URI: 
       # taz.de -- Möglicher Ersatz für Joe Biden: Wer könnte Donald Trump schlagen?
       
       > Noch ist nicht klar, ob US-Präsident Joe Biden seine Kandidatur
       > niederlegt. Wer sind potenzielle Nachfolger:innen? Und was spricht
       > für sie?
       
   IMG Bild: Michelle Obama wehrt bisher alle Versuche ab, sie zur (äußerst aussichtsreichen) Kandidatin zu machen
       
       Die ganze Welt scheint sich einig zu sein: Joe Biden muss von einer
       erneuten Kandidatur um die US-Präsidentschaft absehen und Platz machen.
       [1][Seit dem desaströsen TV-Duell mit Donald Trump ist sich zumindest die
       Welt der links-liberalen Medien sehr sicher]: Es braucht jemand anderen, um
       überhaupt eine Chance zu haben, am 5. November einen erneuten Wahlsieg
       Trumps zu verhindern mit all den Konsequenzen für die USA und die Welt, den
       eine weitere Trump-Präsidentschaft haben könnte.
       
       Auf Erfahrungswerte, wie man das macht, vier Monate vor der Wahl den
       Präsidentschaftskandidaten auszutauschen, können die US-Demokraten dabei
       nicht zurückgreifen. Joe Biden hat die angesichts mangelnder Alternativen
       kaum beachteten Vorwahlen, die im Juni zu Ende gegangen sind, klar
       gewonnen.
       
       Insofern müsste er selbst den Weg freimachen, um den Delegierten beim
       Demokratischen Nominierungsparteitag in Chicago Mitte August die Wahl einer
       anderen Person zu ermöglichen. Ob er das macht, ist in den vergangenen
       Tagen Gegenstand unzähliger Spekulationen, Medienberichte unter Berufung
       auf vertrauliche Quellen, letztlich Gerüchte.
       
       Allerdings: Die Annahme, fast jede andere Kandidatur aus den Reihen der
       Demokratischen Partei habe mehr Erfolgsaussichten als Biden, kann auch
       nicht empirisch oder auch nur durch Umfragewerte belegt werden. Wie die
       meistgehandelten Alternativen – Michigans Gouverneurin Gretchen Whitmer,
       Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom oder auch Vizepräsidentin Kamala
       Harris – gegen Trump abschneiden würden, ist in den letzten Monaten von den
       Umfrageinstituten nur sehr sporadisch abgefragt worden – und dabei kamen
       Zahlen heraus, die meist noch schlechter waren als die von Biden.
       
       Das mag sich in den nächsten Tagen ändern, aber bislang ist der Glaube an
       den Erfolg des Wechsels eine aus der Panik geborene Wette.
       
       Für einen erneuten Vorwahlprozess bleibt keine Zeit, also müsste irgendwie
       anders schnell eine Einigung auf eine neue Person erfolgen, soll es nicht
       beim Parteitag zu offenen Kampfabstimmungen kommen, in deren Vorfeld sich
       die Kandidat*innen gegenseitig beschädigen. Naheliegend wäre, dass Joe
       Biden, sollte er zurücktreten, selbst eine Nachfolge empfiehlt. Das könnte
       dann nur Kamala Harris sein, seine Vizepräsidentin, die er von Anfang an
       auch wieder mit auf dem Ticket haben wollte.
       
       Auf Harris verpflichten könnte Biden seine Delegierten allerdings nicht.
       Und selbst wenn sich die Demokrat*innen keine ausführlichen
       Flügelkämpfe leisten werden, weil die Verhinderung Trumps Motivation genug
       ist: Die in dreieinhalb Jahren Vizepräsidentschaft profillos gebliebene
       Harris wäre für viele eine dicke zu schluckende Kröte.
       
       In einem außergewöhnlichen Prozedere gibt es keine Perfektion und keine
       Sicherheit. Nur die Angst als Triebkraft.
       
       ## Die möglichen Ersatzkandidat:innen
       
       Kamala Harris 
       
       Die 59-Jährige kennt sich mit dem Wort „Erste“ aus. 2011 war die Tochter
       einer aus Indien stammenden Mutter und eines aus Jamaika stammenden Vaters
       die erste Frau und Person of Color – kurz POC – als Generalstaatsanwältin
       Kaliforniens, 2017 die erste Frau mit indischen Wurzeln im US-Senat, 2021
       die erste Frau und POC im Amt der Vizepräsidentin der USA.
       
       Pros 
       
       Harris steht erneut als Vizepräsidentin zur Wahl. Ein Switch von ihr an die
       Spitze der demokratischen Präsidentschaftskandidatur wäre zumindest weniger
       Getöse als jeder andere Wechsel. Sollte Joe Biden etwas zustoßen, würde sie
       schon jetzt binnen Minuten als neue Präsidentin vereidigt. Anders als
       Whitmer oder Newsom ist ihr Name auf der nationalen Bühne bekannt – eine
       Grundvoraussetzung für einen Wahlkampf. Und: Sie hätte, weil sie auf dem
       Biden-Harris-Ticket steht, direkten Zugriff auf die rund 200 Millionen
       Dollar aus Bidens Wahlkampfkasse. Darüber hinaus könnte es einige
       Wählergruppen verärgern, wenn ausgerechnet die erste Schwarze Frau
       diejenige ist, die als Vizepräsidentin und naheliegendste Nachfolgerin
       übergangen würde.
       
       Cons 
       
       Harris' Popularitätswerte lagen in den vergangenen Jahren gleichauf oder
       noch unter denen von Joe Biden. In den dreieinhalb Jahren als
       Vizepräsidentin war von ihr herzlich wenig zu sehen, dafür aber von Streit
       mit ihrem Büro im Weißen Haus zu hören. Biden hatte ihr die Aufgabe
       zugewiesen, sich um Migrationsfragen zu kümmern – heute einer der
       wichtigsten Talking Points der Trump-Rechten. Und: Ihr ständiges Lachen
       geht vielen auf die Nerven.
       
       Gavin Newsom 
       
       Der aus San Francisco stammende Sohn eines Richter*innenehepaars ist
       seit 2019 Gouverneur von Kalifornien. Der 56-Jährige vertritt viele
       linksliberale Positionen, setzte sich früh für die Ehe für alle ein, für
       strengere Waffengesetze, gegen die Todesstrafe, für die Legalisierung von
       Marihuana und eine Krankenversicherung für alle.
       
       Pros 
       
       Newsom kann Wahlen gewinnen und auch Gegenwind aushalten. Er überstand ein
       Absetzungsreferendum in Kalifornien deutlich und wurde bei der nächsten
       Wahl als Gouverneur wiedergewählt. Er wird seit Jahren als zukünftiger
       Präsidentschaftskandidat gehandelt, hat sich aber nie vorgedrängelt. Er
       greift die Positionen trumpistischer Politiker*innen offensiv an.
       Anfang des Jahres lieferte sich Newsom, moderiert von Fox-Anchor Sean
       Hannity, ein TV-Duell gegen den erzkonservativen Gouverneur Ron DeSantis
       aus Florida, der sich noch um die republikanische
       Präsidentschaftskandidatur bewarb. Die Frische, Schlagfertigkeit und
       Argumentationskraft, die Newsom an den Tag legte, würden sich viele gegen
       Trump wünschen.
       
       Cons 
       
       Kalifornien. Kalifornien stimmt in Präsidentschaftswahlen immer
       demokratisch, wer von dort kommt, kann also kein spannendes Wählerpotenzial
       mitbringen. Und: Für MAGA-Trumpisten ist Newsom natürlich so etwas wie das
       Abziehbild einer woken Elite, die von den Sorgen der arbeitenden
       Bevölkerung keine Ahnung hat. Sind das unüberwindbare Widerstände für eine
       Präsidentschaftskandidatur? Nein. Machen sie Newsom angreifbar? Ja. Im
       Übrigen könnte Gavin Newsom nicht mit Kamala Harris auf einem Ticket
       stehen, weil beide aus Kalifornien sind. Auch nicht ideal.
       
       Gretchen Whitmer 
       
       Sie ist tief in Michigan verwurzelt – biografisch und politisch. Als Kind
       einer Anwaltsfamilie aus der Landeshauptstadt Lansing machte sie nach ihrem
       Rechtsstudium Karriere bei den Demokraten: Seit 2019 ist Whitmer
       Gouverneurin des wichtigen nördlichen Swing State, davor war sie Senatorin
       und Abgeordnete im Repräsentantenhaus in Michigan.
       
       Pros 
       
       Ihr Alter. Die 52-Jährige sagte der New York Times kürzlich, sie würde 2028
       gerne jemanden aus der Generation X im Rennen sehen, war aber noch
       bescheiden genug, nicht sich selbst vorzuschlagen. Whitmer bezeichnet sich
       selbst als Progressive und setzt sich überzeugend für das Recht auf
       Abtreibung ein. 2023 sorgte Whitmer für die Abschaffung eines
       gewerkschaftsfeindlichen Gesetzes in Michigan – und sie plädiert für ein
       strengeres Waffenrecht. Sie hat mit dafür gesorgt, dass der 2016 von Donald
       Trump gewonnen Swing State Michigan 2020 wieder demokratisch wählte.
       
       Cons 
       
       Vor allem: Auf nationaler Bühne ist Whitmer vielen unbekannt – und das in
       wenigen Monaten zu ändern, ist schwierig. Und trotz progressiver Allüren
       steht Whitmer der single-payer-healthcare – also einer Bürgerversicherung
       für alle – skeptisch gegenüber; damit ist sie Linken suspekt. Kritisch
       beäugt wird Whitmer auch von der großen arabischen Minderheit in Michigan,
       die sich angesichts von Bidens Israel-Unterstützung im Gazakrieg von den
       Demokraten abwenden. Zwar versuchte Whitmer wohl privat auf die arabische
       Community zuzugehen, sagte öffentlich aber: „Ich unterstütze Israel
       uneingeschränkt.“
       
       ## Die Joker 
       
       Michelle Obama 
       
       Die frühere First Lady hat immer wieder erklärt, dass sie nicht zur
       Verfügung steht.
       
       Und dennoch ploppt ihr Name immer wieder auf, je verzweifelter die
       Demokrat:innen im Kampf gegen Trump werden.
       
       Pete Buttigieg 
       
       Mit 42 der Youngster unter den Schattenkandidat:innen. Wollte 2020
       Präsidentschaftskandidat werden, wurde dann Verkehrsminister.
       
       Schwul, progressiv, eloquent – aber unerfahren.
       
       J. B. Pritzker 
       
       Der Milliardenerbe und Gouverneur von Illinois wird beim Demokratischen
       Nominierungsparteitag im August in Chicago Gastgeber sein.
       
       Sein Name wird immer wieder gehandelt – aber nicht sehr ernsthaft.
       
       Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In
       der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie
       sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem
       besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und
       [2][natürlich im Abo].
       
       6 Jul 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /US-Praesidentschaftswahlen/!6021587
   DIR [2] /!v=4376358c-7d2d-4824-84bf-9c7bc3bf0f07/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernd Pickert
   DIR Leon Holly
       
       ## TAGS
       
   DIR US-Wahl 2024
   DIR Joe Biden
   DIR Kamala Harris
   DIR Weißes Haus
   DIR GNS
   DIR US-Demokraten
   DIR US-Wahl 2024
   DIR Schwerpunkt USA unter Trump
   DIR US-Wahl 2024
   DIR US-Wahl 2024
   DIR US-Wahl 2024
   DIR Joe Biden
   DIR US-Wahl 2024
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Möglicher Rückzug als Kandidat in USA: Was passiert, wenn Biden aufgibt
       
       US-Präsident Joe Biden denkt laut Medienberichten über einen
       Kandidaturverzicht nach. Was würde in diesem Fall bei den Demokraten
       passieren?
       
   DIR Präsidentschaftswahl in den USA: Einigkeit dringend gesucht
       
       US-Demokrat*innen debattieren über den Zeitpunkt für die Abstimmung über
       die Kandidatur Bidens. Der schlägt neue Regeln für den Supreme Court vor.
       
   DIR George Clooney fordert Biden-Rücktritt: Ein Akt des Verrats
       
       Nun fordern auch Hollywoodstars wie George Clooney, dass Joe Biden auf die
       Präsidentschaftskandidatur verzichtet. Ihre Sorge schwächt die Demokraten.
       
   DIR Druck auf US-Präsident: Rückhalt für Joe Biden bröckelt
       
       Der Druck auf Biden, als Präsidentschaftskandidat zurückzutreten, nimmt zu.
       Nun fordert auch ein erster demokratischer Senator ihn zum Rücktritt auf.
       
   DIR Debatte um Kandidatur in USA: Biden geht in den Angriffsmodus
       
       US-Präsident Joe Biden hält an seiner Kandidatur fest und tut alles, um die
       Debatte darüber zu beenden. Unterstützung bekommt er auch von links.
       
   DIR TV-Interview mit US-Präsident Joe Biden: Nur Gott kann ihn stoppen
       
       Biden betont in einem Interview, dass er erneut kandidieren will. Er
       verhaspelt sich, kann aber ansonsten ohne Teleprompter reden. Ob das
       reicht?
       
   DIR Joe Biden im US-Wahlkampf: Frag, was du für dein Land tun kannst
       
       Eitelkeiten, eingeübte Bräuche und politische Karrieren müssen weichen, um
       Trump noch zu verhindern. Für US-Präsident Biden kann das nur heißen: Er
       tritt nicht an.
       
   DIR Debatte über Biden-Kandidatur: „Ich gehe nicht“
       
       Bleibt Joe Biden der demokratische Kandidat fürs Weiße Haus? Nach dem
       desaströsem Auftritt des Präsidenten im TV-Duell rumort es in der Partei.