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       # taz.de -- „Behindert und Verrückt“ Pride Parade: Glitzerkrücke für Inklusionsfeinde
       
       > Bei der „behindert und verrückt feiern“ Parade am Samstag kämpfen
       > Menschen mit Behinderung und psychiatrischen Diagnosen für mehr
       > Selbstbestimmung
       
   IMG Bild: Zum feiern aufgerufen sind „Freaks und Krüppel, Verrückte und Lahme, Eigensinnige und Blinde, Taube und Normalgestörte“
       
       Berlin taz | Das Motto: „Behindert, verrückt und solidarisch feiern“.
       Aufgerufen sind: „Freaks und Krüppel, Verrückte und Lahme, Eigensinnige und
       Blinde, Taube und Normalgestörte“. Politisch korrekt klingt das nicht –
       soll’s auch nicht. „Wir wollen provozieren“, sagt Marlen König. „Wenn wir
       zu lieb und brav sind, brauchen wir keine Demo machen.“ König hat
       Glasknochen und sitzt im Rollstuhl. Sie ist Teil des Bündnisses, [1][das
       seit 2013 die „behindert und verrückt feiern“ Pride Parade veranstaltet].
       „Das ist aus der Krüppelbewegung in den 1980ern entstanden“, erzählt König.
       Sie lacht: „Darf man bestimmt heute nicht mehr sagen.“
       
       Wie jedes Jahr, zieht sie am Samstag mit Menschen mit und ohne Behinderung
       sowie Menschen mit psychiatrischen Diagnosen durch Kreuzberg und Neukölln,
       um sich selbst zu feiern – und zwar selbstbewusst: „Wir gehen und humpeln
       und rollen für unsere Rechte auf die Straße“, heißt es im Aufruf.
       
       „Nur weil man geistig eingeschränkt ist, hat man ja trotzdem Bock auf ein
       geiles Leben“, sagt König. [2][Diskriminierende Gesetzgebungen und der
       gesellschaftliche Ausschluss „Behinderter und Verrückter“ erschwerten dies
       jedoch]. „Das fängt beim Wohnen an“, Behinderte würden oft unter
       lebenswidrigen Bedingungen in Heimen weggesperrt. Ähnlich sei es auf dem
       Arbeitsmarkt. In den Behindertenwerkstätten würden sie ausgebeutet, in
       Deutschland verdiene man dort im Durchschnitt 1,50 Euro die Stunde.
       
       Die Parade richtet sich nicht nur an Menschen mit Behinderung, sondern auch
       an all jene, die unter ähnlichen Diskriminierungserfahrungen leiden,
       darunter trans- und interidente Menschen. „Ich hatte immer zwei Coming
       Outs“, erzählt Ray. „Zuerst über meine Geschlechtsidentität als
       Transmaskulin und zweitens als psychisch Betroffene“. Ray gehört auch zu
       dem Bündnis und leidet unter multiplen psychischen Störungen. Seit einem
       Jahr wartet Ray auf einen Psychotherapieplatz. „Für trans-Personen, die auf
       die Therapiesitzungen angewiesen sind, um die geschlechtsangleichende
       Operation durchführen zu dürfen, ist der Mangel an Plätzen eine besondere
       Herausforderung“, sagt er.
       
       ## So sähe erfolgreiche Inklusionspolitik aus
       
       Ihre Kernforderungen? „Die ganze Politik umschreiben“, sagt König. „Aber
       ich glaube, das wäre ein wenig viel verlangt.“ Ihr Demokonzept für Samstag
       macht jedoch vor, wie eine erfolgreiche Inklusionspolitik aussehen könnte:
       barrierefreier Zugang, Redebeiträge, die in Gebärdensprache übersetzt
       werden und ein Ruhewagen für Menschen, die nicht so lange laufen können
       oder Ruhe von den vielen Reizen und Menschen brauchen.
       
       Ab 15 Uhr wird von der Hasenheide, Ecke Jahnstraße „bis zum Kottbusser Tor
       getanzt“. Auf dem Weg gibt es Redebeiträge, unter anderem von
       Aktivist*innen der Behindertenbewegung sowie Angehörigen von Menschen
       im Maßregelvollzug. Am Ziel, dem Südblock am Kottbusser Tor, ist eine
       Kundgebung geplant.
       
       [3][Zum krönenden Abschluss wird die „Glitzerkrücke“ verliehen, ein
       Negativpreis für besonders inklusionsfeindliche Praxis in Politik und
       Wirtschaft]. „In diesem Jahr wurden die psychiatrischen Stationen des
       Urban-Krankenhauses nominiert wegen der unmenschlichen Zustände, in die
       Verrückte weggesperrt werden“, erzählt König. Im Rennen sind auch die
       Sozialämter. Der Vorwurf: Obwohl taube Menschen das Recht auf Übersetzung
       haben, fänden die Sozial-Ämter immer eine Ausrede dies zu verwehren. Wer
       den Negativpreis erhält, wird am Tag der Parade von den
       Demo-Teilnehmer*innen demokratisch bestimmt.
       
       „Wir hoffen einen politischen, aber auch schönen Tag zu verbringen“, sagt
       König. Eins steht fest: An Selbstbewusstsein und Verrücktheit soll's nicht
       mangeln.
       
       11 Jul 2024
       
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