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       # taz.de -- AfD bei den Landtagswahlen: Wer zur Wahl steht
       
       > Die taz hat die Hintergründe von mehr als 150 AfD-Kandidat*innen
       > recherchiert. Einige stellen wir hier vor.
       
       Bei den Landtagswahlen im Herbst gelten Zugewinne für die AfD als sicher.
       Doch wer sind die Rechten, die in die Parlamente von Thüringen, Sachsen und
       Brandenburg einziehen wollen? Wir haben die Hintergründe von mehr als 150
       AfD-Kandidat:innen recherchiert und zeigen eine Auswahl.
       
       ## Thüringen 
       
       Das kleine Bundesland ist für die völkisch-nationalistische Strömung der
       AfD ein Rückzugsraum, in dem sie extrem rechte Forderungen und Konzepte
       erprobt und die Radikalisierung der Gesamtpartei maßgeblich vorangetrieben
       hat. 2015 gründete [1][Björn Höcke], der bei der Wahl am 1. September als
       Spitzenkandidat antritt, hier mit der Erfurter Resolution den völkischen
       Flügel. 
       
       Laut Verfassungsschutz ist die AfD in Thüringen klar rechtsextrem. Björn
       Höcke wurde wiederholt wegen SA-Parolen („Alles für Deutschland“)
       verurteilt. Zuletzt forderte er Säuberungen in der Justiz und sprach bei
       einer Rede davon, dass man in Deutschland auch gut mit 20 bis 30 Prozent
       weniger Menschen leben könne. Das Thüringer Wahlprogramm trägt den Titel
       „Alles für Thüringen“ – eine revisionistische Anlehnung an die Losung der
       SA. 
       
       Die meisten Politiker auf der Wahlliste sitzen entweder schon im Landtag
       oder sind Mitarbeiter der Partei. Die Nominierung der Kandidat:innen
       hatte im Vorfeld in einigen Wahlkreisen zu Streit geführt. [2][In
       Westthüringen etwa lehnte der Landesvorstand um Björn Höcke zwei
       Direktkandidaten ab, die von der dortigen Parteibasis korrekt gewählt
       wurden.] Der Landesvorstand wollte Neuwahlen durchsetzen, die beiden
       Kandidaten zogen dagegen erfolgreich vor Gericht. Das half ihnen allerdings
       nicht: Der Vorstand verweigerte eine notwendige Unterschrift, die AfD tritt
       in den Wahlkreisen nun ohne Direktkandidaten an. Aus der Partei kommt dazu
       heftige Kritik. Der Wartburger Bundestagsabgeordnete Klaus Stöber wirft
       Höcke öffentlich vor, „unliebsame Mitglieder mit Stasimethoden zu
       verunglimpfen“. Dafür droht Stöber jetzt der Parteiausschluss. 
       
       Für Felix Steiner, Sprecher der Mobilen Beratung in Thüringen, sind
       Geschichten wie diese ein Hinweis darauf, wie hierarchisch der
       Landesverband geführt wird. „Offensichtlich wird versucht, alles unter
       Kontrolle zu halten, damit es keine Skandale nach außen gibt. Auch bei der
       Auswahl der Kandidaten“, sagt Steiner. Die AfD Thüringen sei der „Vorreiter
       der Professionalisierung von Radikalität“. 
       
       ## Der Ermittler in eigener Sache
       
       Bereits seit 2019 sitzt Torsten Czuppon im Erfurter Landtag. Vor seiner
       Abgeordnetenkarriere war er Polizist, unter anderem als Gruppenführer der
       Thüringer Wasserwerferstaffel. Nachdem er rechtsextreme und
       geschichtsrevisionistische Beiträge in sozialen Medien geteilt und mehrfach
       T-Shirts der rechtsextremen Kleidungsmarke Thor Steinar getragen haben
       soll, wurde er in den Streifendienst versetzt.
       
       Einer dieser Vorfälle sorgte für einen langen Rechtsstreit, der gerade erst
       zu Ende gegangen ist: An einem Seminar der KZ-Gedenkstätte Buchenwald zum
       Thema „Geschichtsrevisionismus und Holocaustleugnung“ soll Czuppon 2017 im
       Thor-Steinar-Shirt teilgenommen haben. Als die Polizei ein
       Disziplinarverfahren einleitete, erstattete er Anzeige gegen zwei Zeugen
       und bearbeitete die Anzeigen auch noch selbst. Das Amtsgericht Erfurt
       verurteilte ihn im Juli 2022 zu einer hohen Geldstrafe: 150 Tagessätze,
       insgesamt 30.000 Euro wegen der Verfolgung Unschuldiger.
       
       Im Juni 2024 lehnte das Thüringer Oberlandesgericht die Revision ab, das
       Urteil ist damit rechtskräftig. Das Disziplinarverfahren wird nun wieder
       aufgenommen und kann für Czuppon mit der Entfernung aus dem Dienst enden.
       
       ## Die Social-Media-Aktivistin
       
       Wiebke Muhsal kandidiert auf Platz 3 der Landesliste, zudem ist sie
       Direktkandidatin für den Wahlkreis Saale-Holzland-Kreis II. Dort kandidiert
       auch der CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt. Von 2014 bis 2019 saß Muhsal
       schon einmal für die AfD im Thüringer Landtag. Ihre Abgeordnetenkarriere
       startete sie mit einem Betrug: Sie hatte den Arbeitsvertrag einer
       ehemaligen Mitarbeiterin in ihrem Wahlkreisbüro in Jena um zwei Monate
       vordatiert und bekam so zu Unrecht Geld aus dem Landtag. Ein Erfurter
       Gericht verurteilte sie zu 80 Tagessätzen à 100 Euro.
       
       In den sozialen Medien ist sie so erfolgreich wie niemand sonst bei der
       Thüringer AfD. Bei Tiktok und Instagram kommentiert sie regelmäßig
       politische Debatten und erzählt aus ihrem Alltag. Besonders engagiert ist
       sie in der Familien- und Bildungspolitik. Sie selbst hat Jura studiert und
       ist Mutter von fünf Kindern. Das nutzt sie auch für ihre politischen
       Botschaften: „Für mich ist die AfD die Partei für Frauen!“, schreibt sie
       auf Instagram, und „Echte Frauen braucht das Land.“
       
       ## Der Burschenschaftler
       
       Als Parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Landtagsfraktion ist Torben
       Braga Björn Höckes rechte Hand im Parlament. Zudem ist er Mitglied der
       Marburger Burschenschaft Germania, die Verbindungen zur rechtsextremen
       Szene hat. Vertreter der sogenannten Neuen Rechten haben bei der
       Burschenschaft Vorträge gehalten, darunter Mitglieder des mittlerweile
       aufgelösten Instituts für Staatspolitik (IfS). Braga war außerdem Sprecher
       des Verbands Deutsche Burschenschaft, der auch rechtsextreme
       Burschenschaften umfasst.
       
       Den Kontakt zur Thüringer Neonaziszene scheut Braga nicht: 2015 traf er
       sich mit der rechtsextremen Bürgerinitiative Wir lieben Meiningen zur
       „Vernetzung“, wie die Gruppe später auf Facebook schrieb. Im vergangenen
       Sommer zählte Braga zu den 15 Gästen des Berliner Ex-Finanzsenators Peter
       Kurth (ehemals CDU), der für ein Sommerfest prominente Köpfe der rechten
       und rechtsextremen Szene auf seiner Dachterrasse versammelt hatte.
       
       ## Der Büroleiter
       
       Robert Teske ist Björn Höckes Büroleiter und bei fast allen Terminen fest
       an der Seite des Landesvorsitzenden. Der Speditionskaufmann ist nach
       eigenen Angaben Fördermitglied des rechtsextremen Vereins Ein Prozent,
       lobt die Aktionen der Identitären Bewegung und trat zusammen mit dem
       Identitären-Kader Jonas Schick in einem Podcast auf. Bevor er in den
       völkisch dominierten AfD-Landesverband Thüringen wechselte, hatte Teske
       auch Kontakt zu Bremer Neonazis.
       
       Teske vertritt die neurechte Verschwörungsideologie vom „Großen Austausch“,
       forderte schon 2017 „Remigration“ und hält die BRD für ein
       „Unrechtsregime“. Als er noch in der Jungen Alternative Bremen war,
       posierte er bei einer USA-Reise mit Schusswaffen und „Grüßen“ an den Bremer
       Innensenator Ulrich Mäurer, der das Waffenrecht verschärfen wollte. Teske
       ist Direktkandidat im Kyffhäuserkreis, wo der völkische Flügel jahrelang
       seine Jahrestreffen abhielt. Die Prozesse gegen Höcke nennt er
       „Schauprozesse“.
       
       ## Der Reichsbürger
       
       Der pensionierte Arzt Wolfgang Lauerwald sitzt für die AfD seit 2019 im
       Landtag, aber ist auch fest in der Mischszene aus Neonazis, Reichsbürgern,
       und Rechtsrockern verankert. Im April 2024 nahm er in Gera an der
       Reichsbürger-Demo „25+1 Bundesstaaten“ teil, einem der größten Treffen der
       Szene überhaupt.
       
       25 Bundesstaaten hatte das deutsche Reich inklusive der Ostgebiete. Ebenso
       beanspruchen die Reichsbürger mit „+1“ das französische Elsaß-Lothringen.
       Auf der Demo wurde die derzeit für Terror angeklagte Reuß-Gruppe als
       „politische Gefangene“ bezeichnet und stolz eine Fahne des Fürstentums Reuß
       präsentiert. Und dann stimmten Teilnehmer auch noch das Horst-Wessel-Lied
       an, die verbotene Parteihymne der NSDAP.
       
       ## Die Zahnärztin, die Putin mag
       
       Corinna Herold sitzt seit 2014 im Thüringer Landtag und ist Unterzeichnerin
       der Erfurter Resolution. Die Zahnärztin trägt gerne Pelzmäntel und
       verbindet eine bürgerliche Fassade mit rechtsextremem Gedankengut. Bis
       heute ist sie Mitglied in der geschlossenen Facebook-Gruppe Bürgerwehr
       Untersuhl, Gerstungen und Umgebung, die unter anderem vom ehemaligen
       NPD-Kader Andreas Niebling organisiert wird. Aber auch zahlreiche weitere
       Neonazis aus der gesamten Bundesrepublik sind in der Gruppe vernetzt und
       hetzten darin mit Gewaltfantasien gegen Migrant:innen.
       
       Als Landtagsabgeordnete forderte Herold von der Landesregierung Statistiken
       darüber, wie viele Homo- und Bisexuelle sowie trans Personen im Freistaat
       Thüringen leben. Auf Facebook teilt sie Reden von Wladimir Putin und
       bekennt sich „stolz“ zu den Reichsbürgern der Gruppierung Freies Thüringen.
       
       ## Sachsen 
       
       Mühe, sich vom ganz rechten Rand abzugrenzen, [3][gibt sich bei der
       sächsischen AfD niemand]. Ihre Politiker:innen sprechen seit Jahren
       immer wieder auf Pegida-Demonstrationen, obwohl die Organisation auf der
       Unvereinbarkeitsliste der AfD steht, sie verbreiten
       völkisch-nationalistische Hetze und nutzen extrem rechte Kampfbegriffe wie
       den der „Remigration“ oder einer drohenden „Umvolkung“. 
       
       Seit Dezember 2023 gilt die sächsische AfD dem Landesverfassungsschutz als
       „gesichert rechtsextrem“. Dagegen klagt die Partei zwar, geschadet hat ihr
       die Einstufung allerdings nicht. Landeschef Jörg Urban selbst verweist
       seitdem auf steigende Mitgliederzahlen und mehr Spenden. Der AfD ist der
       Stempel wohl ganz recht, muss sie sich in Sachsen doch von einer CDU
       abgrenzen, die mit ihrem Law-and-Order-Kurs, der Forderung nach weniger
       Geflüchteten und der Nähe zu Russland inhaltlich nicht gerade Abstand nach
       rechtsaußen wahrt. 
       
       Sächsische Wähler:innen entscheiden sich dennoch lieber für das
       Original. Alle Umfragen der vergangenen zwölf Monate sehen die AfD als
       stärkste Kraft bei der Landtagswahl am 1. September. Auch bei den jüngsten
       Zahlen vom Juni liegt sie mit 30 Prozent einen Punkt vor der CDU. „Dass die
       AfD in Sachsen offen rechtsextrem ist, hält offenbar niemand davon ab, sie
       zu wählen“, sagte Michael Nattke, Geschäftsführer des Kulturbüro Sachsen,
       der taz. 
       
       ## Der systemfeindliche Anführer
       
       Jörg Urban ist seit 2018 Landesvorsitzender der AfD Sachsen. Er kandidiert
       auf Listenplatz 1 und als Direktkandidat im Wahlkreis Bautzen 5. Urban
       sitzt seit 2014 im Landtag und gilt als Sympathisant des völkischen
       Flügels. Mehrfach trat er bei Pediga-Demonstrationen auf und besuchte
       einmal das ehemalige Institut für Staatspolitik des neurechten Vordenkers
       Götz Kubitschek.
       
       Urban sprach von einem drohenden „Bevölkerungsaustausch“ und von
       „tonangebenden Globalisten in Politik, Medien und Konzernen“, womit er
       antisemitisch konnotierte Verschwörungsideologien bediente.
       
       Auf Facebook schrieb Urban 2018: „Auch das derzeitige Regime werden wir mit
       Hilfe der vernünftig denkenden Menschen zum Einsturz bringen!“ Er äußerte
       sich rassistisch darüber, dass das Volk „weitgehend homogen“ bleiben solle.
       In einer Rede auf einer prorussischen „Friedensdemo“ Anfang 2023 in Dresden
       geißelte Urban die „ukrainische Kriegsmaschinerie“.
       
       ## Der Bodyguard
       
       Arthur Österle ist Direktkandidat für den Wahlkreis Erzgebirge 5. Im August
       2020 war er beim Sturm auf den Reichstag in Berlin dabei. Österle sprach in
       Bezug darauf von einem „Missverständnis“. 2018 war er Chefordner und
       Einheizer bei Aufmärschen des Bündnisses Pro Chemnitz. Von ihnen gingen
       rassistische Gewalttaten aus.
       
       Ein Foto zeigt ihn im gleichen Jahr bei einer Demonstration der
       neonazistischen Kleinstpartei III. Weg. Ebenfalls seit 2018 ist er
       AfD-Mitglied. Bereits 2019 kümmerte sich Österle beim Bundesparteitag der
       AfD um die „Security“ und ist aktuell der stellvertretende
       Sicherheitsbeauftragte des sächsischen Landesverbands.
       
       ## Der Rechtsaußenanwalt
       
       Der Leipziger Strafverteidiger Roland Ulbrich ist selbst der AfD zu rechts.
       Dennoch wurde er im Wahlkreis Nordsachsen 1 als Direktkandidat auserkoren.
       2019 zweifelte er an, dass der antisemitische Anschlag in Halle auf die
       Ermordung der Betenden abzielte und fragte: „Was ist schlimmer: eine
       beschädigte Synagogentür oder zwei getötete Deutsche?“ Die Bonner
       Studentenverbindung Corps Rhenania warf das langjährige Mitglied daraufhin
       raus.
       
       In der AfD bremste das seine Karriere nicht. 2019 zog er in den sächsischen
       Landtag ein, wurde Stadtrat in Leipzig und später Vize des
       Bundesschiedsgerichts der AfD. Im Januar 2024 trat er von dem Posten
       zurück, nachdem herauskam, dass er sich in einem Eilbeschluss auf das
       nationalsozialistische Reichsbürgergesetz von 1935 bezogen hatte – eines
       der antisemitischen Nürnberger Rassengesetze. Die Partei strebte danach
       einen Ausschluss an. Ulbrich kam einem Rauswurf aus der Fraktion mit seinem
       Austritt zuvor. Parteimitglied ist er geblieben.
       
       ## Der Soldat
       
       André Wendt sitzt seit 2014 im Landtag, seit 2019 ist er dessen zweiter
       Vizepräsident. Jetzt steht der Berufssoldat auf Listenplatz 4 und als
       Direktkandidat im Wahlkreis Dresden 4 erneut zur Wahl. Für Empörung sorgte
       2017 eine seiner Anfragen, in der er sich nach den Kosten für die
       Sterilisation für „unbegleitete minderjährige Ausländer“ erkundigte. 2018
       befürchtete er: „Homosexuelle aus aller Welt dürfen an unsere Sozialtöpfe.“
       
       Im gleichen Jahr sprach er von einer „rechtswidrigen Flutung Europas,
       Deutschlands und Sachsens mit Millionen Menschen, darunter viele
       Analphabeten, Kriminelle, Antisemiten, Islamisten, Vergewaltiger,
       Messerstecher und Armutsmigranten“. Wendt nahm an mehreren
       Auslandseinsätzen der Bundeswehr teil und wurde mit deren Ehrenkreuz
       ausgezeichnet.
       
       ## Der Journalist mit dem SS-Symbol
       
       Andreas Harlaß ist Direktkandidat im Wahlkreis Dresden 2. Der Journalist
       ist Sprecher der AfD Sachsen und Mitglied im Landesvorstand. Harlaß schrieb
       jahrelang für die Bild-Zeitung und die Junge Freiheit (JF). In einer
       JF-Kolumne zählte er 2014 Argumente dafür auf, dass der deutsche Überfall
       auf Polen 1939 nicht als „heimtückisch“ zu bezeichnen sei, weil er einem
       polnischen Angriff zuvorgekommen sei.
       
       In einem Facebook-Post schrieb er mutmaßlich in Bezug auf Muslime von
       „primitiven Menschen“. Harlaß wurde daraufhin von einem Kritiker als
       Neonazi und Anhänger der NS-Rassentheorie bezeichnet. Er klagte auf
       Unterlassung, das Amtsgericht Dresden wies den Antrag ab.
       
       Nach dem antisemitischen Attentat auf eine Synagoge in Halle schrieb
       Harlaß: „Der Psycho von Halle hat Deutsche erschossen, keine Semiten.“
       AfD-Chef Tino Chrupalla bezeichnete das später als „inakzeptablen
       Einzelfall“. Immer wieder tauchten bei Harlaß Symbole mit Bezug zum
       Nationalsozialismus auf: Auf einem Bild, das er selbst postete, ließ sich
       beispielsweise die Schwarze Sonne erkennen, ein SS-Symbol. Auch zeigte
       Harlaß sich in einem Poloshirt aus dem Versandhandel der neonazistischen
       Organisation Artgemeinschaft.
       
       ## Brandenburg 
       
       Der Landesverband der Brandenburger AfD gehört von jeher zu den
       radikalsten. Das hat auch mit ihrem früheren Vorsitzenden [4][Andreas
       Kalbitz] zu tun, einst enger Verbündeter von Björn Höcke. Als im Jahr 2020
       Fotos von ihm in einem Zeltlager des verbotenen Vereins Heimattreue
       Deutsche Jugend auftauchten, wurde er aus der Partei geworfen. 
       
       In der AfD-Landtagsfraktion saß er dennoch bis zuletzt als Parteiloser –
       die Fraktion änderte dafür eigens die Geschäftsordnung. Nach der Wahl am
       22. September ist damit Schluss: Kalbitz wurde nicht mehr auf die
       Landesliste gewählt oder für ein Direktmandat nominiert, er hat es sich mit
       persönlichen Verfehlungen und seinem aggressiven Stil inzwischen mit zu
       vielen in der Partei verscherzt. 
       
       Weniger radikal geworden ist der Landesverband dadurch nicht. Inzwischen
       führt Hans-Christoph Berndt die Landtagsfraktion, den Kalbitz einst in die
       Partei holte. Offensiv knüpfte er Netzwerke in die rechtsextreme Szene.
       Landeschef ist René Springer, früher Referent von Parteigründer Alexander
       Gauland. Auch er hat keine Probleme mit Radikalen, beschäftigt einen
       früheren Identitären als Mitarbeiter. Er erklärte, seine Partei werde
       „Ausländer in ihre Heimat zurückführen, millionenfach“ – das sei „kein
       Geheimplan, das ist ein Versprechen“. 
       
       Berndt und Springer wollen die AfD professioneller aufstellen – und haben
       sich damit zunächst gegen das vormalige Kalbitz-Lager durchgesetzt, das
       Konflikte auch offen austrug. „Der Landesverband war lange gespalten,
       allerdings in zwei gleichermaßen rechtsextreme Fraktionen“, erklärt
       Christoph Schulze, Mitarbeiter am Moses Mendelssohn Zentrum für
       europäisch-jüdische Studien. 
       
       Die Brandenburger AfD bleibe damit „als Gesamtorganisation weiter klar auf
       rechtsextremem Kurs“. Der Verfassungsschutz hat den Landesverband als
       rechtsextremen Verdachtsfall eingestuft, einzelne Funktionäre als gesichert
       rechtsextrem. 
       
       ## Der Netzwerker
       
       Schon 2015 stand Hans-Christoph Berndt, einst Labormediziner und
       Personalratsvorsitzender an der Charité Berlin, auf der Straße. Mit dem von
       ihm mitgegründeten Verein Zukunft Heimat demonstrierte er in seiner
       Heimatstadt Golßen in der Lausitz gegen Unterkünfte für Geflüchtete – und
       vernetzte sich früh in der rechtsextremen Szene. Berndt sprach als Redner
       bei Pegida in Dresden, saß auf Podien beim rechtsextremen Compact-Magazin
       und dem Institut für Staatspolitik von Götz Kubitschek. 2019 zog Berndt für
       die AfD in den Landtag ein und wurde kurz darauf direkt Fraktionschef.
       
       Heute ist Berndt Spitzenkandidat zur Landtagswahl – und Einpeitscher. Auf
       Reden ätzte Berndt über eine „Invasion“ von Migranten und einen
       „multikriminellen Sumpf“ oder dass man diejenigen „verjagen“ müsse, die
       „Heimat und Identität zerstören“. Der Verfassungsschutz hat Berndt schon
       länger als gesichert rechtsextrem eingestuft.
       
       ## Der Nachwuchs-Neurechte
       
       Seine Nähe zu den Identitären oder Pegida versteckte Jean-Pascal Hohm nie.
       „Wir sind Teil einer Bewegung“, erklärte er schon 2017 – und zählte neben
       der AfD die beiden rechtsextremen Initiativen dazu. Hohm organisierte
       Anti-Merkel-Demos in Brandenburg, machte für das rechtsextreme Netzwerk Ein
       Prozent Videos und Infostände. Bei Pegida in Dresden trat er als Redner
       auf, reiste bis nach Italien zum neofaschistischen „Casa Pound“-Projekt in
       Rom.
       
       2014 war Hohm, damals als 17-jähriger Gymnasiast, Mitgründer und
       Vorsitzender der Jungen Alternative in Brandenburg. Später beschäftigte ihn
       die Brandenburger AfD-Fraktion als Mitarbeiter – bis Hohm 2017 bei einem
       Fußballspiel mit rechtsextremen Hooligans gesehen wurde und ihn die
       Fraktion auf öffentlichen Druck hin rauswarf. Der Kontakt aber blieb: Wenig
       später dockte Hohm wieder als Mitarbeiter eines Abgeordneten an.
       
       Zudem ist er AfD-Vorsitzender in seiner Heimat Cottbus – und in der Region
       regelmäßiger Redner auf Demonstrationen, wo er eine „konsequente
       Remigration“ fordert. Gleichgesinnte forderte er auf: „Werdet wehrhaft und
       bildet Gemeinschaft, um euch im Ernstfall verteidigen zu können.“ Mit
       Listenplatz 9 dürfte Hohm der Einzug in den Landtag sicher sein. In der AfD
       ist er bestens vernetzt und könnte dort noch Karriere machen.
       
       ## Der Dauerdemonstrant
       
       Seit 2019 sitzt Lars Günther für die AfD im Landtag, auf der Straße stand
       er schon vorher. Bereits 2014 tauchte der frühere Security-Mann bei den
       rechtsoffenen „Friedensmahnwachen“ in Berlin auf. Dort lernte er Jürgen
       Elsässer kennen und arbeitete später bei dessen rechtsextremem
       Compact-Magazin, als persönlicher Assistent der Geschäftsführung. Vor allem
       aber organisierte Günther Demonstrationen: erst „Merkel muss weg“-Proteste,
       bei denen teils auch die NPD mitmischte, später dann Demos gegen die
       Coronamaßnahmen.
       
       Auch als die Polizei 2020 einen Querdenker-Protest vor dem Bundestag mit
       Wasserwerfern auflöste, war Günther dabei. Zuletzt sorgte eine
       AfD-Wahlkampfveranstaltung von ihm in einem Schülerklub in Bad Freienwalde
       für Wirbel. Der CDU-Bürgermeister hatte die Veranstaltung gegen den Willen
       der Schule durchgesetzt. Vor der Tür gab es Anti-AfD-Proteste, drinnen
       verteilte Günther „Remigration? Na klar!“-Sticker. Der Verfassungsschutz
       stuft auch ihn als erwiesenen Rechtsextremisten ein.
       
       ## Der Parteienwechsler
       
       Im Sommer 2023 trat Falk Janke in der Kreisstadt Seelow im Oderbruch als
       Bürgermeisterkandidat der AfD an, unterlag aber deutlich gegen den
       parteilosen Kandidaten. Es war eine von zahlreichen Etappen in Jankes
       langer politischer Karriere. In den 1990er Jahren war er kommunalpolitisch
       für die CDU tätig, 2001 ging er zur Schill-Partei.
       
       Bei deren Nachfolgepartei Offensive D wurde Janke Brandenburger
       Landesvorsitzender. 2005 gründete er eine eigene Wählervereinigung mit dem
       Namen Die Rechte – Mut zur Wahrheit. In der Seelower
       Stadtverordnetenversammlung bildete diese Wählervereinigung mit der CDU
       eine gemeinsame Fraktion. Im Kreistag schloss sich Janke mit der
       rechtsextremen DVU zusammen.
       
       Sein Antrag, in die damals neue AfD-Fraktion aufgenommen zu werden, wurde
       2014 aufgrund seiner rechtsextremen Umtriebe noch abgelehnt. 2017 durfte er
       dann doch zur AfD wechseln. Bei der Landtagswahl tritt er als
       Direktkandidat im Wahlkreis Märkisch-Oderland IV an.
       
       ## Der Szenetreffbetreiber
       
       Der Bunker 38 im Spremberger Ortsteil Schwarze Pumpe war in den 2000er
       Jahren einer der wichtigsten Szenetreffpunkte für Neonazis in Brandenburg.
       Bei einem Polizeieinsatz im Jahr 2008 wurden die Personalien von 84
       Personen aufgenommen, von denen laut Polizei mehr als die Hälfte bereits
       mit rechtsextremen Delikten aufgefallen war. Eigentümer des Bunker 38 war
       Michael Hanko. Der gut vernetzte Spremberger Unternehmer saß damals als
       Parteiloser im Ortsbeirat und setzte sich dort für die Neonazis ein.
       
       2018 trat Hanko in die AfD ein, 2019 zog er für die Partei in den
       Brandenburger Landtag ein. Nun tritt er im Wahlkreis Spree-Neiße II als
       Direktkandidat an. Seine Chancen stehen gut, schon 2019 konnte er diesen
       Wahlkreis mit 35,9 Prozent der Stimmen gewinnen. Neben seiner
       parteipolitischen Tätigkeit ist Hanko Vorsitzender der Spremberger
       Schießleistungsgruppe.
       
       Mitarbeit: Luisa Ederle, Annika Glunz, Friederike Gräff, Heike
       Holdinghausen, David Muschenich, Konstantin Nowotny, Linda Nunn, Nathan
       Pulver, Johanna Treblin, Lilli Uhrmacher, Laura Verseck. Mit Hinweisen des
       Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin (apabiz),
       Rechercheportal Jena-Saale-Holzland-Kreis und Ostthüringer Divan.
       
       12 Jul 2024
       
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