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       # taz.de -- Hitler-Attentat von Stauffenberg 1944: Nachmittags in der Stauffenbergstraße
       
       > Am 20. Juli 1944 scheiterte Stauffenberg beim Versuch, Hitler durch eine
       > Bombe zu töten. Ein Besuch in der nach ihm benannten Straße in Hamburg.
       
   IMG Bild: In vielen Städten gibt es eine Straße, die nach Claus Schenk Graf von Stauffenberg benannt ist
       
       Hamburg taz | Es ist, so viel ist schon mal klar, nicht viel los an diesem
       Freitagnachmittag in der Hamburger Stauffenbergstraße. Ein Vater, Handy am
       Ohr, skatet auf der Fahrbahn, seine kleine Tochter im herzallerliebsten
       weißen Rüschenkleidchen fährt auf einen Laufrad hinterher, später kommt
       noch die Mutter auf dem Gehweg heran, der hier naturbelassen ist: Erde und
       kleine Steinchen unter den großen Bäumen, die links und rechts auf den
       Grundstücken stehen und ganz hoch oben ein Dach über der Straße bilden.
       
       Eine Stauffenbergstraße gibt es in vielen deutschen Städten. In Berlin
       liegt sie zentral und führt am Bendlerblock vorbei, also an [1][genau der
       Stelle], wo die Verschwörer um Claus Schenk Graf von Stauffenberg nach dem
       gescheiterten Attentat auf Hitler erschossen wurden. Nicht überall hat sie
       die beste Lage, in München etwa ist es eine unspektakuläre, von Wohnblöcken
       bestandene Sackgasse in Schwabing-West. Ihren Namen hat sie von einem
       Vorfahren des Widerstandskämpfers, der [2][bayerischer Politiker] war.
       
       Die Hamburger Stauffenbergstraße heißt wie fast alle anderen Straßen dieses
       Namens nach dem edlen Attentäter und liegt gutbürgerlich in den Elbvororten
       kurz vor Blankenese. Die Einfahrt von Süden erfolgt über die Elbchaussee.
       
       Gleich am Anfang kommt links eine luftige Villa in Weiß, ganz hinten im
       Garten steht ein alter eleganter Mercedes vor der Garage, aber das Haus
       gehört noch zur Elbchaussee. Das Straßenschild „Stauffenbergstraße“ kommt
       danach, dort, wo nach einem verwilderten Grundstück links eine Straße
       abbiegt, in die später ein mit Kindern besetztes Lastenrad einbiegen wird.
       
       Während der Held des deutschen Widerstands seine Kindheit auf
       württembergischen Schlössern verbrachte, [3][die heute noch] (oder
       [4][wieder)] stehen, hat die Hamburger Stauffenbergstraße Schwierigkeiten
       mit ihrem äußeren Erscheinungsbild.
       
       Gut, es gibt noch diese Villen in den großen Gärten, eine, von dunklen
       Holzbalken durchzogen, mit Türmchen und Erkerchen und wunderschönen
       Buntglasfenstern, liegt gleich gegenüber dem Straßenschild hinter Bäumen
       versteckt, und ganz weit hinten auf der anderen Straßenseite steht auf
       kurzem Rasen ein klassizistischer Kasten.
       
       ## Stadtvillen, die alt aussehen sollen
       
       Aber dazwischen hat sich mehrgeschossiger Rotklinker breitgemacht, hinter
       einer Mauer versteckt sich gleich eine Bungalowsiedlung ganz in Weiß, und
       mitten in der Straße, gleich nach einem leer stehenden Einfamilienhaus mit
       zugewuchertem Vorgarten, erhebt sich ein riesiger Kran in den Himmel.
       „Stadtvillen“ mit Etagenwohnungen entstehen hier, die alt aussehen sollen,
       aber aus Beton sind. Es gab [5][Widerstand von Seiten der
       Anwohner*innen], doch er war zwecklos, zwei Blöcke stehen schon.
       
       Die Demokratisierung der Elbvororte – oder ist es eher die
       Grundstückspekulation? – schreitet voran und verändert auch das Gesicht der
       Stauffenbergstraße, durch die, so ist es auch wieder nicht, immer noch
       Mädchen in Tenniskleidung fahren, hinten im Fahrradkorb den Schläger. Der
       Tennisplatz ist gleich auf der anderen Seite der Elbchaussee, und vor der
       zugehörigen Tapasbar sitzen die Vereinsmitglieder in der Sonne.
       
       Es liegt eine Ruhe und Trägheit über der Straße, jetzt am späten
       Nachmittag, ein Pulk Jungen auf Fahrrädern kommt vom Hockey, erkennbar an
       den länglichen Rucksäcken, ein Vater und seine Tochter, diesmal beide
       skatend, unterhalten sich auf Französisch. In den neuen Stadtvillen sitzen
       die Menschen auf den Balkons, die Baustelle vor ihren Augen ruht, vor einem
       Haus weiter hinten steigt eine stark nach Parfüm duftende Frau in einen
       Golf Cabrio.
       
       Und dann, die Straße ist recht kurz, kommt schon das Ende, die
       Stauffenbergstraße mündet in die größere Manteuffelstraße, 1928 benannt
       nach Edwin von Manteuffel (1809–1885), preußischer Generalfeldmarschall.
       
       Die Stauffenbergstraße hat ihren Namen erst seit 1963. Es dauerte, bis der
       Mann zu der Symbolfigur des deutschen Widerstands wurde. Jedes Jahr am 20.
       Juli wird seiner und seiner Mitstreiter in einem Staatsakt gedacht,
       vergangenes Jahr sprach der Verteidigungsminister, [6][diesmal ist der
       Bundeskanzler angekündigt].
       
       ## Glorifizierung vernebelt den Blick
       
       Inzwischen ist Kritik laut geworden: Die Glorifizierung der
       Wehrmachtsoffiziere um Stauffenberg habe den klaren Blick [7][auf ihre
       teils reaktionäre Gesinnung vernebelt], und sie habe andere, weniger
       hochgestellte Akteure des Widerstands in den Hintergrund gedrängt.
       
       Trotzdem bleibt Stauffenberg eine Symbolfigur. Genau gegenüber seiner
       Straße in Hamburg liegt ein Kasernengelände: Schranken, Gitter,
       Säulengänge, im Hintergrund Fahnenmasten, es weht die Deutschlandfahne. Es
       ist die Clausewitz-Kaserne. Seit 1958 befindet sich hier die
       Führungsakademie der Bundeswehr.
       
       17 Jul 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.bmvg.de/de/ministerium/geschichte-des-verteidigungsministeriums/der-bendlerblock
   DIR [2] https://stadtgeschichte-muenchen.de/strassen/d_strasse.php?id=5038
   DIR [3] https://www.zollernalb.com/attraktionen/stauffenberg-schloss-e4031cc98d
   DIR [4] https://www.landesmuseum-stuttgart.de/museum/altes-schloss
   DIR [5] https://www.abendblatt.de/hamburg/elbvororte/article209163039/Aufstand-in-den-Elbvororten-gegen-massive-Bauvorhaben.html
   DIR [6] https://www.protokoll-inland.de/SharedDocs/kurzmeldungen/Webs/PI/DE/nationale-gedenk-feiertage/20Juli1944/berichterstattung-80-jahrestag.html
   DIR [7] /Jahrestag-des-Stauffenberg-Attentats/!5865919
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Daniel Wiese
       
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