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       # taz.de -- Investigativmedium in Guatemala: Ein Leuchtturm der Pressefreiheit
       
       > 2022 zwang die Regierung in Guatemala das Investigativmedium „El
       > Periódico“ ins finanzielle Aus. Nun läuft es unter dem Namen „eP
       > Investiga“ wieder an.
       
   IMG Bild: José Rubén Zamora vor Gericht in Guatemala-Stadt, Juni 2023
       
       Seit 1996 schaute die guatemaltekische Zeitung El Periódico den Mächtigen
       im Land auf die Finger. Das einflussreiche Investigativmedium deckte immer
       wieder die Veruntreuung öffentlicher Mittel auf – „Fiscalisación“ heißt das
       auf Spanisch. Dafür wurde die Zeitung nicht nur gefeiert, sondern auch
       angegriffen: Sie wurde den meist konservativen Regierungen des Landes ein
       Dorn im Auge.
       
       [1][Die korrupteste von allen – die bis zum 14. Januar amtierende
       Regierung] von Alejandro Giammattei – [2][nahm im Juli 2022 einen Anlauf,
       dem Medium erfolgreich den Stecker zu ziehen]. Gründer und Herausgeber José
       Rubén Zamora wurde von einer Spezialeinheit der Polizei festgenommen. Der
       fingierte Vorwurf: Geldwäsche. Bis heute sitzt er im Gefängnis.
       
       „Parallel dazu wurden die Konten vom El Periódico eingefroren, potenzielle
       Geldgeber und Anzeigenkunden unter Druck gesetzt, so dass wir Ende November
       2023 die Printausgabe und am 15. Mai auch die Online-Ausgabe einstellen
       mussten“, erinnert sich die damalige Redaktionsleiterin Julia Corado
       gegenüber der taz.
       
       Nun macht das Onlineportal eP Investiga da weiter, wo El Periódico aufhörte
       – unter Leitung von Gersón Ortiz. Der 40-jährige Journalist mit dem
       graumelierten Bart war jahrelang einer der leitenden Redakteure des
       Vorgängerblatts. Auch die ehemalige Redaktionsleiterin Julia Corado ist
       wieder dabei, nun als eine von drei Ressortleiter:innen, sowie rund ein
       Dutzend weitere Journalist:innen – die meisten ebenfalls mit
       El-Periódico-Vergangenheit.
       
       ## Schwere Bedingungen
       
       Die Neugründung ist ein Versuch, einen [3][Leuchtturm der Pressefreiheit in
       Guatemala wieder aufleben] zu lassen. 4.000 Leser:innen hat das Portal
       täglich, Tendenz steigend. „Wir haben durch Spenden und feste
       Förder:innen aus Guatemala und dem Ausland eine finanzielle Absicherung
       für sechs Monate“, erklärt der Chefredakteur Ortiz. „Nun brauchen wir
       Abonnent:innen, um schnell auf eigenen Füßen zu stehen und die Redaktion zu
       erweitern.“
       
       Die Bedingungen sind jedoch nach wie vor schwierig. Zwar hat sich die
       Situation der Berichterstatter:innen in Guatemala mit der neuen
       sozialdemokratischen Regierung merklich verbessert, sagt Diego España,
       Redakteur bei der linksliberalen La Hora, zur taz, aber die
       Kriminalisierung von Berichterstatter:innen sei längst nicht vorbei:
       „Die Regierung von Bernardo Arévalo arbeitet mit den Medien zusammen. Das
       lässt sich jedoch für den Justizsektor nicht sagen“, so der 23-jährige
       Journalist. Er freue sich über den Schub für die mediale Vielfalt in
       Guatemala.
       
       Denn sechs Monate nach der Vereidigung des sozialdemokratischen
       Reform-Präsidenten macht sich Ernüchterung breit. Das sieht
       eP-Investiga-Chefredakteur Gersón Ortiz nicht anders: „Die Regierung hat
       Hoffnungen geweckt, die unrealistisch waren, wie die Absetzung von
       Generalstaatsanwältin María Consuelo Porras“. Längst gilt Porras als
       mächtigste Frau Guatemalas. Sie kontrolliert de facto das Justizsystem,
       wird von den Richter:innen am Verfassungsgericht gedeckt und hat die
       Justiz gegen die Regierung in Stellung gebracht.
       
       ## Gründer weiterhin in Haft
       
       Mit einer Welle von Vorladungen und Ermittlungsverfahren gegen
       Kabinettsmitglieder erschwert sie dem Kabinett von Bernardo Arévalo die
       Arbeit. Das jüngste Beispiel: der Rücktritt von Gesundheitsminister Óscar
       Cordón am 12. Juni – nach Dutzenden von Vorladungen.
       
       De facto herrscht ein offener Konflikt zwischen Regierung und
       Generalstaatsanwältin, die noch ein Mandat bis 2026 hat – und nur über eine
       Gesetzesreform oder ein Referendum aus dem Amt entfernt werden kann. „Die
       Regierung verfügt über keine kohärente Strategie und keine Mehrheit im
       Parlament“, sagt Gersón Ortiz und zuckt mit den Schultern.
       
       Inzwischen sitzt [4][Zamora, der Herausgeber von El Periódico und eine
       Ikone des investigativen Journalismus in Mittelamerika], seit fast zwei
       Jahren in Haft. Am 5. Juli wurde er von der kolumbianischen Medienstiftung
       Gabo mit einem Preis für sein journalistisches Lebenswerk ausgezeichnet.
       Ein positives Zeichen. Denn so bleibt der Fall Zamora im Gespräch. Den
       Preis nahm sein in Miami lebender Sohn José in Kolumbien entgegen.
       „Internationale Aufmerksamkeit ist essenziell für uns, und nicht nur
       deshalb schätzen wir als Familie die Arbeit von eP Investiga“, sagt er der
       taz.
       
       ## Korrupte Justiz
       
       Doch die Aussichten auf ein faires Verfahren in Guatemala sind laut Julia
       Corado gering: „Zamora ist ein Unbequemer in den Augen der korrupten
       Justiz. Selbst die vielen Artikel und Beiträge über ihn in der
       internationalen Presse haben nicht dazu geführt, dass die
       Staatsanwaltschaft eingeknickt ist.“
       
       Auch eP Investiga steht vor Herausforderungen: Der Sitz des Portals liegt
       aus Sicherheitsgründen nicht in Guatemala, sondern in Mexiko-Stadt. „Wir
       müssen unsere Strukturen vor dem Zugriff der guatemaltekischen Behörden
       schützen“, sagt Chefredakteur Gersón Ortiz. Das sei eine logische
       Konsequenz, nachdem El Periódico quasi ökonomisch erdrosselt worden sei.
       
       Und das ist auch einer der Gründe, weshalb Gersón Ortiz derzeit noch aus
       dem Ausland für eP Investiga arbeitet. Gleichzeitig ermittelt die
       guatemaltekische Generalstaatsanwaltschaft gegen Ortiz und einige
       Kolumnisten von El Periódico – wegen Einschüchterung der Justiz.
       
       16 Jul 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Knut Henkel
       
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