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       # taz.de -- Klimaschutz im Flugverkehr: Fliegen wird erst mal nicht öko
       
       > Ein Projekt zur Herstellung von CO2-neutralem Flugbenzin in Hamburg ist
       > aufgegeben worden. Klimaschutzziele einzuhalten wird schwierig.
       
   IMG Bild: In Zukunft muss Öko-Sprit mit drin sein: Flugzeugbetankung
       
       Hamburg taz | Der Plan, im großen Stil CO2-freies Flugbenzin (Kerosin) in
       Hamburg herzustellen, ist gescheitert. Wie der rot-grüne Senat auf Anfrage
       der Linken mitteilte, hat das Betreiberkonsortium mitgeteilt, „dass es das
       Projekt nicht weiterverfolgen wird“. Damit könnte es schwierig werden, dem
       Flugbenzin wie von der EU vorgeschrieben im kommendem Jahr klimaneutralen
       Kraftstoff beizumischen. [1][Weniger klimaschädliches Fliegen] rückt ein
       Stück weiter in die Ferne.
       
       Das Fliegen ist für rund drei Prozent des Kohlendioxidausstoßes der Welt
       verantwortlich. Das ist mehr als Japan 2022 in die Atmosphäre entlassen
       hat. Noch stärker als CO2 tragen die Kondensstreifen am Himmel, die sich
       aus den Flugzeugabgasen bilden, zur Erderwärmung bei.
       
       Um des CO2 Herr zu werden, schreibt die EU vor, dass Fluggesellschaften ab
       dem kommenden Jahr ihrem Treibstoff zwei Prozent Sustainable Aviation Fuels
       (SAF) beimengen müssen, also nachhaltigen, sprich CO2-freien Kraftstoff.
       2030 müssen es sechs Prozent sein, 2050 dann 70 Prozent.
       
       SAF lässt sich zum einen aus biologischen Abfällen wie altem Fett und
       Speiseresten, aber auch aus Abfällen aus der Forstwirtschaft herstellen.
       Zum anderen kann es aus Wasserstoff und CO2 hergestellt werden, wobei das
       klimapolitisch nur Sinn ergibt, wenn der Wasserstoff mit einem anderweitig
       nicht nutzbaren Überschuss an erneuerbarer Energie erzeugt wird.
       
       ## Riesiger Bedarf an Kerosin
       
       „Wir reden über ein weltweites Thema“, sagt Ralf Gust, Geschäftsführer des
       Hamburg Aviation Office, das die Hamburger Luftfahrtbranche koordiniert.
       Angesichts der klimapolitischen Ziele sei der Bedarf riesig. Der Senat
       schätzt, dass in Hamburg im laufenden Jahr 325.000 Tonnen Kerosin getankt
       werden. Im kommenden Jahr müssten voraussichtlich 7.000 Tonnen SAF
       hineingemischt werden, um die Klimaschutzvorschriften zu erfüllen.
       
       Mit dem [2][Green Fuels Project in den Stadtteilen Billbrook] und
       Rothenburgsort wäre Hamburg aus dem Schneider gewesen. Ab 2026 sollten dort
       mindestens 10.000 Tonnen SAF im Power-to-Liquid-Verfahren (PtL) erzeugt
       werden. Geplant war ein Elektrolyseur, der mit Hilfe von Offshore-Windstrom
       Wasserstoff erzeugen sollte. Zusammen mit CO2 aus biologischen Quellen
       sollte daraus dann synthetisches Kerosin gemacht werden.
       
       In kleinem Maßstab probieren das die Firmen H&R und Mabanaft seit 2022 in
       Hamburg bereits aus. Die Demonstrationsanlage ist aber auf maximal 200
       Tonnen im Jahr ausgelegt.
       
       Dass das Projekt in Billbrook/Rothenburgsort gescheitert ist, erklärt Ralf
       Gust vom Aviation Office mit der ungenügenden Anschubförderung. Nach einem
       Urteil des Bundesverfassungsgerichts im vergangenen Jahr durfte die
       Bundesregierung [3][ungenutzte Kredite zur Bewältigung der Coronapandemie
       nicht in ihren Klima- und Transformationsfonds verschieben]. Bis 2027 muss
       der Fonds mit 45 Milliarden weniger auskommen. Die Wasserstoffindustrie
       wird im laufenden Jahr nur mit 1,3 statt 3,8 Milliarden Euro gefördert.
       
       ## Öffentliche Förderung entscheidend
       
       Die Wasserstoffprojekte sind teuer. Die städtischen Hamburger Energiewerke
       erhielten kürzlich einen Förderbescheid vom Bundeswirtschaftsministerium:
       gut 150 Millionen Euro für den [4][Green Hydrogen Hub – im wesentlichen ein
       100 Megawatt leistender Elektrolyseur] – und knapp 100 Millionen für ein
       Wasserstoff-Industrie-Netz. Allein für den Elektrolyseur werden Baukosten
       von 700 Millionen Euro veranschlagt.
       
       Dass die öffentliche Förderung entscheidend sein könnte für
       E-Fuels-Projekte, davor warnte Christian Küchen, Hauptgeschäftsführer des
       En2x-Wirtschaftsverbandes, auf der Internationalen Luft- und
       Raumfahrtausstellung im Juni in Berlin. „Quoten allein reichen nicht, um
       jetzt die notwendigen Investitionen in die SAF-Produktion auszulösen“,
       sagte Küchen.
       
       Die ersten großen Anlagen seien meist teurer als später gebaute, da diese
       auf Erfahrung der ersten Projekte zurückgreifen könnten. Dem müsse mit
       langfristigen Ausschreibungen und der Minderung des Investitionsrisikos
       durch die öffentliche Hand begegnet werden, sagte Küchen.
       
       ## Klimaziele könnten nicht erreicht werden
       
       Gust zufolge würde sich das nicht nur aus Sicht des Klimaschutzes lohnen.
       „Das wäre eine technologische Chance für den Standort Deutschland“, sagt
       er.
       
       Dass die vier Hamburger Konsortialpartner für den Flugzeug-Treibstoff –
       Uniper, Siemens Energy, Sasol Eocft und Airbus – aufgegeben haben, hat der
       Senat zum Anlass genommen, beim Bundesverkehrsministerium anzuklopfen. Er
       bemühe sich, „für eine stärkere Förderung entsprechender Projekte zu werben
       beziehungsweise Handlungsnotwendigkeiten zu unterstreichen“, schrieb der
       Senat an die Linke.
       
       Falls das scheitern sollte, stellt deren Bürgerschaftsabgeordneter Stephan
       Jersch schmerzhafte Konsequenzen in Aussicht: „Wenn die EU-Klimaziele durch
       fehlende SAF nicht erreicht werden können, bedeutet das möglicherweise auch
       eine Begrenzung der Zahl der Flüge.“
       
       29 Jul 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /ILA-in-Schoenefeld/!6013125
   DIR [2] https://www.uniper.energy/news/de/green-fuels-hamburg-plant-industrielle-produktion-nachhaltiger-flugkraftstoffe-fuer-eine-klimaneutrale-luftfahrt
   DIR [3] /Ampel-Koalition-erledigt-den-Haushalt/!5980212
   DIR [4] /Shell-springt-bei-Hamburger-Projekt-ab/!5915703
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gernot Knödler
       
       ## TAGS
       
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