URI: 
       # taz.de -- Meme „Hawk Thua“: Spuck auf das Ding
       
       > Eine Frau aus den USA erlangt mit einer vulgären Bemerkung viralen Ruhm.
       
   IMG Bild: Die T-Shirts mit dem Aufdruck „Hawk tuah – spit on that thing“ verkaufen sich prächtig
       
       Hawk Thua: Das ist – auf Englisch gesprochen – das Geräusch, das jemand
       macht, wenn er Speichel hochwürgt und ausspuckt. Das Wort prägte am 17.
       Juni eine junge Frau in Nashville, Tennessee, als sie abends auf der „Main
       Street“ von einem jungen Schwarzen für den YouTube-Kanal [1][„Tim & Dee
       TV“] interviewt wurde, der ihr die üblichen dämlichen Datingfragen stellte:
       „Mit welchem Trick machst Du Männer im Bett verrückt?“
       
       Sie antwortete lachend: „Man muss ihnen das ‚Hawk Thua‘ geben, und auf das
       Ding spucken, verstehst du?“ (in ihrem Südstaatenslang: „Aaah, you gotta
       give 'em that ‚Hawk thua‘ and spit on that thing, get me?“) Ihre Freundin
       neben ihr hielt erschrocken die Hand vor den Mund, weil sie laut losprusten
       musste, ebenso der Interviewer, der einen Hoodie mit der Aufschrift
       „Superstar Dept.“ trug.
       
       Er konnte da noch nicht wissen, dass er wirklich einen „Superstar“ (eine
       „Netqueen“) mit seinem Mikrophon angequatscht hatte. Das stellte sich aber
       schnell heraus, als sein Interview in den sozialen Medien sofort und nahezu
       weltweit millionenfach angeklickt wurde.
       
       „Das Internet hat tonnenweise ‚Hawk thua Girl‘-[2][Memes] ausgespuckt“,
       titelte das Schweizer Internetportal „watson.ch“. Der Clip wurde nicht nur
       vergnügt zur Kenntnis genommen, sondern auch, mit und ohne KI, immer wieder
       weiter verarbeitet – ein Ende ist nicht absehbar.
       
       Es fanden sich Leute, die diese Hawk-Tuah-Szene in Öl auf Leinwand malten
       und ins Netz stellten. Es fand sich ein bärtiger Geschäftsmann, der sofort
       hunderte von Basecaps herstellen und mit dem Spruch „Hawk Tuah 24 Spit On
       That Thing“ bedrucken ließ, was der Autorin Ende Juni bereits 65.000 Dollar
       einbrachte.
       
       ## Neue Vulgaritäten
       
       Schon wurden T-Shirts mit ihrem Spruch bedruckt und massenhaft verkauft,
       deren Händler sie wegen Plagiat verklagen kann, ebenso den Texter eines
       „Hawk tuah“-Songs.
       
       Eine Rockband lud sie auf die Bühne, um ihr zu gratulieren, und älteren
       semiprofessionellen Damen fällt in Interviews auch keine andere Antwort
       mehr ein als „Hawk tuah – spit on that thing“ – wenn sie z. B. gefragt
       werden, was sie von Donald Trump bzw. der AfD halten oder warum ihr Mann
       sie mit Geschenken überhäuft.
       
       Es lohnt sich, wenigstens noch eine ganze Weile Hailey Welch – so ihr Name
       – auf ihrem weiteren Amüsierweg medial zu verfolgen. Inzwischen haben auch
       [3][die ersten Fußballfans] ihren Spruch adoptiert und womöglich werden
       Baseball-Männer folgen. Sie rotzen sowieso ständig während des Spiels auf
       den Rasen.
       
       ## Verdämmerung männlicher Intelligenz
       
       Den Gebildeten unter den Verächtern der sozialen Medien sei gesagt, dass es
       darin sowie auch in Blogs und auf Youtube zwar von dämlichen Macker-Witzen
       und -sprüchen gegen Frauen nur so wimmelt. Aber das ist nicht bloß
       reaktionär und prollig, sondern auch dem Zeitgeist geschuldet: Zum einen,
       weil dieses Medium von unten immer witziger und subversiver wird und immer
       mehr Frauen sich immer mehr trauen – oft nicht minder zotig.
       
       Wenn sie z. B. mit einem T-Shirt rumlaufen, auf dem sie ihre Brüste als die
       „besten Titten auf Instagram“ annoncieren, über ihren Arschfick öffentlich
       sagen „Das falsche Loch, aber ich mag es“, über ihr Schwanzlutschen den
       Spruch verbreiten „Wenn Du nicht würgst, warst Du nicht bis zum Anschlag“
       oder sich als Tramperin mit einer Pappe an die Straße stellen, auf dem sie
       versprechen „Ich lutsche bis nach Frankfurt“ und das Selfie davon auf
       Tiktok posten.
       
       Zum anderen kann man inzwischen von einer Verdämmerung der männlichen
       Intelligenz ausgehen: Da kommt so gut wie nichts mehr. Am wenigsten von den
       Profijournalisten der Kapitalmedien.
       
       Die französische [4][Autorengruppe Tiqqun] hat das bereits 2009 in ihrem
       Buch „Grundbausteine einer Theorie des Junge-Mädchens“ geahnt, da kommen
       zwar noch die Jungs drin vor, aber nur noch als tumbe Nachahmer der
       Mädchen.
       
       Weil die Großkonzerne den globalen [5][Plattform-Kapitalismus] an sich
       gerissen haben, ist es um die „digitale Bohème“ still geworden; der
       Internet-Theoretiker Geert Lovink sieht das Netz bereits als Ganzes vor dem
       aus: „Internetdämmerung“ nennt er das in der Zeitschrift „Lettre
       International“ (1/2023). Weit gefehlt, man weiß doch, die „Basis“ reagiert
       zwar langsam, aber wenn, dann bleibt kein Auge trocken.
       
       Korrektur: In einer früheren Version hatten wir geschrieben, die Frau sei
       Lehrerin gewesen. Dies war falsch. Wir haben die entsprechenden Stellen
       korrigiert und bitten um Entschuldigung für den Fehler.
       
       3 Jul 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.youtube.com/@timanddeetv
   DIR [2] /Meme-ueber-Maenner-und-das-Roemische-Reich/!5958474
   DIR [3] https://www.instagram.com/p/C81ahidsZJw/?igsh=YWptbmRwOHNxbGVz
   DIR [4] /Gentrifizierung-in-Berlin/!5931793
   DIR [5] /Marktmacht-der-Internetkonzerne/!5997686
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Helmut Höge
       
       ## TAGS
       
   DIR Memes
   DIR Viral
   DIR Hype
   DIR Social-Auswahl
   DIR Popkultur
   DIR Memes
   DIR EU-Kommission
   DIR Kolumne Wirtschaftsweisen
   DIR Memes
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR „Brat“-Album auf Social Media: Sommer der Gören
       
       Charli XCXs Album „brat“ hat eine Meme-Welle ausgelöst. Den hellgrünen
       Hintergrund des Covers verwenden aktuell viele auf Social Media. Warum?
       
   DIR Julio-Iglesias-Meme: Alle Jahre wieder Julio
       
       Er ist zurück. Dunkles Haar, weiße Zähne, solariumbrauner Teint. Juli ist
       in der spanischsprachigen Welt, wenn Julio Iglesias das Internet übernimmt.
       
   DIR Marktmacht der Internetkonzerne: EU geht gegen Tech-Riesen vor
       
       Die EU-Kommission prüft, ob Apple, Meta und Alphabet ihre digitale
       Marktmacht missbrauchen. Sie könnten gegen eine neue EU-Regel verstoßen.
       
   DIR Gentrifizierung in Berlin: Unten angekommen in der Elendsspirale
       
       Angesichts des Ergebnisses der Sanierung des ehemaligen Kunsthauses
       "Tacheles" in Mitte, fürchtet unser Kolumnist Schlimmes für das Quartier.
       
   DIR Schauspieler Chuck Norris wird 80: Ein Mann, ein Meme
       
       Der US-Schauspieler und -Kampfkünstler Chuck Norris hat Geburtstag. Warum
       hat ein Mann, der so egal ist, sein eigenes Witz-Genre?