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       # taz.de -- Sportwetten bei der EM: Das Spiel und die Sucht
       
       > Werbung für Sportwettenanbieter ist bei der EM omnipräsent. Einer ist
       > sogar Topsponsor der Uefa. Fans weisen auf die Gefahren der teuren
       > Tipperei hin.
       
   IMG Bild: Wetten, er trifft wieder nicht? Cristiano Ronaldo vor einer Werbebande für Sportwetten
       
       Wetten, dass Sie als Zuschauer:in dieser Euro mittlerweile Betano
       begegnet sind? Es ist ziemlich schwer zu vermeiden. Der Wettanbieter prangt
       auf Werbebanden, wirbt überall im TV und verlost wöchentlich EM-Tickets.
       Dass ein Wettanbieter erstmals Hauptsponsor einer EM ist, ist die letzte
       Konsequenz einer steten Öffnung des Fußballs für die Wettbranche.
       
       Nun hat die Uefa [1][Betano] den Schlüssel zum Weihnachtsgeschäft
       geliefert. Der Deutsche Sportwettenverband erwartet Einsätze von bis zu
       einer Milliarde Euro – bei 7,7 Milliarden Euro Einsätzen im gesamten
       letzten Jahr. Der deutsche Glücksspielmarkt machte zuletzt Umsätze von 13,7
       Milliarden Euro, und besonders stark gewachsen ist er [2][nach dem
       Lobbyerfolg des neuen Glücksspielstaatsvertrags 2021], der unter anderem
       Onlinesportwetten legalisierte.
       
       1,8 Milliarden Euro haben die Deutschen 2023 unterm Strich verzockt; drei
       Viertel aller Sportwetten entfielen auf Fußball. Die Zahl der Süchtigen ist
       in die Höhe geschnellt. [3][Laut Glücksspielatlas 2023] sind es rund 1,3
       Millionen Menschen. 2021 wurde diese Zahl noch auf 400.000 geschätzt. 6,2
       Prozent aller Männer haben im vergangenen Jahr Sportwetten getätigt, aber
       nur 1,3 Prozent der Frauen.
       
       Wetten ist in der Populärkultur angekommen, dabei gehören Sportwetten
       [4][zu den Glücksspielen mit der höchsten Suchtgefahr]. Wichtigste
       Geldquelle sind die schwer Süchtigen. Die bezahlen nun einen Teil der EM,
       mitunter mit ihrem Leben. Je nach Studie unternehmen 10 bis 26 Prozent der
       pathologischen Glücksspieler:innen einen Suizidversuch.
       
       ## Bedenken aus der Fanszene
       
       „Sportwetten sind ein Thema, das auf die Stimmung drückt, womit man sich
       nicht so gerne auseinandersetzen möchte“, sagt Markus Sotirianos. „Nach dem
       Motto: Ja, wir brauchen halt das Geld, wir wissen schon, das ist irgendwie
       nicht so gut, aber es ist ja legal.“ Sotirianos ist Mitglied bei [5][Unsere
       Kurve] und beim [6][Bündnis gegen Sportwetten-Werbung], das sich 2022 aus
       einer Vernetzung von aktiver Fanszene, Wissenschaft und Suchthilfe
       gegründet hat.
       
       Schon im März protestierte das Bündnis mit einem offenen Brief gegen
       Betano. Zum ersten spielfreien Tag der Euro ließen Suchtberatungsstellen in
       Deutschland und Österreich und einzelne Fanorganisationen überdimensionale
       Geldscheine aus Fenstern regnen. „Wir sind ganz zufrieden, dass wir mit
       unseren Mitteln einen Impuls setzen konnten. Die Vernetzung so vieler
       Beteiligter ist ein Anfang.“ Auch wenn das Thema es im Grundrauschen der EM
       schwer hat.
       
       „Wir kämpfen gegen eine Branche, die Milliardenumsätze generiert, und
       machen das zum Teil aus dem Ehrenamt“, so Sotirianos. „Ich glaube, unser
       Fortschritt liegt darin, dass das Thema präsent ist, dass die Folgen von
       Sportwetten überhaupt in den Fokus rücken.“ Seit einigen Jahren gibt es in
       Westeuropa eine wachsende Bewegung gegen diese Branche. Schäden durch
       Spielsucht dürften manchem lebensnäher sein als etwa die Schäden, die die
       Textilbranche in Südostasien anrichtet.
       
       Das deutsche Bündnis ist vernetzt mit englischen Organisationen wie [7][The
       Big Step] und [8][Gambling with Lives], die dort ein Verbot von
       Trikotwerbung für Sportwetten ab 2026 erstritten haben. Bewegung gebe es
       auch in Belgien und den Niederlanden. In Italien und Spanien gibt es seit
       einigen Jahren restriktive Gesetze gegen Sportwettenwerbung. Wie viel das
       gebracht hat, dazu gebe es allerdings keine empirischen Befunde. Jedoch
       würden Erfahrungen aus anderen Suchtfeldern „eine eindeutige,
       suchtpräventive Sprache sprechen“.
       
       ## Trigger für Suchtkranke
       
       Wie viel ein Werbeverbot helfen würde, ist gar nicht so leicht zu
       beantworten. Klar ist, dass Werbung Markenbekanntheit steigert und zum
       Anbieterwechsel motiviert. Viele Studien zeigen aber, dass Werbung wenig
       Einfluss darauf hat, welche Dinge wir grundsätzlich konsumieren; oft gibt
       es keine Korrelation zwischen Werbeausgaben und Konsummenge. Familie,
       Freund:innen, sozioökonomischer Status, Kultur und große gesellschaftliche
       Trends sind viel wichtigere Einflüsse; vor allem, wenn ein Konsumgut schon
       alltäglich ist.
       
       Zugleich ist klar, dass die Werbeoffensive der Sportwettenbranche Wirkungen
       hat. Sie ist ein Trigger für Suchtkranke, sie signalisiert Normalität und
       ist ein Einstiegsfaktor, vor allem im Onlinebereich. Wirken nun
       Werbeverbote? Eine Metaanalyse des Instituts für Marken- und
       Kommunikationsforschung von 2019 hält sie für wenig wirksam. Effektiver sei
       es, mit Gegenwerbung die Risiken bekannter zu machen. Andere Studien
       argumentieren für die Wirksamkeit: In Finnland, Norwegen, Frankreich und
       Neuseeland etwa sank nach Tabakwerbeverboten der Konsum deutlich im
       Vergleich zu Deutschland.
       
       Markus Sotirianos hält zwei erste Schritte für wichtig: die rechtliche
       Gleichbehandlung von Sportwetten- mit sonstiger Glücksspielwerbung, um
       Werbung einschränken zu können. Auch Ethikauflagen für Sponsoring seien
       eine Option. In Deutschland ringt das Bündnis nicht nur mit der
       Kleinstaaterei. „Wir erleben während der Euro durchaus, dass Aktionen, die
       wir planen, nicht durchgeführt werden können, wenn die Uefa die Hoheit
       drüber hat.“
       
       In der Fanzone Frankfurt habe man etwa zwei Präventionsfilme nicht zeigen
       dürfen, mit dem Argument, die falsche Auto- bzw. Schuhmarke sei im Bild.
       „Wir haben die Stellen dann verpixelt und erneut eingereicht.“ Die Fanzone
       Frankfurt antwortet der taz, das Genehmigungshindernis durch die Marken sei
       mittlerweile beseitigt. Man sei im Austausch „in der Hoffnung, dass wir in
       der nächsten Woche noch ein Zeitfenster finden, in der die Aktion auf einer
       unserer Bühnen stattfinden kann“.
       
       Auch sonst tut sich was. Die Berliner Grünen etwa haben gerade im
       Abgeordnetenhaus einen Antrag eingereicht, nach dem nur noch zwischen 24
       und 6 Uhr für Sportwetten geworben werden dürfte. Die Höchsteinsätze
       sollten gesenkt werden und die Wettanbieter Präventionskosten tragen. Und
       Sportvereine, die Geld von Wettanbietern kassieren, aus der Sportförderung
       ausgeschlossen werden.
       
       7 Jul 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.betano.de/landing/1004140/?pid=incomeaccess_int&af_sub1=a_1318b_369c_GSN_BRAND_BR_Betano_EURO24&af_ad_id=724&siteid=1318&gclid=Cj0KCQjws560BhCuARIsAHMqE0Gy-gh_ijWjO2-Ls9RHhr1l2yyjfq0C1Njj4hZCGI4kjKnUjql17dcaAoAiEALw_wcB
   DIR [2] /Drastischer-Zuwachs-an-Sportwetten/!5927577
   DIR [3] https://www.bundesdrogenbeauftragter.de/presse/detail/gluecksspielatlas-deutschland-2023-veroeffentlicht/
   DIR [4] /Sportwetten-in-Deutschland/!5925454
   DIR [5] https://www.unserekurve.de/blog/
   DIR [6] https://buendnis-gegen-sportwettenwerbung.de/
   DIR [7] https://www.the-bigstep.com/
   DIR [8] https://www.gamblingwithlives.org/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Alina Schwermer
       
       ## TAGS
       
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