URI: 
       # taz.de -- Debatte um Zentral- und Landesbibliothek: Sehnsuchtsort Friedrichstraße
       
       > Berlins Bibliotheksszene und CDU-Kultursenator Joe Chialo lassen nicht
       > locker und werben weiter für einen Umzug der ZLB in die Galeries
       > Lafayette.
       
   IMG Bild: Shopping ade: Die Galeries Lafayette machen zum Ende des Monats dicht
       
       Berlin taz | Echte Weltstädte wie Tokio, Mexiko-Stadt oder New York
       verfügen über glanzvolle Bibliotheken, untergebracht in spektakulären
       Gebäuden, die wirklich etwas hermachen. Mit solchen Bibliotheken lässt sich
       auch hervorragend demonstrieren, dass einem Wissen und Bildung etwas
       bedeuten.
       
       Volker Heller, Direktor der Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB),
       macht klar, was er dagegen von den Örtlichkeiten hält, über die er verfügen
       darf. „Unwürdig für Berlin“, nennt er sie. Sie seien zu klein, und von den
       defizitären sanitären Anlagen wolle er lieber gar nicht erst sprechen. Das
       geplatzte Regenwasserrohr, das in der vergangenen Woche nach Starkregen in
       einem Magazin [1][im Keller des ZLB-Standorts an der Breiten Straße in
       Mitte einen Wasserschaden] verursachte, packt er mit auf seine Mängelliste.
       
       Es ist eine bemerkenswerte Gesprächsrunde, zu der die bei einer
       Veranstaltung in der Akademie der Künste am Montag geladen hatte und bei
       der über eine Lösung für Volker Hellers Probleme diskutiert wird. Konkret
       geht es auch hier um die offensichtlich perfekte Lösung: [2][den Umzug der
       kompletten Zentral- und Landesbibliothek in den gläsernen Prachtbau der
       Galeries Lafayette in der Friedrichstraße]. Die Luxuskaufhauskette, die ihr
       Stammhaus in Paris hat, wird Ende des Monats ihren Standort in Berlin
       schließen.
       
       Was mit dem Haus danach geschehen soll, ist nach wie vor unklar. Dabei
       kursiert seit bald einem Jahr der Vorschlag von Kultursenator Joe Chialo
       (CDU), in dem Gebäude mit den markanten Glasfassaden die ZLB
       unterzubringen. Die bisherigen Standorte, die Amerika-Gedenkbibliothek in
       Kreuzberg und die Stadtbibliothek in der Breiten Straße in Mitte, würden
       dann an einem neuen Haus in Bestlage vereint werden.
       
       ## Kultursenator wird gefeiert wie ein Popstar
       
       Dass die Idee dazu gar nicht von Chialo kommt, sondern von Volker Heller,
       wie in der Akademie deutlich wird, ist letztlich unerheblich. Chialo hat
       sie sich lautstark zu eigen gemacht und trommelt öffentlich für sie. Im
       Veranstaltungsraum der AdK, der aufgrund des großen Publikumsinteresses aus
       allen Nähten platzt, wird er dafür gefeiert wie ein Popstar. Die Frage an
       dem Abend ist dann auch weniger, ob der angepeilte Umzug wirklich eine so
       gute Idee ist. Sondern vielmehr, ob und wann diese umgesetzt werden kann.
       
       So lässt AdK-Vizepräsident Anh-Linh Ngo wenig versteckt durchblicken, dass
       er und seine Institution zumindest bei diesem Punkt voll und ganz hinter
       Chialo stehen. Der tosende Applaus aus dem Auditorium, mit dem der
       Kulturpolitiker der CDU bedacht wird, lässt keinen Zweifel daran, dass auch
       die Besucher und Besucherinnen den Umzug vollauf unterstützen. Kritischen
       Künstlern und Künstlerinnen gilt Chialo als jemand, der sich lieber für die
       Kulturwirtschaft einsetzt als für nicht kommerziell ausgerichtete Orte.
       Hier hat er die Leute auf seiner Seite.
       
       Die AdK hatte sich für ihr Gesprächsformat eine ungewöhnliche Form
       überlegt. Es gibt nicht die übliche Podiumsdiskussion. Stattdessen
       schreitet Anh-Linh Ngo mit seinen Gesprächspartnern, einem nach dem
       anderen, eine Art Catwalk in der Mitte des Raums entlang. Immer wieder
       symbolträchtig hin zu einem Miniaturmodell der Galeries Lafayette. Und
       wieder zurück. Und wieder hin. Als Betrachter dieser Performance soll man
       wohl den Eindruck gewinnen, einem spontanen Zwiegespräch lauschen zu
       dürfen.
       
       Chialo berauscht sich bei seinem Spaziergang mit Ngo an seiner eigenen
       Idee. Einen Ort, der „Diskursräume“ herstelle, wünsche er sich an der
       prominenten Adresse in der Friedrichstraße. Alte Damen, die hier häkeln und
       stricken, Akzeptanz bei der migrantischen Community, Kids, die hier etwas
       über KI lernen können: Das alles stelle er sich vor. Er spricht von einem
       „Ort des Seins“, den er im Sinn habe und an dem nicht konsumiert werden
       müsse wie überall sonst auf der Friedrichstraße.
       
       Auch Volker Heller legt noch einmal dar, wie sehr er einen Umzug
       herbeisehnt. Die 35.000 Quadratmeter Fläche, die ihm am Standort Galeries
       Lafayette zur Verfügung stünden: „Passt perfekt.“ Das großzügige
       Tageslicht, das das rundum verglaste Gebäude bietet: „ideal für eine
       Bibliothek“. Und er stellt in Aussicht, dass sich die Anzahl der Besucher
       und Besucherinnen seiner Institution an einem weit attraktiveren Ort als
       bislang bestimmt verdoppeln ließen.
       
       ## Chialo sieht allerorts Unterstützer für den ZLB-Plan
       
       Chialo behauptet, nicht nur er und seine Senatsverwaltung für Kultur
       wollten den Umzug. Auch der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) fände
       die Idee toll. Die meisten Parteien auch, und der Koalitionspartner SPD
       wahrscheinlich ebenfalls. [3][Tatsächlich hört man nicht zuletzt von
       führenden Sozialdemokraten etwas komplett anderes.] Chialo gibt sich
       wacker. Man sei da noch im Gespräch.
       
       Selbst Berlins oberster Kassenwart, Finanzsenator Stefan Evers (CDU), sei
       laut Chialo prinzipiell auf Linie. Evers hätte da nur noch ein kleines
       Problem – und zwar die Kosten, die angesichts klammer Haushaltskassen in
       Berlin schmerzlich sein könnten.
       
       Bislang hieß es, der Eigentümer des Gebäudes der Galeries Lafayette, die
       US-Immobilienfirma Tishman Speyer, [4][wolle knapp 600 Millionen Euro
       heraushandeln]. Alles Schnee von gestern, lautet nun die frohe Kunde von
       Chialo: „Wir sind auf jeden Fall unter der Zahl.“ Ohne dabei freilich eine
       neue zu nennen.
       
       Folgt man Chialo, ist die Zustimmung für den Umzug also riesig. Billiger
       als gedacht soll er auch werden. Ein Traum könnte Realität werden. Doch man
       müsse sich jetzt entscheiden, so Chialo. Sonst könnte eine einmalige
       Möglichkeit ungenutzt verstreichen und in der Friedrichstraße zieht statt
       einer Bibliothek einfach nur ein weiterer Konsumtempel ein. [5][Oder
       Büros.] Oder das Kaufhaus steht leer.
       
       16 Jul 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Wasserschaden-in-der-Zentralbibliothek/!6019728
   DIR [2] /Gastbeitrag-von-Klaus-Lederer/!5973986
   DIR [3] /Debatte-um-Zentral--und-Landesbibliothek/!6014268
   DIR [4] /Zentral--und-Landesbibliothek/!5959622
   DIR [5] /Zentral--und-Landesbibliothek-Berlin/!6010195
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Hartmann
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwarz-rote Koalition in Berlin 
   DIR Bibliotheken in Berlin
   DIR Joe Chialo
   DIR Friedrichstraße
   DIR Amerika-Gedenkbibliothek
   DIR Galeries Lafayette
   DIR Zentralbibliothek
   DIR Stadtplanung
   DIR Amerika-Gedenkbibliothek
   DIR Bibliotheken in Berlin
   DIR Galeries Lafayette
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Neuer Anlauf für Bücherei-Umzug: Die ZLB ist kein Mittel zum Zweck
       
       Zum Galeria-Retten an den Alexanderplatz? Das sollte für einen neuen
       Standort von Berlins wichtigster Bibliothek nicht entscheidend sein.
       
   DIR Zukunft der Warenhäuser: Nach dem Kaufhaus-Kapitalismus
       
       Umbau statt Abriss? Darüber wird gerade viel diskutiert, insbesondere bei
       leer stehenden Kaufhäusern in den Innenstädten.
       
   DIR Debatte um Zentral- und Landesbibliothek: Zielloses Zeitverplempern
       
       CDU-Kultursenator Joe Chialo hält eisern an der Idee fest, das Gebäude der
       Galeries Lafayette für die ZLB anzukaufen. Er verschwendet seine Zeit.
       
   DIR Zentral- und Landesbibliothek Berlin: Bücher statt Büros
       
       Es gibt neue Pläne für den Umzug von Berlins Zentral- und Landesbibliothek
       in das Kaufhaus Galeries Lafayette. Der Investor hat jedoch andere Pläne.
       
   DIR Gastbeitrag von Klaus Lederer: Die Friedrichstraße braucht die ZLB
       
       Die unausgesprochene Vision einer neuen Heimat für Wissen und Begegnung
       inmitten Berlins pulsierender Friedrichstraße.