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       # taz.de -- Berlusconi, Orban, Putin: Wer den Schuss gehört hat
       
       > Eins gegen eins bei den Grünen, Platz zwei für die FDP bei der CDU, ein
       > Spiel dauert 119 Minuten. Und gewinnen kann Trump wenigstens nur eine
       > Wahl.
       
   IMG Bild: Baerbock, Habeck – und ein echter Kanzler
       
       taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche? 
       
       Friedrich Küppersbusch: [1][Anschlag auf Donald Trump]
       
       Und was wird besser in dieser? 
       
       Mehr als eine Wahl kann er nicht gewinnen.
       
       Am Sonntagabend geht die Fußball-EM der Männer in Deutschland zu Ende. Ihr
       Resümee? 
       
       War schön gewesen! „England ist eine Turniermannschaft“, „ein Spiel dauert
       119 Minuten“ und viele Abende kam Spannendes im Fernsehen. Das war
       erfrischend und neu. Gute Gastgeber sollten schon mithalten, und dann so
       unglücklich wie ehrenhaft ausscheiden. Alles gut. Den Geist moralischer
       Überfrachtung haben die Verbände mit Armbinden, allerlei
       Tolle-Haltung-Parolen und Gratismoral aus der Flasche geholt, jetzt gibt’s
       [2][Wolfsgruß] und tumben Nationalismus retour. Seht mal zu, wie ihr das
       vom Feld holt. Trotz der Petition „Die Welt zu Gast bei schlechten
       Verlierern“ wird es nicht als Jammermärchen in Erinnerung bleiben. Das mach
       ich wie der Schiri: Hab ich einfach nicht gesehen.
       
       Annalena Baerbock verzichtet auf eine Kanzlerkandidatur für die Grünen. Sie
       hat, sagte sie CNN, genug als Außenministerin zu tun. Gibt es in der
       klassischen Rhetorik eine Bezeichnung für diesen Move? 
       
       In Paul Watzlawicks Klassiker „Anleitung zum Unglücklichsein“ beschreibt er
       eine Szene, wo jemand aus lauter befürchteter Zurückweisung selber
       gegenaggressiv wird. Der Protagonist will ein Bild aufhängen, fantasiert
       allerhand Widrigkeiten und klingelt schließlich schäumend beim ahnungslosen
       Nachbarn: „Ich brauch deinen Scheißhammer nicht!“ Nun sind die Grünen nicht
       gerade ahnungslos, dass eine KandidatInnenfrage auf sie zukommt, und
       informell galt eh als ausgemacht, dass als nächster Robert Habeck die
       Wahlplakate tapeziert. Baerbock umflort ihre unverlangte Absage mit den
       „Krisenzeiten“, in denen „mehr Diplomatie“ gefordert sei. Das ist zunächst
       bemerkenswert für eine Außenministerin, die seit dem russischen Überfall
       auf die Ukraine monatlich dekretiert, da gebe „es nichts zu verhandeln“.
       Dann befremdet der Gedanke, ein Wirtschafts- und erst recht
       Klimaministerium hätte unter Konjunktureinbruch und Klimabedrohung
       eigentlich eher Feierabendcharakter. In der ästhetischen Gestalt
       schließlich ist ein Interview auf Englisch bei CNN ungefähr das Gegenteil
       von Habecks damals persönlichem „Die Bühne gehört dir, Annalena.“ Vulgo:
       Baerbock fällt es schwer, dass vorerst Habeck gewonnen hat, wovon beide
       zusammen aber nicht mehr soviel übrig gelassen haben.
       
       Anna von Treuenfels-Frowein, das [3][„bekannteste Gesicht der Hamburger
       FDP“ (taz)] wechselt zur CDU. Zuvor hatte bereits die grüne
       Bundestagsabgeordnete Melis Sekmen aus Mannheim zu den Schwarzen
       rübergemacht. Einzelfälle oder ein Trend? 
       
       Gottes unergründlicher Humor, dass so jemand „Treuenfels“ heißt. 2010
       leitete sie die Kampagne gegen die Hamburger Schulreform und zerschoss
       damit die bundesweit erste Schwarz-Grüne Koalition auf Länderebene. Das
       scheint ihr die CDU nicht so richtig übel zu nehmen. Als Begrüßungsgeld
       prahlt sie mit der Zusage für Platz zwei auf der nächsten
       CDU-Bürgerschaftswahlliste. Das verdirbt die Preise; die Grüne Melis Sekmen
       muss ihr Bundestagsmandat mitbringen und erwähnt keine Zusagen der Union.
       Mit dem BSW sitzt eine zehnköpfige Gruppe im Bundestag, die als solche nie
       jemand gewählt hat. Das muss kein aktueller Trend sein; aus der FDP trat
       ein Vorsitzender wegen Brandts Ostpolitik aus, ein Generalsekretär wegen
       Kohls Wende. Drückt ein Wechsel Überzeugung aus, arbeitet er gegen die
       Erzählung „Die da oben sind eh alle korrupt“. Die beiden aktuellen Fälle
       lassen da Deutungsspielraum. Man wünscht sich oft, dass PolitikerInnen nur
       ihrem Gewissen folgen. Dann wieder, dass sie eins hätten.
       
       Ein Mailänder Flughafen heißt jetzt nach Silvio Berlusconi. Kann man daran
       Kritik üben aus einem Land mit einem Franz-Josef Strauß-Airport? 
       
       Nein, das war Notwehr. Wenn die regierenden Postfaschisten entschieden,
       gäbe es da noch einen berühmten Italiener, der mal mausetot kopfüber von
       einem Mailänder Tankstellendach hing. Lokalkolorit. Mussolini.
       
       Warum kann sich Ministerpräsident Orbán (das) alles erlauben, ohne dass die
       EU Ungarn rauswirft? 
       
       Orbán meint: Weil er der einzige sei, der mit allen reden könne. Also
       Ukraine, Russland, China. Daran ist eigentlich nur blöd, dass er recht hat.
       
       Angriff auf die Kinderklinik in Kyjiw, Anschlagspläne gegen
       Rheinmetall-Chef Papperger: Geht Putin gerade eine Eskalationsstufe höher? 
       
       Die Bewertung hiesiger Medien ist: Ja. Das sagt nichts darüber aus, ob es
       so ist. Oder zum Beispiel schlimmer.
       
       Und was macht der RWE? 
       
       Präsentiert ein neues, traditionsrotes Saisontrikot. Die Kontinuität ist,
       gut, weil man die meisten Spieler, die drin stecken, noch nicht kennt.
       
       14 Jul 2024
       
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