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       # taz.de -- Muslimische Kita: Die Erste in Norddeutschland
       
       > In Neumünster stimmen nur AfD und NPD-Nachfolgepartei dagegen, eine
       > muslimische Kindertagesstätte zu unterstützen. Anderswo geht das weniger
       > reibungslos.
       
   IMG Bild: Eine von wenigen: Im niedersächsischen Gifhorn eröffnete 2018 der christlich-muslimische Kindergarten „Abrahams Kinder“
       
       Neumünster taz | Als sein Moscheeverein in Neumünster vor anderthalb Jahren
       mit der Planung für eine Kindertagesstätte begann, wusste er nicht, dass
       sie damit die ersten in Schleswig-Holstein sein würden, erzählt Murat
       Kayabasi am Telefon. Er gehört zum Vorstand des Vereins Bildungs- und
       Kulturzentrum in Neumünster, zu dem die Merkezefendi-Moschee gehört. Auch
       in den anderen Bundesländern gibt es nur wenige muslimische Kitas oder gar
       keine. Eine offizielle Statistik existiert nicht.
       
       Eine Internetrecherche ergibt, dass sich die meisten muslimischen Kitas in
       Berlin befinden. [1][In Niedersachsen gibt es seit 2018 eine interreligiöse
       Kita], in Bremen gar keine, in Hamburg gibt es zwar muslimisch geprägte,
       aber offenbar keine von einem Moscheeverein getragene Kita.
       
       Es wundere ihn, dass es im Jahr 2024 – mehr als zehn Jahre nach Abschluss
       der ersten Staatsverträge mit muslimischen Verbänden – so wenige seien,
       sagt Murat Kayabasi. Er beantwortet die Frage nach dem Warum daher auch mit
       der Gegenfrage: „Warum erst jetzt?“
       
       In anderen Städten gibt es heftigen, zum Teil vor Gericht ausgefochtenen
       Streit über muslimische Kitas – etwa in Dortmund und Kassel, wo den
       Betreibern eine verfassungsfeindliche Haltung unterstellt wird. In
       Neumünster hingegen stimmten vergangene Woche in der Ratsversammlung nur
       die sechs Vertreter:innen von AfD und einer NPD-Nachfolgepartei gegen
       den [2][Antrag des Oberbürgermeisters Tobias Bergmann (SPD)], das Vorhaben
       zu unterstützen.
       
       ## Konservativ, aber nicht extremistisch
       
       Das liegt auch daran, dass der Moscheeverein, der die Kita betreiben wird,
       zum Verband islamischer Kulturzentren (VIKZ) gehört. Dieser gilt zwar als
       konservativ, ist aber anders als zum Beispiel Ditib unabhängig von einem
       Staat und bildet nach eigener Darstellung seit den 80er- Jahren seine Imame
       in Deutschland aus.
       
       Zudem ist die Merkezefendi-Moschee gut in der Stadt vernetzt, hat ihren
       Sitz schon seit 50 Jahren am selben Standort in der Christianstraße, in
       einem Stadtteil, in dem viele Menschen mit Einwanderungsgeschichte leben.
       Murat Kayabasi erzählt, dass er dort die Moscheearbeit vor 20 Jahren mit
       aufgebaut habe, nachdem das Gebäude im Jahr 2001 abgebrannt ist, vermutlich
       aufgrund von Brandstiftung, die Täter seien nie gefasst worden.
       
       Dennoch suchte der Vereinsvorstand zunächst das Gespräch mit allen
       Fraktionen, um etwaigen Sorgen und Bedenken gegenüber einer muslimischen
       Kita begegnen zu können. Diese Gespräche seien sehr gut und unkompliziert
       verlaufen, sagt Kayabasi. Der Zeitpunkt war zudem günstig, weil bekannt
       geworden war, dass in der Stadt 500 Betreuungsplätze fehlten.
       
       Beim Konzept für die Kita Sonnenblume hätten sie sich von Pädagog:innen
       beraten lassen, sagt Murat Kayabasi. Dieses betont die „Vermittlung eines
       positiven Selbstwerts und Zugehörigkeitsgefühls“, gleichzeitig geht es um
       „Anerkennung des Anderen sowie Offenheit, Achtung, Empathie, Toleranz,
       Multiperspektivität und Integrität“.
       
       Der Alltag unterscheidet sich auf dem Papier nicht von dem in anderen
       Kindertagesstätten. Ausnahme: Auf Wunsch der Eltern können die Kinder etwas
       über islamische Kultur und Ethik lernen. Andere Religionen bekämen aber
       genauso ihren Platz, sagt Murat Kayabasi. Ausdrücklich richtet sich das
       Angebot an Eltern aller Konfessionen sowie Konfessionslose.
       
       Anders als bei der katholischen und evangelischen Kirche sei der Glaube
       keine Einstellungsvoraussetzung für die Fachkräfte. „Sie sollen liebevoll
       mit den Kindern umgehen und professionell arbeiten.“ Es spreche nichts
       gegen männliche Erzieher und auch nichts gegen sexuelle Bildung, sagt
       Kayabasi, Letzteres nach Rücksprache mit einem Pädagogen. „Ein gesundes
       Verhältnis zum eigenen Körper ist wichtig, das wird altersgerecht
       vermittelt.“ Damit wäre die Kita Sonnenblume weiter als viele andere
       Kindertagesstätten, die sich mit dem Thema schwertun.
       
       Eröffnen soll die Kindertagesstätte für 60 Kinder zwischen ein und sechs
       Jahren nach einjähriger Bauzeit im kommenden Jahr – sobald der Bauantrag
       gestellt und bewilligt wurde. Über die Betriebserlaubnis entscheidet das
       Landesjugendamt.
       
       21 Jul 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Die-erste-christlich-islamische-Kita/!5538156
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       ## AUTOREN
       
   DIR Eiken Bruhn
       
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