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       # taz.de -- Caspar David Friedrich ohne Klimakrise: Natur-Romantik mit Atemnot
       
       > Bei einer Ausstellung zu Caspar David Friedrich und seinen Bildern ist an
       > Natur und Kontemplation nicht zu denken. Doch die Bilder sind auch
       > Mahnung.
       
   IMG Bild: Kreidefelsen auf Rügen, hier in einem Bild im Jetzt
       
       Jetzt stünde ich gern mal in diesem Wald mit den knorrigen alten Eichen,
       die ich hier vor mir sehe. Oder am Meer wie dieser Mönch da. Oder auf den
       Kreideklippen von [1][Rügen], wo der Wind bläst. Da gäbe es endlich
       Sauerstoff für meine Lungen. Und ich müsste mir nicht von diesem
       schnöseligen Sakkoträger auf die Zehen treten lassen.
       
       Aber bei einer Ausstellung zu Caspar David Friedrich und seinen Bildern ist
       an Natur, Ruhe, Einsamkeit, Kontemplation natürlich nicht zu denken. Hier
       kommt der 250. Geburtstag von C. D. Friedrich dem Großen! Hier lassen wir
       uns die Romantik und das „Zurück zur Natur!“ mal so richtig um die Ohren
       hauen. Ehe wir wieder für den Rückweg mit [2][Verbrennermotor], Sitzheizung
       und Klimaanlage gleichzeitig anstellen.
       
       Wir waren im März in der Ausstellung in Hamburg, ich bin immer noch
       beeindruckt. Erst später merkte ich, warum mich die Bilder so anfassen: Sie
       stammen aus einer anderen Welt, aber zeigen Orte, die wir kennen: Rügen,
       Greifswald, den Ostseestrand, die Alpen. Und Friedrich hat sie vor 1840
       gemalt. Also zu der Zeit, die heute in den Klima-Charts als
       „vorindustriell“ bezeichnet wird. Mit nur 280 ppm CO2 in der Luft, der
       Anteil des Treibhausgases aus der Verbrennung von Öl, Kohle und Gas war
       noch praktisch null.
       
       Heute sind wir bei 420 ppm (in den leergeatmeten Räumen der Hamburger
       Kunsthalle waren es gefühlte 1.500 ppm).
       
       ## Erinnerung an das Verlorene
       
       Bei Friedrich haben die Städte keine Schornsteine und Fabriken,
       Landschaften sind ohne Straßen und Gewerbegebiete, es gibt weder
       Raffinerien noch Windparks. Hat er ein bisschen geschummelt oder waren die
       höchsten Gebäude wirklich die Kirchen?
       
       Die Natur ist extrem und überwältigend, die wenigen Menschen sind Zwerge
       und froh, wenn sie heil am Rand des Bildes herumstehen dürfen. Oder sie
       blicken als Wanderer ohne Goretex-Jacke über das Nebelmeer. Allein und
       einsam und voller Demut vor der gewalt(tät)igen Umwelt, die noch keine
       Schützer braucht.
       
       Caspar David Friedrichs später Erfolg hat sicher auch damit zu tun: Er
       erinnert uns an daran, was wir verloren haben und jeden Tag weiter
       zerstören. Je mehr wir Äcker zu Monokulturen machen, Wälder in
       Forstproduktionsstätten verwandeln und Meere in leergefischten Todeszonen,
       desto mehr brauchen wir den Trost eines romantischen Sonnenuntergangs im
       Urwald gleich hinter der Klosterruine.
       
       Und wenn wir die bezaubernde Friedrich-Natur bei uns um die Ecke gefällt,
       entwässert, umgepflügt und asphaltiert haben, dann fliegen wir für zwei
       Wochen Waldbaden nach Neuseeland
       
       Tut mir leid, wenn ich Ihnen den Kunstgenuss versaut habe. Vielleicht ein
       kleiner Trost: In Hamburg konnte man am Ende der Ausstellung noch den
       Künstler Julian Charriere bewundern. In „The Blue Fossil Entropic Stories
       II“ zeigt er Bilder, wo ein keiner Mensch (hallo, C.D. Friedrich!) in der
       überwältigenden Natur steht: Auf einem Eisberg im Meer. Den er allerdings
       (C.D.Friedrich, bitte weggucken!) mit einem Flammenwerfer traktiert. Und
       ich dachte: „Wie lächerlich. Du willst im Ernst diesen haushohen Eisblock
       mit deiner kleinen Gasflamme schmelzen?“ Und dann wusste ich: Doch, der
       schafft das. Und zwar bald.
       
       12 Jul 2024
       
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