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       # taz.de -- Erneuter Anschlag auf Bauwagenplatz: Im Visier der Rechten
       
       > Unbekannte haben den Zaun des Bauwagenplatzes Ølhafen in Bremen-Walle
       > angezündet. In den umliegenden Kleingärten hat sich die rechte Szene
       > etabliert.
       
   IMG Bild: Immer wieder Angriffen ausgesetzt: Der Bauwagenplatz Ølhafen im Bremer Stadtteil Walle
       
       Bremen taz | Auf den Wagenplatz Ølhafen im Bremer Stadtteil Walle wurde in
       der Nacht von Donnerstag auf Freitag ein Brandanschlag verübt. Bei dem
       Feuer fraß sich ein zwei Quadratmeter großes Loch in den Zaun, der das
       Gelände umgibt. Daneben fanden BewohnerInnen Reste von Anzündern. Einige
       Meter davon entfernt lagen weitere Anzünder, die vermutlich einen zweiten
       Brand auslösen sollten. Obwohl die BewohnerInnen selbst keine Anzeige
       erstattet haben, ermittelt nun die Bremer Polizei wegen Brandstiftung, wie
       sie auf taz-Nachfrage bestätigte.
       
       Schon vor dem jüngsten Anschlag, war der Ølhafen regelmäßigen Angriffen
       ausgesetzt. Momentan gebe es wöchentlich Attacken und Bedrohungen, teilten
       die BewohnerInnen mit.
       
       Das Parzellengebiet, in dem sich 2018 die Bauwagengruppe Ølhafen
       niedergelassen hat, sei seit Jahrzehnten eine Hochburg der rechten Szene in
       Walle, die das Gebiet für ihre politische Agenda nutze, sagte ein
       Mitarbeiter des [1][Mobilen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus] (MBT)
       der taz. In der Schrebergartenkolonie seien mehrere Vereine ansässig. In
       einem der Vereinshäuser habe 2008 die NPD Tagungen abgehalten. Auch die
       Identitäre Bewegung habe dort ab 2016 regelmäßig Treffen organisiert.
       Darunter seien auch Akteure gewesen, die dort selbst eine Parzelle hätten.
       Im gleichen Zeitraum habe eine Gruppe von rechten Rockern ein Parzellenhaus
       genutzt, in dem täglich einschlägig bekannte rechte AkteurInnen ein- und
       ausgegangen seien. Ein AfD-Büro habe sich bis 2019 in unmittelbarer Nähe
       zum Wagenplatz befunden.
       
       „Der Ølhafen ist mit seinem alternativen Lebensentwurf ein gefundenes
       Fressen für das ideologische Feindbild der Rechten“, sagte der
       MBT-Mitarbeiter. Das habe über Jahre an diesem Ort gedeihen können,
       gemütlich, mit gehissten Deutschlandflaggen, manchmal auch Reichsflaggen.
       Nun werde es auf die friedlichen BewohnerInnen projiziert.
       
       ## Tätlicher Angriff im Februar
       
       Bereits im Februar dieses Jahres hatte es einen [2][Überfall auf den
       Wagenplatz] gegeben. Bis zu sieben vermummte und teilweise bewaffnete
       TäterInnen griffen damals die BewohnerInnen vor dem Platz an. Drei Personen
       wurden dabei verletzt.
       
       Infolgedessen errichteten die Wagen-BewohnerInnen im Frühjahr einen Zaun,
       um sich vor weiteren körperlichen Attacken zu schützen. „Wir haben das
       schweren Herzens gemacht, weil das unserem freiheitlichen Denken
       widerspricht“, sagte eine Bewohnerin der taz. Eben dieser Zaun wurde nun
       angezündet.
       
       Nur drei Tage nach dem Überfall Anfang des Jahres hatte die
       rechtspopulistische Bürgerschaftsfraktion [3][Bündnis Deutschland] (BD)
       eine Große Anfrage zum Wagenplatz an den Senat gestellt. Darin wird die
       Existenz dieses Wohnorts delegitimiert, den BewohnerInnen werden Straftaten
       unterstellt. Für das Bündnis Deutschland sei es nachvollziehbar, heißt es
       darin, „dass es Nutzer der Kleingärten als ungerecht empfinden“, dass sie
       nicht auf den Parzellen leben könnten, „während die Besetzer in ihrer
       unmittelbaren Nachbarschaft genau das schon seit Jahren unbehelligt tun“.
       Der Senat antwortet auf die Anfrage, man wolle alternative Wohnformen
       unterstützen und arbeite an den dafür nötigen rechtlichen
       Rahmenbedingungen.
       
       Für den Mitarbeiter von MBT klingt die BD-Anfrage wie eine Legitimation,
       „aus dem vermeintlich bürgerlichen rechten Spektrum Angriffe zu starten“.
       Die Partei Bündnis Deutschland [4][fusionierte 2023 in Bremen mit der
       lokalen Protestpartei „Bürger in Wut“]. In ihren Reihen finden sich auch
       ehemalige AfD-Mitglieder.
       
       ## Böller, Steine, Brandstiftung
       
       „Das ist eine Gemengelage von rechten AkteurInnen aus dem parteipolitischen
       Spektrum und aus dem neonazistischen, extrem rechten Spektrum“, sagt der
       MBT-Mitarbeiter. Er gehe davon aus, dass mehrere unterschiedliche, aber
       vernetzte TäterInnen für die zahlreichen Angriffe verantwortlich sind. Mal
       seien sie mehr zu sehen, „wie zum Beispiel im Büro oder als Parteimitglied,
       mal sind sie sozusagen unsichtbar, wenn jemand Brandanschläge verübt“.
       
       Auch vor und zwischen den beiden Anschlägen sei der Ølhafen „wiederholt
       Zielscheibe von Angriffen verschiedener Art geworden“, teilten die
       BewohnerInnen mit. Dabei seien „Feuerwerkskörper, die über den im Frühling
       errichteten Zaun geworfen werden“ am häufigsten. Diese würden überwiegend
       aus vorbeifahrenden Autos geschmissen.
       
       In den vergangenen Jahren gehörten dazu mehrfach auch versuchte oder
       vollendete Brandstiftungen. So sei 2019 ein an der Straße selbst gebautes
       Tauschregal abgebrannt worden, sagte eine Bewohnerin des Ølhafens.
       Vergangenes Jahr sei ein Auto angezündet worden, das am Rande des Geländes
       geparkt war.
       
       ## Angriffe meistens abends oder über Nacht
       
       Die meisten Angriffe fänden abends oder über Nacht statt. In den
       vergangenen Monaten seien aber auch am Nachmittag Böller gegen oder über
       den Zaun geflogen. Immer wieder würden Steine und Flaschen auf das Gelände
       geworfen. Hupen von vorbeifahrenden Autos sei an der Tagesordnung.
       
       Ein rechtspolitisch motiviertes Motiv liegt auf der Hand: Menschen in
       vorbeifahrenden Autos würden Nazi-Parolen wie „Heil Hitler“, „Scheiß
       Zecken“ oder einfach „Verpisst euch“ grölen, so die Bewohnerin. Banner mit
       politischen Slogans am Zaun würden regelmäßig zerschnitten und beschädigt.
       Ein „Fight Fascism“-Transparent wurde abgerissen.
       
       Der Brand des behelfsmäßigen Zauns aus Paletten und Holzresten in der Nacht
       erschüttert die BewohnerInnen des Wagenplatzes. „Gerade weil ein
       heimtückischer Brandanschlag die Bereitschaft der TäterInnen zeigt, Leben
       zu gefährden“, wie eine Bewohnerin sagte. Sie seien zwar besorgt über die
       zunehmenden rechten und rechtsextremen Vorfälle und Weltbilder in Europa,
       die sich eben auch in Bremen und Walle niederschlügen. „Aber wir merken
       auch, dass die Solidarität wächst. Wir sind viele und lassen uns nicht
       unterkriegen.“
       
       26 Jun 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.mbt-hb.de/
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       ## AUTOREN
       
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