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       # taz.de -- Putin und Xi: Nur noch ziemlich beste Freunde
       
       > Die chinesisch-russischen Beziehungen zeigen erste Schönheitsfehler.
       > Moskaus Flirt mit Indien, Vietnam und den Philippinen kommt nicht überall
       > gut an.
       
   IMG Bild: Wladimir Putin mit Chinas Präsident Xi Jinping bei der Feier der chinesisch-russischen Beziehungen am 16. Mai in Peking
       
       Wie selten zuvor breitet sich in Chinas sozialen Netzwerken eine Welle
       nervösen Interesses an Ereignissen und Entwicklungen aus, die sich jenseits
       der Landesgrenzen zutragen. Nicht länger die eigenen Pläne, im Leben
       voranzukommen, nicht mehr die bedrückende Situation an den Börsen im Lande,
       die so viele Millionäre über Nacht in „blanke Stöcke“ (Bettelarme)
       verwandelt – was zählt, ist der [1][Wahlsieg von Labour in Großbritannien].
       
       Der neue Premierminister Keir Starmer berief gleich eine Sitzung ein, auf
       der auch die antichinesische Außenpolitik unterstrichen wurde. In
       Frankreich blieb [2][Marine Le Pen nun doch weit hinter dem erhofften
       Wahlergebnis] zurück. Wie schade! Hätte sie doch sonst den lästigen
       Europäern gerne weiter in die Suppe spucken können, wie es unser Freund
       Viktor Orbán – diese Woche zu Besuch auch in China – regelmäßig tut. Und
       [3][in den USA strauchelt Präsident Joe Biden] zusehends.
       
       Wobei hier gar nicht sicher ist, ob er oder sein Gegenkandidat von uns
       Chinesen zu bevorzugen wäre. Unter all den Ungewissheiten zeigt sich die
       Ungewissheit über Chinas Freund Russland als umso vielsagender. So kam
       Ende April die Meldung, dass die Philippinen – die mit China um etliche
       Inseln im Südchinesischen Meer streiten, wobei es praktisch jeden Tag zu
       einem bewaffneten Konflikt kommen könnte – Hypersonic-Raketen vom Typ
       BrahMos aus russisch-indischer Produktion erhalten.
       
       Ein Handel, der irritiert. Warum sollte unser Feind von unserem Freund in
       Moskau mit Marschflugkörpern versorgt werden? Und dann ist da noch dieser
       Inder namens Narendra Modi. Dem jüngsten Gipfeltreffen der [4][Shanghai
       Cooperation Organisation (SCO) in Kasachstan], da, wo Chinas Präsident Xi
       Jinping wie ein Kaiser allen zentralasiatischen Staaten Audienz gewährte,
       blieb er fern. Dafür besuchte Modi Russland, das im Gegensatz zu Indien bei
       dem Gipfel in Astana sehr wohl vertreten war.
       
       ## Wer gegen wen?
       
       Was haben [5][Modi und Wladimir Putin] hinter verschlossener Tür zu
       beraten? Geht es möglicherweise um und gegen China? Der Verdacht könnte
       nicht zuletzt mit Blick auf die russisch-indische Raketenlieferung an
       Manila aufkommen. Und es bleibt gar nicht bei den Philippinen oder Indien.
       Putin hatte zuvor auch Vietnam einen Staatsbesuch abgestattet. Wie es
       hieß, konnte Hanoi sich Russlands Unterstützung für Vietnams Ansprüche im
       Südchinesischen Meer gegen China sichern, speziell auf die
       [6][Spratly-Inseln].
       
       Spuckt Putin uns Chinesen also auch hier in die Suppe, allen heiligen
       Versicherungen zum Trotz, dass Moskau China ein verlässlicher strategischer
       Partner sei? Der Verdacht verdichtete sich weiter, als diese Nachricht wie
       ein Lauffeuer durch Chinas soziale Netzwerke ging: Nordkorea, das Mitte
       Juni für Putin den roten Teppich ausgerollt hatte und ihn als den dicksten
       Freund Pjöngjangs (aufgepasst: nicht Chinas!) feierte, schaltet seine
       satellitengestützte Kommunikation vom chinesischen System auf ein
       russisches System um.
       
       Die Nutzung des Satellitensystems ist ein deutlicher Vertrauensbeweis. Bei
       den Russen, so das Signal, ist die Kommunikation in besseren Händen. Und
       damit fühlte sich bestätigt, wer schon vorher argwöhnte: Putin spannt uns
       Chinesen unseren letzten Partner aus, und zwar genau da, wo wir ihn am
       dringendsten brauchen – als Beißhund gegen Südkorea und Japan.
       
       Überraschend bleibt Zensur aus, selbst wenn manche Mutmaßungen in puncto
       Russland klar gegen die offiziöse Politik stehen. Grund dafür könnte sein,
       dass jetzt wenigstens keiner mehr die Arbeitslosigkeit thematisiert, die
       unter jungen und gebildeten Menschen wieder die Marke von 20 Prozent
       erreicht hat.
       
       13 Jul 2024
       
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