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       # taz.de -- Bezahlkarte für Geflüchtete: Schon das erste „Ja“ war falsch
       
       > Auch in Berlin soll die Bezahlkarte wohl Bargeld für Geflüchtete
       > begrenzen. Die Sozialsenatorin hätte schon dem Prüfverfahren nicht
       > zustimmen dürfen.
       
   IMG Bild: 50 Euro pro Monat sollen Geflüchtete in Zukunft an Bargeld bekommen. Der Rest ihrer Leistungen ist nur mit Karte verfügbar
       
       Im Januar stand Sozialsenatorin Cancel Kiziltepe (SPD) vor einer wichtigen
       Frage: ob auch Berlin sich mit anderen Bundesländern an einem
       Vergabeverfahren für eine Bezahlkarte für Geflüchtete beteiligen soll.
       Damit wollten die Länder ausloten, unter welchen Bedingungen und in welcher
       Ausgestaltung so eine Karte eingeführt werden könnte. Die
       Ministerpräsident*innen hatten sich einige Monate davor auf eine
       solche Karte verständigt, die Stoßrichtung war damals schon klar: Wenn es
       kein Bargeld mehr gibt, verhindert das angeblich Fluchtanreize.
       Vorstellungen, die [1][längst mehrfach widerlegt] sind.
       
       Die Sozialsenatorin stimmte zu: Eine Bezahlkarte könnte den
       Verwaltungsaufwand reduzieren. „Aus Berliner Sicht ist dabei insbesondere
       die Berücksichtigung von Mindeststandards wie zum Beispiel der
       Stigmatisierungsfreiheit oder der Möglichkeit individueller Betragsgrenzen
       zur Barauszahlung von besonderer Bedeutung“, hieß es damals vom Senat. Klar
       war: Die Verantwortung für die Karte sollte weiter bei der Sozialverwaltung
       liegen.
       
       Und nun? Muss die Senatorin die Konsequenzen ihrer damaligen Zustimmung
       wieder einfangen. Denn der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) hat
       anscheinend andere Pläne: Beim [2][Treffen der
       Ministerpräsident*innen im Juni stimmte Wegner der dortigen
       Verständigung zu], dass mit der Karte Bargeldauszahlungen auf 50 Euro pro
       Monat begrenzt werden sollen. Anders als andere Ministerpräsidenten fügte
       er [3][nicht mal eine Protokollnotiz] hinzu, dass Berlin sich auch andere
       Ausgestaltungen vorstellen könnte.
       
       Kiziltepe beeilt sich nun, zu [4][bekräftigen, dass das nicht ihrer
       Vorstellung entspreche]. Die „unsägliche Debatte“ um die Bargeldhöhe
       verfolge sie „mit Sorge“, erklärte die Senatorin. Kein einziges Problem
       werde dadurch gelöst. Auch weiterhin müssten geflüchtete Menschen in Berlin
       „das Geld, das ihnen zusteht, zu 100 Prozent selbstbestimmt und ohne
       Reglementierung verwenden können“. Allein schon durch [5][Einkäufe auf –
       günstigeren – Wochen- oder Flohmärkten seien sie „mehr als andere auf
       Bargeld] angewiesen“.
       
       ## Basiskonto wäre die Lösung
       
       In der Koalition könnte das auf einen Konflikt hinauslaufen – und Kiziltepe
       steht vor einem Problem. Das hat sie sich allerdings bereits mit ihrer
       ersten Zustimmung eingehandelt. Denn schon damals waren alle [6][Argumente
       für die Bezahlkarte an den Haaren herbeigezogen], auch die von ihr so
       hochgehängte Idee, dass die Verwaltung entlastet werden könnte.
       
       Denn bereits jetzt gibt es [7][das Basiskonto, über das auch Geflüchteten
       direkt Leistungen überwiesen werden könnten]. Sie haben dann eine normale,
       stigmatisierungsfreie Bankkarte und ein Konto, das grundsätzlich kann, was
       ein Konto können sollte. Zudem kostet das Basiskonto Berlin keinen Cent –
       während für eine Bezahlkarte schon im Vergabeverfahren immense Kosten an
       die private Dienstleistungsfirma anfallen und auch der spätere Betrieb des
       Systems nicht umsonst zu haben sein wird. Und: Es wird ein System
       etabliert, dass sowohl die Länder als auch wechselnde Regierungen mal mehr,
       mal weniger restriktiv ausgestalten können.
       
       Es hätte Kiziltepe auch eine Warnung sein können, wie Brandenburgs
       Ministerpräsident Dietmar Woidke – ebenfalls SPD – die Bedenken der
       dortigen grünen Sozialministern Ursula Nonnemacher abgeräumt hatte: Indem
       er nämlich die Zuständigkeit für die Karte einfach an sich zog. Nonnemacher
       konnte seitdem nur noch wiederholt betonen, dass sie die Karte so nicht
       gewollt habe.
       
       28 Jun 2024
       
       ## LINKS
       
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