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       # taz.de -- Zaun um den Görlitzer Park: Der Kampf um den öffentlichen Raum
       
       > Gegner:innen der Schließung des Görlitzer Parks versammeln sich zur
       > großen Aktionsnacht. Unterdessen verzögert sich der Beginn erster
       > Zaunarbeiten.
       
   IMG Bild: Jeder Zaun, jede Mauer wird aus Blumen sein: Fahrraddemo gegen die vom Senat geplante Umzäunung des Görlitzer Parks
       
       Berlin taz | Noch ist nicht so recht zu erkennen, was an diesem
       Donnerstagnachmittag Wichtiges passieren soll im Görlitzer Park. Gegenüber
       des Pamukkale-Brunnens spendet ein Pavillon einem Minigrüppchen Schatten.
       Darunter sind zwei Bierbänke aufgebaut, auf denen ein aufgeklappter Laptop
       und ein großes schwarzes Mikrofon stehen.
       
       „Wart ihr denn schon mal im Görlitzer Park?“, fragt eine Frau die zwei
       jungen Mädchen, die vor dem Mikro sitzen. „Ja“, sagen die beiden, durchaus
       begeistert, und erzählen, was sie alles gern im Park unternehmen. Nach und
       nach kommen immer mehr Kinder mit ihren Eltern an, bis sich schließlich
       eine Gruppe von etwa 50 Menschen zusammengefunden hat. Begrüßungen werden
       ausgetauscht, die Stimmung ist freundlich, familiär.
       
       Das Aktionsbündnis „Görli Zaunfrei“ hat in den Park in Kreuzberg geladen.
       Es gibt ein großes Programm von Donnerstagnachmittag bis Freitagmorgen,
       [1][die „Aktions-Tag & Nacht“]. Das Ziel der etwas sperrig klingenden
       Veranstaltung ist klar: Der geplante Zaunbau und die nächtliche Schließung
       des Görli sollen verhindert werden.
       
       Um 16 Uhr geht es los. Die Kinder werden gefragt, was sie sich für den Park
       wünschen. Dafür auch das große Mikrofon. Später sollen ihre Ideen als Input
       für eine breitere Diskussion genutzt werden. Verschiedene Bündnisse wie
       „Görli Zaunfrei“, „Görli 24/7“ und die sozialen Träger stellen sich vor.
       Sobald die Sonne untergegangen ist, gibt es ein Filmscreening zu Kämpfen um
       öffentliche Räume. Mit einer Küche für Alle und veganen Wraps ist außerdem
       für das leibliche Wohl gesorgt.
       
       ## Die Geschichte vom Zaunkönig
       
       Pünktlich um Mitternacht erzählt „Märchenonkel Hermann“ überdies die
       Geschichte von Zaunkönig Kai, dem I. Gemeint ist der Regierende
       Bürgermeister Kai Wegner (CDU). Er hat sich schon vor einiger Zeit in den
       Kopf gesetzt, einen Zaun um den Park bauen zu wollen.
       
       „Habt ihr denn eine Idee, was der Zaun um den Park bringen soll?“, fragt
       die Frau die beiden Mädchen vor dem Mikro. „Nee, nicht so richtig“,
       antworten die beiden. Der Zaun soll den Drogenhandel eindämmen und die
       [2][Anzahl der Straftaten im Park] zurückgehen lassen. So das offizielle
       Bekenntnis des schwarz-roten Senats.
       
       Judith vom Bündnis „Görli Zaunfrei“ sieht nicht, dass mit einem Zaun die
       bestehenden Herausforderungen wenigstens halbwegs sinnvoll angegangen
       werden könnten. „Dass es Probleme gibt, ist offensichtlich“, sagt sie zur
       taz.
       
       Hinter ihr wird unterdessen ein Mann von der Polizei in Handschellen
       abgeführt, eine Frau unterbricht das Gespräch und fragt, ob man nicht
       vielleicht 20 Cent für sie übrig hätte. „Aber ein Zaun ist totaler
       Quatsch“, sagt Judith. Eine Stahlkonstruktion löse die sozialen Probleme
       sicherlich nicht.
       
       ## Dealer und Konsument:innen
       
       Judith berichtet, dass sie in der Nähe wohne. Sie habe keinen Balkon oder
       Hinterhof. „Der Görli ist unser Garten, das ist unser Park“, sagt sie. Ein
       Zaun würde nicht nur die Erholungsmöglichkeiten einschränken, auch
       verlagere er das Elend einfach nur. Die Dealer seien gar nicht so sehr das
       Problem. Das seien eher die Konsument:innen. Ihnen fehle dann der
       Rückzugsort. Sie hätten im Grunde keine andere Wahl, als sich in den
       umliegenden Straßen oder Hauseingängen aufzuhalten.
       
       Anwohner:innen wie Judith und soziale Träger wie der Verein Gangway
       oder das Nachbarschaftszentrum Kiezanker wünschen sich eine nachhaltige
       Finanzierung ihrer Arbeit. Dabei mangelt es offenkundig nicht einmal an
       Mitteln.
       
       Beim [3][sogenannten Sicherheitsgipfel im vergangenen Sommer] hatten sich
       CDU und SPD darauf geeinigt, bis Ende 2025 31 Millionen Euro für
       Hilfsangebote für drogenabhängige Menschen und die Umzäunung des Görli
       bereitzustellen. Eine beachtliche Summe.
       
       Juri Schaffranek von Gangway sagt, dass sie so viel Geld in solch kurzer
       Zeit gar nicht ausgeben können. Das sei tragisch, denn alles Geld, was bis
       Ende nächsten Jahres nicht abgerufen wird, fließt wieder zurück in die
       Landeskassen. „Jugendarbeit und Suchtarbeit müssen aber langfristig sein“,
       so Schaffranek zur taz. Eine Weitsicht, die Wegner und der Senat offenbar
       nicht an den Tag legten.
       
       ## „Görli bleibt auf!“ – vermutlich nicht mehr lange
       
       Mittlerweile ist die Sonne untergegangen und der Mond scheint groß durch
       die dünnen Wolken auf den Görli. Vor dem Pamukkale-Brunnen steht [4][ein
       riesiger Zwerg aus Pappmaschee mit roter Zipfelmütze] und einem Schild:
       „Görli bleibt auf!“
       
       Das sieht der Senat bekanntlich anders. Nach [5][jüngsten Angaben der
       Senatsumweltverwaltung] ist für das „Ende des 3. Quartals“ dieses Jahres
       der Bau von Toren in den Parkzugängen vorgesehen. „Bis Mitte Juli“ wollte
       man eigentlich auch mit der Realisierung eines 220 Meter langen
       „Lückenschlusses“ beginnen, der die existierende Mauer um das Gelände
       ergänzen soll. Aber im Fristenverstreichenlassen ist Berlin ja groß.
       
       19 Jul 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Leonel Steinbrich
       
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