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       # taz.de -- Japan und seine Streitkräfte: Militär versinkt im Skandalsumpf
       
       > Die japanische Regierung plant höhere Verteidigungsausgaben. Doch laxe
       > Disziplin und Moral im Militär schwächen die Unterstützung.
       
   IMG Bild: Japans Marine steht im Zentrum vieler Skandale: Anti-U-Boot-Hubschrauber auf dem japanischen Hubschrauberträger JS Izumo
       
       Tokio taz | Nach einer Reihe von Skandalen hat [1][Japans]
       Verteidigungsministerium den Austausch des Chefs der Marine zum 19. Juli
       angekündigt und Disziplinarmaßnahmen gegen über 200 Soldaten und Zivilisten
       verhängt. Diese größte Verfehlungsserie seit Jahren ist peinlich für
       Premierminister Fumio Kishida. Er will Japans offiziell
       Selbstverteidigungsstreitkräfte (SDF) genanntes Militär durch zusätzliche
       Waffenkäufe für Konflikte mit China und Nordkorea stärken.
       
       „Diese inakzeptablen Probleme haben das öffentliche Vertrauen untergraben“,
       erklärte Verteidigungsminister Minoru Kihara. Insgesamt wurden 220 Strafen
       verhängt. Elf Personen wurden entlassen, zwei degradiert, 83 suspendiert,
       14 bekamen Gehaltskürzungen und sieben erhielten einen formellen Verweis,
       der Rest wurde ermahnt oder verwarnt.
       
       Bei der Hälfte der Vergehen ging es um Disziplinlosigkeit im Umgang mit
       Geheiminformationen. So erhielten etwa viele Personen ohne
       Sicherheitsfreigabe Zugang zu Daten über die Bewegung von Kriegsschiffen.
       „Solch schlampiges Informations-Management ist ein ernstes Problem der
       nationalen Sicherheit“, [2][klagte die liberale Zeitung Mainichi].
       
       Die kleineren Vergehen zeugen von laxer Moral: Dutzende Marinetaucher
       beanspruchten Gefahrenzulagen von umgerechnet insgesamt 250.000 Euro für
       Aufgaben, die sie gar nicht wahrgenommen hatten.
       
       ## „Führung und Einhaltung von Vorschriften mangelhaft“
       
       Vorgesetzte schüchterten Untergebene ein, obwohl es zu einer
       Sonderuntersuchung gekommen war, nachdem drei Offiziere im Jahr 2021 wegen
       sexueller Belästigung einer Soldatin verurteilt worden waren.
       Marineangehörige gingen in Kantinen von Stützpunkten unberechtigt kostenlos
       essen.
       
       Außerdem läuft eine Sonderinspektion, wonach der Rüstungszulieferer
       Kawasaki Heavy Industries U-Boot-Besatzungen mit Elektronikwaren und
       Biergutscheinen geschmiert haben soll.
       
       Der Stabschef der Marine, Ryo Sakai, sollte mit einer Gehaltskürzung
       davonkommen, reichte aber seinen Rücktritt ein, da der Schwerpunkt der
       Vorfälle bei den Seestreitkräften liegt. Als Ursachen nannte er die
       „mangelnde Beachtung der Vorschriften bei den Truppen und die mangelnde
       Führungsfähigkeit in der Organisation“.
       
       Vizeadmiral Akira Saito rückt am 19. Juli auf Sakais Posten. Gerügt wurden
       auch Vizeverteidigungsminister Kazuo Masuda und General Yoshihide Yoshida,
       Chef des Generalstabs des Ministeriums. Minister Kihara verzichtet
       freiwillig auf ein Monatsgehalt.
       
       ## Regierungschef zeigt sich zerknirscht
       
       Premier Kishida stellte sich hinter seinen Verteidigungsminister und
       entschuldigte sich. „Ich erkenne an, dass die Situation extrem ernst ist
       und verstehe, dass es in diesem Zusammenhang keinen Raum für Fehler gibt“,
       sagte der Regierungschef.
       
       Die Vorfälle gefährden seine Politik, die Verteidigungsausgaben bis 2027
       auf 2 Prozent des Bruttoinlandproduktes zu verdoppeln. „Wenn die SDF
       weiterhin von diesen Problemen geplagt wird, ist es unwahrscheinlich, dass
       die Öffentlichkeit den Vorschlag der Regierung unterstützt, die
       Verteidigungsausgaben drastisch zu erhöhen, ganz zu schweigen von
       Steuererhöhungen zur Finanzierung“, [3][meinte die liberale Zeitung Asahi].
       
       Bisher hat Kishida es vermieden, sich auf den Zeitpunkt von
       Steuererhöhungen festzulegen, mit denen er die Extraausgaben finanzieren
       will. Laut dem neuen Verteidigungsweißbuch hat die Regierung 42 Prozent der
       benötigten 43,3 Billionen Yen (250 Milliarden Euro) für zusätzliche
       Rüstungsprojekte sichergestellt.
       
       Bei Japans Verbündeten wiederum dürften frühere Zweifel wieder zunehmen, ob
       man Japan bei der geplanten Verstärkung der militärischen Kooperation
       sensible Daten anvertrauen kann. So wollen Japan und die USA bis Anfang
       2025 eine gemeinsame Einsatzzentrale einrichten, um eine integrierte
       Führung der japanischen Streitkräfte auch in Friedenszeiten zu ermöglichen.
       
       15 Jul 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Japan/!t5010076
   DIR [2] https://mainichi.jp/english/articles/20240711/p2a/00m/0op/025000c
   DIR [3] https://www.asahi.com/ajw/articles/15345303
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Martin Fritz
       
       ## TAGS
       
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