin, die
       Nachricht sei „unvermittelt“ gekommen: Die Umweltorganisation WWF entlässt
       in Deutschland 20 Prozent seiner Mitarbeiter. Das teilte die
       Geschäftsführung auf einer Mitarbeiterversammlung am Donnerstag mit. Dem
       Vernehmen nach geht es um 80 Stellen, die gestrichen werden sollen.
       
       „Angesichts der zunehmenden Dringlichkeit von Biodiversitäts- und
       Klimakrise ist es unabdingbar, dass der WWF die Wirksamkeit seiner Arbeit
       noch weiter erhöht“, erklärte WWF-Sprecher Roland Gramling. Notwendig sei
       eine „Priorisierung sowohl im regionalen wie thematischen Projektportfolio,
       um mit den zur Verfügung stehenden Mitteln weiterhin effizient und
       verantwortungsvoll arbeiten zu können.“ Die Entlassungen seien auch „eine
       Reaktion auf eine komplexe Situation auf dem Spendenmarkt“, wie Gamling
       formuliert. Die Spendenbereitschaft sei generell rückläufig.
       
       Laut aktuellem Jahresbericht unterstützen den WWF Deutschland rund 350.000
       Förder:innen. Im Geschäftsjahr 2017/18 waren es noch 600.000. Zuletzt lag
       der Jahresetat des WWF bei 124,7 Millionen Euro, womit er zu den größten
       Umweltvereinen Deutschlands zählt. Zum Vergleich: Der BUND kann sich auf
       die Unterstützung von 675.174 Menschen verlassen, sein Etat lag zur
       gleichen Zeit bei 71 Millionen Euro. Die WWF-Geschäftsstelle befindet sich
       in Berlin, es gibt Büros in Hamburg und Frankfurt/Main, dazu kommen diverse
       Projektbüros, etwa in Dessau, Erfurt, Husum, Ratzeburg, Stralsund und
       Weilheim. 490 Mitarbeiter:nnen hatte der WWF Deutschland nach eigenen
       Angaben zuletzt, einige davon im Ausland.
       
       Ein Teil seiner Finanzen besorgt sich der WWF dadurch, dass er mit
       Konzernen zusammenarbeitet. Beispielsweise mit Edeka, was der WWF als
       „Partnerschaft für Nachhaltigkeit“ verkauft: Der Lebensmittelhändler druckt
       gegen Gebühr das WWF-Logo auf seine Produkte, die dadurch den Anschein
       erwecken, dass ihr Kauf zum Umweltschutz beiträgt. Das [1][Spiegel
       beschuldigte den WWF] mit dieser Praxis „eigene Standards zu unterlaufen“
       und gegen „große Spenden und kleine Zugeständnisse die Lizenz zur
       Zerstörung der Natur“ zu erteilen. Selbst [2][Konkurrenten wie Greenpeace
       kritisierten] diese Form, Arbeit für die Natur so zu finanzieren: Der
       WWF-Praxis fehle „es an Transparenz und Ehrlichkeit“.
       
       ## Konsumkritik und Überangebot
       
       Auch mit Konkurrent REWE hatte der WWF zusammengearbeitet. Wer für mehr als
       10 Euro eingekauft hatte, bekam Päckchen mit fünf Stickern dazu: 180
       verschiedene Motive gab es 2011, aufkleben könnte man diese in einem
       Sammelalbum, das 2,50 Euro kostete. Eine Million Sammelalben wurden
       gedruckt, mindestens 180 Millionen Sammelbilder – und zwar in China. Zur
       REWE-Aktion gab es jede Menge Devotionalien: das Tierglas-Set, Stückpreis
       1,99 Euro, WWF-Platzdeckchen im 2er-Set zu 1,99 Euro, der WWF-Panda –
       „total flauschig“ – zum Aktionspreis von 8,99. Etwa eine halbe Million Euro
       hat der WWF damit eingenommen. Gleichzeitig gab er Tipps zum
       klimafreundlichen Konsum. Zum Beispiel: „Achten Sie auf wenig Verpackung,
       kaufen Sie bevorzugt Recycling-Produkte.“
       
       Ob der WWF wegen der Kritik an solchen Praxen sein Fundraising ändern wird,
       darüber konnte Sprecher Roland Gramling keine Auskunft geben. „Zunächst
       laufen die WWF-Aktivitäten geordnet weiter“, sagte er der taz. Allerdings
       erklärt der WWF-Sprecher auch, das strukturelle Problem, dass den WWF
       plagt: „Die über ein Jahrzehnt gültige Wachstumsmaxime des WWF Deutschland
       hat zu einem starken Ausbau der öffentlich geförderten Projektarbeit
       geführt. Das war ein klarer Auftrag der ehemaligen Geschäftsleitung,
       welcher jedoch mit ansteigenden Folgekosten verbunden war.“
       
       Seit November vergangenen Jahres hat der WWF einen neuen Vorstand. Dieser
       habe nach seiner Bestandsaufnahme entschieden, „die Organisation weg von
       einer Wachstumsmaxime hin zu einer langfristigen Entwicklungsperspektive zu
       führen“, so Gramling. Das ziehe auch personelle Konsequenzen nach sich,
       „wenn beispielsweise ein Projekt abgegeben wird oder der WWF Deutschland
       sich aus einzelnen Regionen zurückzieht.“
       
       Ist nun auch bei anderen deutschen Umweltverbänden mit einer Radikalkur zu
       rechnen? Nach dem [3][Spendenmonitor] gaben die Deutschen im vergangenen
       Jahr zwar 6 Prozent weniger Geld als 2022 – 5,8 Milliarden Euro. Der Anteil
       für Umwelt- und Naturschutz blieb aber gleich, bei 17,6 Prozent. Im
       Tierschutz stieg der Prozentsatz sogar leicht, auf 25 Prozent. Nur die
       Kinderhilfe und die Katastrophenhilfe bekommen prozentual ein paar
       Zehntelprozent mehr.
       
       21 Jun 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.spiegel.de/wirtschaft/kumpel-der-konzerne-a-763eef3f-0002-0001-0000-000085913035
   DIR [2] https://www.fr.de/wirtschaft/greenpeace-kritisiert-wwf-siegel-11719035.html
   DIR [3] https://www.dfrv.de/wp-content/uploads/2023/11/Pressecharts-DSM23-gen.pdf
       
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   DIR Nick Reimer
       
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