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       # taz.de -- Abschied von der Linkspartei: Wilke will nicht mehr
       
       > Ende eines Entfremdungsprozesses: Der Oberbürgermeister von Frankfurt
       > (Oder) ist aus der Linken ausgetreten. Zum BSW will er nicht gehen.
       
   IMG Bild: Ein Abschied „ohne Groll“ und „mit großer Dankbarkeit“: René Wilke hat die Linkspartei verlassen
       
       Berlin taz | Nur der Zeitpunkt seines Abgangs kommt überraschend, trotzdem
       ist es ein herber Schlag für die kriselnde Partei: René Wilke, der
       Oberbürgermeister von Frankfurt (Oder), ist aus der Linken ausgetreten.
       Knapp drei Monate vor der Landtagswahl in Brandenburg verliert sie damit
       eines ihrer prominentesten Mitglieder. Es ist das Ende eines längeren
       Entfremdungsprozesses.
       
       „Die inhaltlichen Differenzen mit der bundespolitischen Ausrichtung der
       Partei zu grundsätzlichen Fragen sind über die Jahre erkennbar zu groß
       geworden“, begründete Wilke am Wochenende seine Entscheidung. „Der innere
       Spagat war so für mich nicht mehr aushaltbar“, erklärte Wilke. Sein
       Oberbürgermeisteramt will er weiter ausüben.
       
       Der politische Werdegang Wilkes war bislang untrennbar mit der Linkspartei
       verbunden. Um die Jahrtausendwende trat der gebürtige Frankfurter als
       16-Jähriger in die damalige PDS ein, mit 20 Jahren übernahm er 2004 den
       Vorsitz des Kreisverbandes in seiner Heimatstadt. Nach seinem Zivildienst
       wurde er zuerst Wahlkreismitarbeiter einer Landtagsabgeordneten, dann
       zweier Bundestagsabgeordneten und zuletzt eines Europaabgeordneten der
       Linken.
       
       2014 zog Wilke für die Partei in den Brandenburger Landtag ein. 2018 wurde
       er schließlich – unterstützt von einem Bündnis aus Linken, Grünen sowie
       parteilosen Persönlichkeiten – [1][zum jüngsten Oberbürgermeister in der
       Stadtgeschichte] Frankfurts gewählt.
       
       ## Wilke kritisiert „vermeintlichen Pazifismus“
       
       In den eigenen Reihen lange als Hoffnungsträger geltend, machte sich Wilke
       in seiner Oberbürgermeisterzeit über Parteigrenzen hinweg einen Namen als
       ein Ausgleich suchender und um Kompromisse ringender Realpolitiker. Schon
       seit einiger Zeit war dabei kaum mehr zu übersehen, dass er und seine
       Partei sich auseinandergelebt hatten.
       
       So sagte er [2][in einem taz-Interview] im September 2021, er könne „es
       keiner anderen Partei empfehlen, mit meiner Partei nach der Bundestagswahl
       zu koalieren“. In der Linken gebe es „zu viele innere Gräben“. Außerdem
       kritisierte er die „mangelnde Kompromissbereitschaft“ und den fehlenden
       Gestaltungswillen auf Bundesebene. In der Linken gebe es „noch viele, die
       sich im Besitz der reinen Lehre wähnen“.
       
       Als einen konkreten Kritikpunkt benannte Wilke auf der
       Kreismitgliederversammlung der Frankfurter Linken am Samstag zudem den
       Umgang mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine. Als „vermeintlichen
       Pazifismus“ bezeichnete er die Ablehnung jeglicher militärischer
       Unterstützung für das angegriffene Land. „Ich kann den fast 1.000
       ukrainischen Menschen in unserer Stadt nicht gegenübertreten und eine
       Position vertreten, deren Umsetzung dafür sorgen würde, dass ihr Land
       überrannt wird“, sagte der 40-Jährige. Womit er auch deutlich machte, dass
       er seine politische Zukunft nicht in [3][Sahra Wagenknechts BSW] sieht.
       
       Trotz aller Kritik an seiner alten Partei gehe er „ohne Groll und blicke
       mit großer Dankbarkeit auf die gemeinsame Zeit und die vielen Dinge, die
       ich in den vergangenen 24 Jahren gemeinsam mit den Mitgliedern der Linken
       gestalten konnte“, sagte Wilke. Mit seinem Schritt habe er denn auch
       „bewusst bis nach der Kommunalwahl gewartet, um der Partei keinen unnötigen
       Schaden zuzufügen“. Bei der Wahl hatte die Linke in Frankfurt starke
       Verluste erlitten und wurde mit 15,8 Prozent nur noch drittstärkste
       Fraktion in ihrer einstigen Hochburg.
       
       Ausdrücklich bedankte sich Wilke, der erst einmal parteilos bleiben will,
       bei dem Brandenburger Linke-Landeschef Sebastian Walter, der für ihn ein
       Anker und glaubwürdiger Vertreter der Partei sei. Ungeachtet aller
       Differenzen wünsche er der Linken weiter Erfolg, denn sie würde „als Stimme
       in dieser Stadt, in diesem Land und auch im Bund gebraucht“.
       
       1 Jul 2024
       
       ## LINKS
       
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   DIR Pascal Beucker
       
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