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       # taz.de -- Sommerferien: Asphalt Love
       
       > Unsere Autorin erinnert sich nostalgisch an ihre Jugend. Mit ihrer
       > Freundesgruppe lag sie im Sommer regelmäßig auf Straßen herum. Wieso?
       
   IMG Bild: Der lauwarme Asphalt erfüllte unseren ganzen Körper mit diesem wohligen Gefühl
       
       „Schnell, Augen zu!“, schießt es gleichzeitig aus unseren Mündern. Juli hat
       die Sternschnuppe wieder verpasst und flucht mit Zigarette zwischen den
       Lippen vor sich hin. In seiner Hand eine halbleere Weinflasche, mit der er
       gerade unsere Plastikbecher nachfüllt. „Ich hab’ eh keinen Wunsch“, sagt er
       dann. „Jaja“, sage ich.
       
       Wir hatten uns mal wieder zum Teerchillen getroffen. So nannten wir unsere
       Lieblingsbeschäftigung im Sommer. Beim Teerchillen fühlten wir uns
       revolutionär und ein bisschen gefährlich. Dabei hätte die Erfindung unserer
       Jugend nicht einfacher sein können: Wir legten uns auf Straßen, am liebsten
       dann, wenn unsere Eltern dachten, wir seien längst in unseren Betten oder
       zumindest in denen unserer Freund*innen.
       
       Wahrscheinlich war es gar kein Teer, auf dem wir lagen, sondern Asphalt.
       Aber das war uns damals egal, wie so ziemlich alles andere auch. Wir
       schwänzten Doppelstunden, um ins Schwimmbad zu gehen. Autoritäten lehnten
       wir strikt ab. Und wenn uns jemand fragte, was wir nach der Schule machen
       wollen, war unsere Standardantwort: „Keine Ahnung, mir doch egal.“
       
       Was uns faszinierte, war das Unvorhersehbare. Wenn man sich in
       Sommernächten mit ein paar Flaschen Wein intus auf eine Straße legt,
       Zigaretten raucht und in den Himmel schaut, kann so einiges passieren.
       Spontane Romanzen, innovative Trinkspiele, wilde Raufereien: Beim
       Teerchillen wurden die Geschichten geboren, die am nächsten Tag in der
       Schule die Runde machten.
       
       Glücklicherweise brachten wir uns nie ernsthaft in Gefahr, die Straßen
       unserer Kleinstadt waren nachts wie leergefegt. Und doch erhitzten wir zu
       unserer großen Freude hin und wieder die Gemüter der Passant*innen. „Geht’s
       noch?“, riefen uns empörte Gassigeher zu. „Habt ihr kein Zuhause?“ Uns
       geht’s super, versicherten wir dann. Eigentlich könnte es kaum besser sein.
       
       Der lauwarme Asphalt erfüllte unseren ganzen Körper mit diesem wohligen
       Gefühl. Ein Gefühl, das wir vorher nur von unseren Fußsohlen kannten, wenn
       wir nach einem heißen Sommertag unsere Schuhe auszogen. Auf Feldern oder
       Wiesen zu liegen, war einfach nicht vergleichbar. Denn während wir auf der
       Straße lagen, wirkte es so, als lebe die untergegangene Sonne in uns
       weiter, fast so lange, bis sie wieder am Himmel erschien. Vielleicht war
       dafür auch die beachtliche Menge an Wein verantwortlich. Unsere Nächte
       wurden jedenfalls zu unseren schönsten Tagen.
       
       Im August war das Teerchillen besonders schön. Wir konnten so viele
       Sternschnuppen beobachten, dass wir irgendwann aufhörten, sie zu zählen.
       Der Grund dafür hat sich tief in mein Gedächtnis eingebrannt:
       Perseidenströme. Rund um den 12. August erreichen sie jedes Jahr ihren
       Höhepunkt, rund 100 Sternschnuppen pro Stunde ziehen dann über den Himmel.
       
       Wer also viele Wünsche hat, sollte in den nächsten Tagen öfter mal nach
       oben schauen. Und wenn einer der Wünsche zufällig damit zu tun hat, sich
       für ein paar Stunden lang wieder jung zu fühlen, dann hilft vielleicht die
       Straße.
       
       3 Aug 2024
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Katharina Federl
       
       ## TAGS
       
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