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       # taz.de -- Leistungsexplosion bei Tour de France: Der Herr der Kohlenhydratzufuhr
       
       > Die schier unglaublichen Leistungen der Topfahrer bei der Tour de France
       > werden mit einer Ernährungsrevolution erklärt. Was hat es damit auf sich?
       
   IMG Bild: Triumvirat der Tour: Tadej Pogacar, Jonas Vingegaard und Remco Evenepoel (von links)
       
       Nizza taz | Flaschen füllen ist vor einem Zeitfahren eine ganz besonders
       wichtige Angelegenheit. Die Ernährungsberater müssen an diesem Tag nicht
       nur die richtige Mischung aus Kohlenhydraten und Flüssigkeit finden. Sie
       müssen den Energiebedarf so perfekt austarieren, dass genug Inhaltsstoffe
       in den oft aerodynamisch optimierten Trinkbehältnissen sind, aber auch,
       dass sie nicht zu viel einfüllen. Denn zu viel Getränk bedeutet zu viel
       Gewicht, und das muss eben auch vorwärts bewegt werden.
       
       Und so konnte man unter anderem [1][Kristof de Kegel, Ernährungsspezialist
       vom Team des Weltmeisters Mathieu van der Poel], vorm Zeitfahren so präzise
       wie einen Apotheker beim Flaschenfüllen beobachten. Was wie angewandte
       Wissenschaft aussieht, ist auch Wissenschaft, Ernährungswissenschaft eben.
       „Vor einigen Jahren dachten wir noch, ein Mensch kann etwa 60 Gramm
       Kohlenhydrate in der Stunde aufnehmen. Dann sagt der Magen: ‚Schluss
       jetzt.‘ Mittlerweile wurde herausgefunden, dass man mit der richtigen
       Mischung von Kohlenhydraten bis zu 120 Gramm pro Stunde verwerten kann.
       Manche Fahrer schaffen sogar noch mehr“, erzählt de Kegel der taz.
       
       Das kann man gut und gern als Ernährungsrevolution bezeichnen.
       Kohlenhydrate bedeuten Energie, die in den Muskelzellen erzeugt wird und
       für Vortrieb über die Pedalen sorgt. Die doppelte Aufnahme von Brennstoff
       sorgt nicht gleich für zweifach schnellere Geschwindigkeit. Aber die neuen
       Rekordzeiten der Tour-Fahrer sind auch durch den Faktor Ernährung
       begünstigt.
       
       ## Clever kochen
       
       Bei den Teams hat sich deshalb ein strenges Kontrollregime über die
       Brennstoffzufuhr durchgesetzt. „Es gibt einen gut ausbalanzierten
       Ernährungsplan für jeden Tag, abhängig von der Charakteristik jeder Etappe.
       Wir sehen ganz genau, wie viele Kilojoules die Fahrer umgesetzt haben. Das
       können wir aus den geleisteten Wattwerten aus den Radcomputern ablesen. Wir
       wissen also, was sie geleistet haben. Und daraus ermitteln wir, was wir
       ihnen wieder zuführen müssen. 15 Minuten nach Ende des Rennens weiß unser
       Koch schon, was jeder Fahrer braucht. Und danach bereitet er das Abendessen
       vor“, erzählt Experte de Kegel.
       
       Bei Team UAE Emirates geht man ähnlich wissenschaftlich heran. Herr über
       die Kohlenhydratzufuhr ist dort Gorka Prieto. Er kam ein Jahr nach Pogacar
       zum Team. Und wie Pogacar, 25, auf der Pressekonferenz am zweiten Ruhetag
       zugab, brauchte der unbestrittene Leader der Tour vier Jahre, um sich voll
       und ganz mit dem Ernährungsregime anzufreunden. Jetzt futtert er, was
       Prieto ihm vorgibt. Der Baske betont, dass vor allem der richtige Mix aus
       Glukose, also Traubenzucker und Fructose, Fruchtzucker, entscheidend ist:
       „Fructose wird im Körper auf anderem Wege verstoffwechselt als Glukose.
       Deshalb kann man beides parallel verarbeiten.“
       
       Im Laufe der Saison verändert sich dieser Plan aber. „Wir variieren die
       Kohlenhydrataufnahme jedes Fahrers. In der frühen Präparationsphase im
       November und Dezember reduzieren wir die Kohlenhydrate. Die Fahrer leisten
       dort große Umfänge. Aber die Intensitäten sind vergleichsweise niedrig. Sie
       verbrennen dabei mehr Fett als Kohlenhydrate“, beschreibt Laura Martinelli,
       Ernährungsberaterin von Team Jayco den Prozess. Das ist die Saisonphase, in
       der das mittlerweile berühmt gewordene Zone-2-Training seinen Platz hat.
       
       Dabei geht es darum, den Organismus auf den Fettstoffwechsel umzustellen.
       „Das macht deshalb Sinn, weil die Kohlenhydratspeicher im Organismus
       begrenzt sind. Die Fettoxidation ist im Kontrast dazu eher unbegrenzt. Und
       je länger man im Fettstoffwechsel fahren kann, desto später kippt es in den
       Kohlenhydratstoffwechsel“, erklärt [2][Dan Lorang, Trainingswissenschaftler
       und Performance Director beim Team Bora.]
       
       Tadej Pogacars früherer Trainer Inigo San Millan teilte Trainingszonen nach
       Intensitäten ein. Dabei war Zone 2 am unteren Spektrum der Intensitäten
       angesiedelt, zeichnete sich aber durch maximale Fettverbrennung aus.
       Gewöhnt man den Organismus daran, rührt er die weniger gut speicherbaren
       Kohlenhydratreserven nicht an. Das Problem dabei ist nur: Je höher die
       Intensität auf dem Rad ist, desto mehr Energie muss von den Kohlenhydraten
       kommen. Ernährungsspezialist Prieto nennt dafür folgende Faustformel: „Bei
       Leistungen um die 200 Watt handelt es sich vor allem um Fettverbrennung.
       Bei 400 Watt oder darüber kann man von 99 Prozent Kohlenhydratstoffwechsel
       ausgehen.“
       
       Beim Zeitfahren sind vor allem die Kohlenhydrate gefragt. Beim ersten
       Zeitfahren bei dieser Tour leistete Tadej Pogacar über knapp 30 Minuten 452
       Watt. Da muss die Mischung in der Flasche stimmen.
       
       21 Jul 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.alpecincycling.com/rad-training-radsport/hoehentraining-de-kegel-alpecin-deceuninck/
   DIR [2] https://www.bora.com/de/de/sports-nutrition/story/leistungsoptimierende-ernaehrung-im-profi-radsport/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tom Mustroph
       
       ## TAGS
       
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