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       # taz.de -- taz🐾thema: Fairmieter gesucht
       
       > Gemeinwohlorientierte Wohnungsgenossenschaften werben mit einem Siegel
       > für sich
       
   IMG Bild: Die eG macht‘s möglich: Sich angesichts der Miethöhe entspannt zurücklehnen
       
       Von Joachim Göres
       
       Die rund 2.000 Wohnungsgenossenschaften in Deutschland haben einen guten
       Ruf. In ihren 2,2 Millionen Wohnungen leben 5 Millionen Mieter. Sie müssen
       Mitgliedsanteile erwerben, die je nach Größe ihrer Wohnung pro Anteil meist
       zwischen 500 und 3.000 Euro liegen. Darauf wird in der Regel eine jährliche
       Dividende gezahlt. Attraktiv ist das Wohnen in Genossenschaften, weil sie
       üblicherweise am Gemeinwohl und nicht an einer hohen Rendite orientiert
       sind, was zu relativ günstigen Mieten führt. Auch die meist viele
       Jahrzehnte bestehende Erfahrung auf dem Wohnungsmarkt und die Möglichkeit
       zur Mitbestimmung auf den jährlichen Mitgliederversammlungen sind für viele
       Genossen Pluspunkte.
       
       Allerdings warnt der Bundesverband deutscher Wohnungs- und
       Immobilienunternehmen GdW vor einigen wenigen Genossenschaften, die ihren
       Mitgliedern unrealistische Renditen versprechen und über relativ wenige
       Wohnungen verfügen. Insolvenzen sind bei Wohnungsgenossenschaften sehr
       selten. Der GdW rät in diesem Zusammenhang: „Kontrollieren Sie die Satzung
       auf die Regelungen zur Nachschusspflicht. Nur wenn diese explizit
       ausgeschlossen ist, haften Sie auch nur mit dem gezeichneten
       Geschäftsanteil.“ Keinen guten Ruf haben dagegen große Immobilienkonzerne,
       die angesichts steigender Mieten und hoher Renditen zunehmend in der Kritik
       stehen. Sie erhöhen zum Beispiel bei Sozialwohnungen nach Auslaufen der
       Bindungsfrist – in der Regel nach 20 Jahren – die Mieten deutlich. Unter
       dieser Praxis leiden andere Wohnungsanbieter, die deutlich sozialer
       agieren.
       
       „Viele Genossenschaften sowie kommunale und kirchliche
       Wohnungsgesellschaften, die gemeinwohlorientiert arbeiten, fühlen sich bei
       dieser Diskussion unfair behandelt. Das wollen wir mit unserem Siegel
       ändern“, sagt Matthias Günther, Leiter des Eduard-Pestel-Instituts für
       Systemforschung in Hannover. Er hat zusammen mit zwei Mitstreitern den
       Verein „Meinfairmieter Gütesiegel“ gegründet, der das gleichnamige Siegel
       unter bestimmten Bedingungen bundesweit vergibt. „Wohnungsunternehmen, die
       klar zu ihrer sozialen Verantwortung stehen, können dies mit diesem Siegel
       nach außen dokumentieren“, sagt Günther.
       
       Ein entscheidendes Kriterium für die Vergabe ist für den Verein eine faire
       Miete. Dabei orientiert man sich an den Mietstufen zur Berechnung des
       Wohngeldes (siehe auch www.wohngeld.org). Je nach lokalem Mietenniveau
       bestehen sieben Stufen. So ist beispielsweise in Pasewalk in Vorpommern
       aktuell die Mietstufe 1 gültig, in München gilt die höchste Mietstufe 7.
       Für das Siegel haben die Initiatoren für die niedrigste Stufe derzeit eine
       maximale Nettokaltmiete von 6,80 Euro pro Quadratmeter festgelegt, die sich
       dann von Stufe zu Stufe um jeweils 60 Cent erhöht. „Die Durchschnittsmiete
       des Vermieters muss unter der lokalen Wohngeldstufe liegen“, sagt Günther.
       In der Praxis ist gerade in Ostdeutschland die Durchschnittsmiete oft
       deutlich niedriger – bei der Wohnungsbaugenossenschaft Klötze in
       Sachsen-Anhalt betrug sie zum Beispiel im vergangenen Jahr 4,65 Euro.
       
       Außerdem darf bei einer Modernisierung die Mieterhöhung pro Quadratmeter
       maximal 2 Euro betragen. Wer sich das nicht leisten kann, muss eine
       Ersatzwohnung gestellt bekommen. Vom Jahresüberschuss dürfen nach Steuern
       maximal 3,5 Prozent ausgezahlt werden, zum Beispiel an
       Genossenschaftsmitglieder.
       
       Zudem wird Wert auf das Sozialmanagement gelegt. So dürfen Vermieter bei
       Mietausfällen das ausstehende Geld nicht über Inkassounternehmen
       eintreiben, sondern müssen selber eine Beratung anbieten oder mit
       Schuldnerberatungsstellen zusammenarbeiten. Auch Angebote wie Wohncafés
       oder Mieterfeste werden gefordert. „Bislang haben alle Siegel-Interessenten
       unsere Bedingungen erfüllt“, sagt Günther und fügt hinzu: „Potenziell
       kommen über 1.000 Wohnungsgenossenschaften für das Siegel in Frage. Bei
       ihnen entscheiden die Lage und die Ausstattung über die Miethöhe und nicht
       die allgemeine Marktentwicklung.“
       
       6 Jul 2024
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Joachim Göres
       
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