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       # taz.de -- Stationierung von Mittelstreckenwaffen: Rolf Mützenich ist nicht begeistert
       
       > Der SPD-Fraktionschef hat Bedenken gegen die geplante Stationierung von
       > Mittelstreckenwaffen. Außenministerin Baerbock verteidigt die
       > Entscheidung.
       
   IMG Bild: Haben etwas unterschiedliche Vorstellungen von der „Zeitenwende“: Kanzler Olaf Scholz und sein Parteifreund Rolf Mützenich
       
       Berlin taz | Die angekündigte Stationierung von US-Mittelstreckenwaffen in
       Deutschland sorgt zunehmend für Unruhe in der SPD. Am Wochenende hat sich
       nun auch Bundestagsfraktionschef Rolf Mützenich kritisch zu den Plänen
       geäußerst. „Wir müssen unsere Verteidigungsfähigkeit angesichts des
       russischen Überfalls auf die Ukraine verbessern, aber wir dürfen die
       Risiken dieser Stationierung nicht ausblenden“, sagte er den Zeitungen der
       Funke Mediengruppe.
       
       Am Rande des Nato-Gipfels in Washington hatten das Weiße Haus und die
       Bundesregierung [1][vor eineinhalb Wochen bekanntgegeben], dass die USA von
       2026 an Tomahawk-Marschflugkörper, die Mehrzweckrakete SM-6 sowie derzeit
       noch in der Testphase befindliche Hyperschallraketen in der Bundesrepublik
       stationieren wollen. Diese Waffensysteme verfügen über eine deutlich
       größere Reichweite als die derzeitigen landgestützten Systeme in Europa.
       
       Es handele sich um eine „Reaktion auf die von Russland ausgehende
       Bedrohung“, heißt es in einem gemeinsamen Schreibenmit dem die
       Parlamentarischen Staatssekretär:innen Siemtje Möller (Verteidigung)
       und Tobias Lindner (Auswärtiges Amt) am Freitag den Auswärtigen Ausschuss
       und den Verteidigungsausschuss des Bundestages über das mit den USA
       vereinbarte Vorhaben informierten.
       
       „Russland hat in den vergangenen Jahren massiv im Bereich weitreichender
       Raketen und Marschflugkörper aufgerüstet“, so die SPDlerin und der Grüne.
       Vergeblich habe die Bundesregierung mehrfach auch öffentlich „zu einer
       Umkehr von diesen eskalatorischen Maßnahmen aufgefordert“. Die
       Stationierung weitreichender konventioneller US-Waffensysteme in
       Deutschland trüge „zu einer effektiven und glaubwürdigen Abschreckung und
       zum Schutz Deutschlands und seiner Verbündeten bei“.
       
       In Washington hatte Bundeskanzler Olaf Scholz bereits verkündet, das sei
       „ein Element der Abschreckung, ein Beitrag zum Frieden und eine wichtige
       Entscheidung zum richtigen Zeitpunkt“.
       
       ## „Gefahr einer unbeabsichtigten militärischen Eskalation“
       
       Dagegen wendet sein Parteifreund Mützenich jetzt ein, dass er zwar die
       Bedrohung durch Russland „überhaupt nicht ignorieren“ wolle. Gleichwohl
       verfüge die Nato „auch ohne die neuen Systeme über eine umfassende,
       abgestufte Abschreckungsfähigkeit“.
       
       Die Waffensysteme, die nun neu stationiert werden sollen, hätten eine sehr
       kurze Vorwarnzeit und eröffneten neue technologische Fähigkeiten. „Die
       Gefahr einer unbeabsichtigten militärischen Eskalation ist beträchtlich“,
       warnte Mützenich. Darüber hinaus würde er sich wünschen, „dass die
       Bundesregierung ihre Entscheidung einbettet in Angebote zur
       Rüstungskontrolle“.
       
       Noch deutlich schärfere Worte findet eine Gruppe überwiegend älterer
       Sozialdemokrat:innen, unter ihnen Ex-Bundesjustizministerin [2][Hertha
       Däubler-Gmelin], die frühere NRW-Wissenschaftsministerin Anke Brunn, die
       ehemalige Bonner Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann und – [3][mal wieder]
       – der 75-jährige Willy-Sohn Peter Brandt. „Nein zu neuen
       Mittelstreckenraketen!“, ist ihr [4][gerade veröffentlichter Aufruf]
       überschrieben.
       
       ## Deutschland brauche eine starke Friedensbewegung
       
       „Die Gefahr eines großen Krieges in Europa droht wieder zu einer denkbaren
       Zukunft zu werden“, heißt es darin. Dazu trage bei, dass in Deutschland
       wieder Waffensysteme stationiert werden sollen, „die mit sehr kurzen
       Vorwarnzeiten konventionelle Sprengköpfe und sogar Atomwaffen nach Russland
       tragen können“. Dass am Ukraine-Krieg Russland „die unmittelbare
       Kriegsschuld“ trage, stehe zwar „außer Frage“, ändere aber „nichts daran,
       dass es zuerst um den Frieden gehen muss“.
       
       Sie sagten „Nein zu einem neuen Kalten Krieg, aus dem ein Heißer Krieg
       werden kann“, schreiben die Verfasser:innen, zu denen auch das Ex-IG
       Metall-Vorstandsmitglied Helga Schwitzer, Ostermarschorganisator [5][Willi
       van Ooyen] und Jörg Sommer, der Vorsitzende der Deutschen Umweltstiftung,
       gehören. Was Deutschland brauche, sei „eine starke Friedensbewegung, die
       sich der zunehmenden Militarisierung in der Politik und den öffentlichen
       Debatten entschieden widersetzt“.
       
       Demgegenüber verteidigte Außenministerin Annalena Baerbock erwartungsgemäß
       die vereinbarte Raketenstationierung. Der russische Präsident Wladimir
       Putin habe „das Arsenal, mit dem er unsere Freiheit in Europa bedroht,
       kontinuierlich ausgebaut“, sagte die Grünen-Politikerin den Zeitungen der
       Funke Mediengruppe. „Dagegen müssen wir uns und unsere baltischen Partner
       schützen, auch durch verstärkte Abschreckung und zusätzliche
       Abstandswaffen“, so Baerbock. Alles andere wäre „nicht nur
       verantwortungslos, sondern auch naiv gegenüber einem eiskalt kalkulierenden
       Kreml“. Putin habe schon vor Jahren mit Abrüstungsverträgen und der
       gemeinsamen europäischen Friedensarchitektur gebrochen.
       
       21 Jul 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /US-Bekenntnis-zur-Nato/!6023062
   DIR [2] /SPD-Altvordere-kritisieren-Olaf-Scholz/!6017309
   DIR [3] /Friedensaufruf-von-Brandt-Sohn/!5923389
   DIR [4] https://friedenschaffen.net/
   DIR [5] /Friedensaktivist-ueber-Ukraine-Invasion/!5837777
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Pascal Beucker
       
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