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       # taz.de -- Polit-Affäre in Berlin-Lichtenberg: SPD-Stadtrat in die Wüste geschickt
       
       > Nach einem zähen Kleinkrieg stimmt eine Zwei-Drittel-Mehrheit in der BVV
       > Lichtenberg für die Abberufung des exzentrischen SPD-Stadtrats Kevin
       > Hönicke.
       
   IMG Bild: Stadtrat a.D.: SPD-Kommunalpolitiker Kevin Hönicke
       
       Berlin taz | Das war's für Kevin Hönicke. Der umstrittene SPD-Stadtrat von
       Lichtenberg – zuletzt zuständig für Schule und Sport – ist am
       Donnerstagabend abgesetzt worden. Hönicke steht im Verdacht, im vergangenen
       Jahr [1][anonym interne E-Mails mit Vorwürfen von Dienstmissbrauch und
       sexueller Belästigung in einem anderen Amt] an eine Berliner Tageszeitung
       weitergeleitet zu haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt seither wegen des
       Verdachts der Verletzung von Dienstgeheimnissen gegen den Politiker.
       
       Im Oktober 2023 war Hönicke deshalb bereits [2][vom Dienst freigestellt]
       worden, klagte sich im März dieses Jahres aber erfolgreich an seinen
       Schreibtisch zurück. Nun ist im Rathaus Lichtenberg endgültig Schluss für
       den 40-Jährigen: In der Bezirksverordnetenversammlung stimmten 38
       Verordnete für einen gemeinsamen Abwahlantrag von CDU, Grünen, Linken – und
       den eigenen Genoss:innen der SPD. 12 Verordnete votierten dagegen, 2
       enthielten sich.
       
       Die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit von 37 Stimmen wurde damit nur knapp
       erreicht. Insgesamt verfügen die 4 Fraktionen über 42 Sitze, mindestens 5
       Verordnete verweigerten sich in der geheimen Abstimmung also dem Sturz
       Hönickes. Die SPD selbst ist mit 9 Sitzen in der BVV vertreten. Sie hatte
       trotz der vergifteten Stimmung im Bezirksamt, für die auch und vor allem
       Hönicke verantwortlich gemacht wird, lange an ihrem Mann im Rathaus
       festgehalten.
       
       Letztlich war es aber die SPD, die den Weg für seine Abberufung frei
       gemacht hatte: Auf einer [3][Kreisdelegiertenversammlung vor gut einem
       Monat] stellten die Lichtenberger Genoss:innen fest, dass „das
       Vertrauensverhältnis zwischen dem derzeitigen Bezirksstadtrat Kevin Hönicke
       auf der einen und Partei und Fraktion auf der anderen Seite unüberwindbar
       gestört ist“. Da Hönicke sich weigerte, von selbst zu gehen, sollte die
       SPD-Fraktion in der BVV einen Abwahlantrag stellen.
       
       ## SPD hofft auf „Beginn eines Neuanfangs“
       
       Lichtenbergs SPD-Kreischef Erik Gührs sprach am Donnerstag von einer
       „schmerzlichen Entscheidung“. Die SPD habe „Herrn Hönicke viel zu
       verdanken“. Wichtig sei aber nun, eine Lösung zu finden, „die eine andere
       Zusammenarbeit im Bezirk ermöglicht“. Und die Lösung heißt in dem Fall
       Sandy Mattes, die im Anschluss zur Nachfolgerin Hönickes gewählt wurde. Die
       47-jährige Betriebswirtin, die seit 2011 für die SPD in der BVV Lichtenberg
       sitzt, rief sogleich den „Beginn eines Neuanfangs“ aus. Mit Schule und
       Sport hatte sie bislang wenig zu schaffen. Sie werde sich jetzt schnell in
       die Materie einarbeiten, sagte Mattes.
       
       Der Linken-Verordnete Antonio Leonhardt ließ sich die Gelegenheit nicht
       entgehen, die SPD zu fragen, warum sie „nicht schon früher die Reißleine
       gezogen“ habe. Die mit dem Stadtrat verbundenen Probleme seien schließlich
       nicht erst vor vier Wochen offenkundig geworden.
       
       Nun sind Linke und SPD in Lichtenberg einander zwar seit jeher in
       herzlicher Abneigung verbunden. Nach der erstmaligen Wahl Hönickes zum
       Stadtrat im April 2020 erreichte der Grad der Feindseligkeit aber rasch
       eine neue Dimension. Die E-Mail-Aktion richtete sich dann auch kaum
       versteckt gegen den bis zur Wiederholungswahl 2023 amtierenden
       Linke-Bezirksbürgermeister Michael Grunst.
       
       Leonhardt erklärte anlässlich Hönickes Absetzung, er empfinde „keine
       Genugtuung“, denn: „Den Menschen Kevin Hönicke habe ich immer geschätzt.“
       Um dann hinterherzuschieben: „Er war ein sehr leidenschaftlicher
       Politiker.“ Was eine durchaus höfliche Umschreibung der öffentlichen und
       kolportierten nicht-öffentlichen Auftritte Hönickes ist.
       
       Ausfälligkeiten gegenüber Politiker:innen auf offener Bühne,
       [4][irritierend ziellose Reden auf SPD-Parteitagen], dazu viele Jahre
       [5][ein bisweilen bizarres Mitteilungsbedürfnis auf Twitter] und ein
       gewisser Hang zur Selbstüberschätzung: Sogar im SPD-Landesverband gilt
       Hönicke etlichen als Wirrkopf. Andere sprechen freundlicher von einem
       „Enfant terrible“.
       
       ## Bis zu 7.000 Euro Ruhegeld im Monat
       
       Es heißt, Hönickes [6][Beziehung zu Lichtenbergs aktuellem
       CDU-Bezirksbürgermeister Martin Schaefer] sei dabei ebenso zerrüttet wie
       zuvor die zu dessen Amtsvorgänger Grunst. Spätestens nach Bekanntwerden der
       E-Mail-Affäre und der Freistellung des SPD-Manns durch Schaefer im
       vergangenen Herbst zog Hönicke auch öffentlich gegen den Rathauschef zu
       Felde. Im Januar warf er Schaefer einen „diktatorischen Umgang“ vor, der
       „gestoppt“ werden müsse. Er frage sich, „wann der Dienstvorgesetzte, Herr
       Regierender Bürgermeister Kai Wegner, endlich interveniert“.
       
       Hönicke wehrte sich von Anfang an mit juristischen Mitteln gegen seine
       Freistellung, er sah sich als Opfer einer großen Intrige. Nachdem das
       Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg im März in einem Eilverfahren das
       Verbot zur Ausübung der Dienstgeschäfte aufgehoben hatte, [7][dankte er
       allen, „die an mich geglaubt haben und mich unterstützt haben“]. Drei
       Monate später wollten nicht einmal mehr die eigenen Genoss:innen an ihn
       glauben.
       
       Der SPD-Mann selbst hatte schon vor einigen Tagen erklärt, dass er seine
       Abwahl akzeptieren und respektieren werde. Ihm steht nach Angaben des
       Bezirksamts vorerst weiter ein Großteil seiner Bezüge zu, die Rede ist von
       bis zu 7.000 Euro brutto im Monat. Solange Hönicke keinen neuen Job
       annimmt, bezieht er das Geld bis zum Ende der Legislaturperiode im Herbst
       2026. Im Fall eines Rücktritts hätte er den Anspruch darauf verloren.
       
       „Es ist immer unglaublich schade und schmerzvoll, wenn ein Stadtrat nicht
       weiter im Amt bleiben kann“, sagte SPD-Landeschefin Nicola Böcker-Giannini
       am Freitag zur taz. Als Partei habe man „viel dafür getan“, damit Hönicke
       weitermachen kann. Gleichwohl, so Böcker-Giannini weiter: „Jetzt hat sich
       aber die Lichtenberger BVV-Fraktion und die Kreisdelegiertenversammlung der
       SPD Lichtenberg entschieden. Und das tragen wir natürlich mit.“
       
       12 Jul 2024
       
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