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       # taz.de -- Staatenlos in Deutschland: Nicht mal mehr geduldet
       
       > Sein ganzes Leben hat Robert A. in Deutschland verbracht. Jetzt soll der
       > 31-Jährige abgeschoben werden – in ein Land, in dem er noch niemals war.
       
   IMG Bild: Abschiebungen können auch in letzter Minute gestoppt werden
       
       Berlin taz | Als Robert A. acht Monate alt war, kam er mit seinen Eltern
       nach Deutschland. Jetzt soll der 31-Jährige nach Serbien abgeschoben werden
       – ein Land, in dem er noch nie war und dessen Sprache er nicht spricht.
       Nach Informationen des sächsischen Flüchtlingsrats sitzt A. seit Freitag in
       der Abschiebehaftanstalt in Dresden. Voraussichtlich am Dienstag soll er
       nach Serbien abgeschoben werden.
       
       Robert A.s Eltern waren 1993 vor dem Jugoslawienkrieg geflohen, zunächst in
       die Niederlande, wo A. unter anderem Namen geboren wurde, dann nach
       Deutschland. Seine Kindheit verbrachte er in einer Geflüchtetenunterkunft
       in Aue im Erzgebirge. Als Jugendlicher kam er nach Chemnitz, beendete
       Schule und Ausbildung zum medizinischen Bademeister und Masseur. So erzählt
       Dave Schmidtke vom sächsischen Flüchtlingsrat A.s Geschichte. „Danach bekam
       er mehrere Arbeitsangebote, aber die Ausländerbehörde verweigerte ihm jedes
       Mal aufs Neue die Arbeitserlaubnis.“ Sein Leben lang habe er nur eine
       Duldung gehabt.
       
       Für Grünen-Politikerin Coretta Storz, die Robert A. am Freitag zu einem
       regulären Termin in der Ausländerbehörde begleitete, kam die Inhaftierung
       vollkommen unerwartet. „Wir haben uns noch gefreut, dass wir so schnell
       drankamen“, so Storz. Die Sachbearbeiterin habe die beiden gebeten, noch
       einmal Platz zu nehmen. „Dann wurden wir wieder ins Amtszimmer gerufen und
       unmittelbar hinter uns folgten zwei Polizisten, die gesagt haben, dass sie
       Robert mit in Abschiebehaft nehmen.“ Robert A. habe Storz gerade noch die
       Nummer seines Anwalts durchgeben können, selbst anrufen durfte er in der
       Behörde nicht mehr, so Storz. Noch am selben Tag ordnete das Amtsgericht
       Dresden Abschiebehaft an.
       
       ## Ringen um eine Identität
       
       Eigentlich hätte Freitag der Start in ein neues Leben sein sollen. Denn
       Robert A. hatte es nach jahrelangem Bemühen geschafft, eine niederländische
       Geburtsurkunde auf seinen richtigen Namen ausgestellt zu bekommen.
       [1][Damit war seine Identität geklärt], was die Ausländerbehörde laut
       Schmidtke als Bedingung für seine Arbeitserlaubnis stellte. Die hätte er am
       Freitag bekommen können. Aber mit der geklärten Identität stand für die
       Behörde auch der Weg in seine Abschiebung offen.
       
       „Viele Kinder von Roma, die aus dem ehemaligen Jugoslawien stammen, sind
       von Abschiebungen betroffen’’, sagt Petra Čagalj Sejdi, die sich beim
       Landesverband der Sinti und Roma in Sachsen Romano Sumnal engagiert und für
       die Grünen im Sächsischen Landtag sitzt. „Dabei haben sie nicht mal
       serbische Papiere und ihr ganzes Leben in Deutschland verbracht“, so Čagalj
       Sejdi. „Robert ist kein Geflüchteter, er kennt nichts anderes als das Leben
       in Deutschland.“ So sieht es auch das Bundesverfassungsgericht, das
       Menschen wie Robert A. als faktische Inländer bezeichnet und in einem im
       Mai veröffentlichten Beschluss [2][ihr Recht auf Aufenthalt stärkt].
       
       Im Mai erhielt A. ein Jobangebot als Projektmitarbeiter bei Romano Sumnal –
       auch das konnte er bislang nicht antreten, weil die Arbeitserlaubnis
       fehlte. Der sächsische Flüchtlingsrat will am Montag einen Härtefallantrag
       stellen, damit sein Fall erneut verhandelt wird. Dem könnte laut
       Flüchtlingsrat im Weg stehen, dass A. wegen eines Drogendelikts verurteilt
       wurde. „Das ist das Resultat der erbarmungslosen Praxis der
       Ausländerbehörde“, sagt Schmidtke. „Ihm wurde konsequent der Weg in den
       regulären Arbeitsmarkt verbaut.“
       
       Für Montagnachmittag ist eine Solidaritätskundgebung vor der
       Abschiebehaftanstalt in Dresden geplant. Eine [3][Petition, die Schmidtke
       initiierte], bekam bis Sonntagmittag rund 14.000 Unterschriften.
       
       15 Jul 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Einbuergerung-von-staatenlosen-Menschen/!5946033
   DIR [2] https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2024/04/rk20240418_2bvr002924.html
   DIR [3] https://innn.it/robert-bleibt-30-jahre-aufenthalt-in-deutschland-stoppt-die-abschiebung-von-robert-a
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Franziska Schindler
       
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