# taz.de -- Vorwürfe gegen deutsche Ölkonzerne: Klimaprojekte in China gestoppt
> Bei Klimaprojekten in China, von denen deutsche Öl-Konzerne profitiert
> haben, soll es Betrug gegeben haben.
IMG Bild: Lemke: „Wir haben es hier mutmaßlich mit einem Betrugsversuch zu tun, mit einem Betrugsgeflecht.“
Berlin dpa | [1][Umweltministerin Steffi Lemke] (Grüne) hat im Zusammenhang
mit der Affäre um Betrug bei [2][Klimaschutzprojekten] in China einen
sofortigen Stopp der betroffenen Aktivitäten verkündet. Es sei möglich,
dass es sich hier um einen Fall von „schwerer Umweltkriminalität“ handele,
sagte Lemke im Bundestag.
„Ich nehme diese Vorwürfe sehr ernst. Wir haben es hier mutmaßlich mit
einem Betrugsversuch zu tun, mit einem Betrugsgeflecht.“ Das System sei zum
1. Juli gestoppt worden. Seitdem sei es für die deutschen Mineralölkonzerne
nicht mehr möglich, neue Projekte im mutmaßlichen Betrugssystem zu
beantragen.
Hintergrund ist, dass sich deutsche Konzerne möglicherweise bislang
mehrfach einen Klimaschutzbeitrag anrechnen ließen, den es nie gegeben hat
– weil einige Projekte in China wohl nicht existiert haben. „Es ist klar,
dass Vertrauen erschüttert wurde, dass jetzt diese Vorwürfe deshalb
konsequent aufgeklärt werden müssen“, betonte Lemke.
Das Umweltbundesamt gehe allen Hinweisen auf Betrugsverdacht nach,
versicherte sie. „Hier wird konsequente Aufklärung betrieben.“ Es sei ein
Fehler der Vorgängerregierung gewesen, dieses betrugsanfällige System
überhaupt einzuführen, sagte Lemke im Umweltausschuss des Bundestags. Dort
musste die Ministerin am Mittag zu den dubiosen Vorgängen Rede und Antwort
stehen. Scharfe Kritik am Umgang mit den mutmaßlichen Betrugsfällen kam von
der Union.
## Klimaschutzprogramm im Ölbereich
Ermöglicht wurden diese durch einen Mechanismus, der es Mineralöl-Konzernen
in Deutschland erlaubt, mithilfe von Klimaschutzprojekten in China ihre
gesetzlich vorgegebenen Klimaziele zu erreichen. In dem System können
Konzerne ihre Treibhausgasquoten verbessern, wenn innerhalb der Lieferkette
CO2-Emissionen eingespart werden – auch im Ausland.
Sie können also Projekte, bei denen im Öl-Sektor Emissionen reduziert
werden, finanzieren, und bekommen sie bei Anerkennung entsprechender
Zertifikate für ihre Klimabilanz in Deutschland gutgeschrieben. Diese
„Upstream Emission Reduction“-Projekte (UER) werden dann auf die
Treibhausgasminderungsquote im Verkehr angerechnet. Genehmigt werden die
Projekte, für die alle Neuanträge nun gestoppt worden sind, vom
Umweltbundesamt, einer dem Umweltministerium untergeordneten Behörde.
## 40 von 69 Projekten unter Betrugsverdacht
Lemke erklärte im Umweltausschuss, dass von insgesamt 69 Projekten in China
derzeit 40 wegen Verdachts auf Betrug besonders im Fokus stünden. Es sei
außerdem Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Berlin gestellt worden. Zwei
der Projekte würden „wegen Verstoßes gegen die Vorgaben“ jetzt
rückabgewickelt, sagte sie weiter.
Insgesamt überprüfe das [3][Umweltbundesamt] derzeit alle Projekte in China
sowie zehn weitere in anderen Ländern. Nach Angaben von Ingrid Hanhoff,
Abteilungsleiterin im Umweltministerium, handelt es sich dabei unter
anderem um Projekte in Nicaragua, Usbekistan und Aserbaidschan. Hanhoff
betonte auf Nachfrage vonseiten der AfD im Ausschuss, dass bei all den
Vorgängen deutsche Autofahrerinnen und Autofahrer nicht zu Schaden gekommen
seien. Der Umwelt- und Klimaschutz habe aber sehr wohl Schaden davon
getragen.
## Scharfe Kritik aus der Union
Die umweltpolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Anja Weisgerber, sprach
von einem „Kontrollversagen“. für das Lemke verantwortlich sei. „Die
Ministerin trägt dafür die politische Verantwortung und kommt zunehmend
unter Druck“, sagte sie nach der Ausschusssitzung. Lemke habe viele Fragen
offen gelassen.
„Die Ministerin muss sich die Frage gefallen lassen, wie so eine große
Anzahl offensichtlicher Fehler jahrelang unbemerkt bleiben konnten.“
Außerdem sei es unverständlich, weshalb die Vorgänge erst mit Wirkung 1.
Juli gestoppt worden seien. Bereits genehmigte Projekte könnten außerdem
noch länger laufen, kritisierte Weisgerber. Aus dem Umweltministerium heißt
es dazu, dass ein Projekt, das vor dem 1. Juli genehmigt worden ist, „im
Höchstfall ein Jahr lang Minderungen und Zertifikate erzeugen“ könne.
Am 1. September 2025 sei „auch damit definitiv Schluss, unabhängig davon,
wie lange das Projekt lief“. Zum 1. September 2025 könnten keine neuen
Zertifikate mehr erzeugt werden.
## Umweltministerin macht GroKo verantwortlich
Lemke sieht die Verantwortung für die aktuellen Betrugsfälle bei der
Vorgängerregierung aus [4][Union und SPD.] Zum Zeitplan der Aufarbeitung
erklärte Lemke, dass das UBA ihrem Ministerium erst Ende August des
vergangenen Jahres einen ersten Fall gemeldet hätte. Dieser sei aber
„diffus“ gewesen. Erst gegen Jahresende hätten sich die Hinweise auf
möglichen Betrug verdichtet, erklärte die Ministerin. Lemke räumte aber
ein, dass die Kontrolle der Aktivitäten nicht an jeder Stelle funktioniert
habe.
Diese Schwachstelle betonte auch [5][UBA-Chef Dirk Messner] kürzlich
gegenüber der „Welt am Sonntag“. Er erklärte, dass die China-Projekte vor
Ort nicht von seinem Haus, sondern durch Zertifizierungsunternehmen
überprüft würden. „Der Überprüfungsmechanismus basiert auf dem Vertrauen in
die Verifizierer und Validierer“, sagte er. Das UBA komme hier „an die
Grenzen der Nachweisbarkeit.“
4 Jul 2024
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